Gestatten, Boerne, Rechtsmediziner und Professor für forensische Pathologie. So stellt sich Karl-Friedrich Boerne auch im "Tatort: Fangschuss" wieder vor. Aber was genau ist das? Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke bringt für uns Licht ins Begriffswirrwarr und erklärt, was Rechtsmedizin mit Harry Potter zu tun hat.
In Krimis geraten viele Begriffe durcheinander: Gerichtsmediziner, Pathologe, forensischer Pathologe oder auch Kriminalbiologe. Professor Boerne zum Beispiel stellt sich als Rechtsmediziner und Professor für forensische Pathologie vor. Aber wo ist der Unterschied zwischen den ganzen Berufsbezeichnungen? Dr. Mark Benecke ist selbst Kriminalbiologe und erklärt die Besonderheiten.
Herr Dr. Benecke, Boerne ist "Rechtsmediziner und Professor für forensische Pathologie". Was bedeutet das?
Dr. Mark Benecke: Es gibt in ganz Deutschland keinen einzigen forensischen Pathologen – ausser im "Tatort" und übersetzten Krimis aus den USA. Eine Pathologin oder ein Pathologe kennt sich auch in Deutschland mit krankhaften Gewebe-Veränderungen aus, aber nicht mit Gewalteinwirkungen. In den USA können Pathologen und Pathologinnen als Zusatzausbildung daher forensische Pathologie machen, also alles mit einem kriminalistisch interessanten Hintergrund.
In Deutschland ist der Facharzt zur Rechtsmedizin eine eigene fünfjährige Zusatzausbildung nachdem man schon Arzt ist. Dann ist man aber kein Pathologe, sondern Rechtsmediziner. Beide sind Fachärzte, aber für ziemlich verschiedene Wissensgebiete. Ich hingegen bin Biologe, es gibt aber auch zum Beispiel Kriminalchemiker.
Professor Boerne ist als sehr exaltierte Figur angelegt. Gibt es einen bestimmten Menschentyp des Rechtsmediziners?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe bei jüngeren Ärzten gehört, dass es zwei Gründe geben soll, warum man als Rechtsmediziner oder auch als Kriminalbiologe arbeitet. Zum einen, weil man selbst zu nahe an den Tod gekommen ist, zum Beispiel durch den Tod eines Bekannten oder Verwandten. So wie bei Harry Potter. Da gibt es dieses eine Mädchen, Luna Lovegood, die ihre Mutter hat sterben sehen. Solche Menschen, die schon einmal eine solche Erfahrung hatten, können nicht nur im Film bestimmte Dinge klarer sehen.
Oder man hat sogar am eigenen Leib traumatische Erfahrung mit dem Tod oder Missbrauch gemacht. Ein Kollege von mir wurde beispielsweise mal entführt - nicht schön. Das will aber natürlich niemand öffentlich sagen. Zum anderen glaube ich, dass manche Ärzte auch nicht mit lebenden Patienten zu tun haben wollen.
Und was ist mit der Überheblichkeit eines Professor Boerne, kennen Sie die aus der Praxis?
Dass Menschen wie Boerne oder auch schon Sherlock Holmes als arrogant wahrgenommen oder dargestellt werden, ist, glaube ich, eine Fehlinterpretation. Wenn jemand von aussen betrachtet relativ emotionslos mit Themen umgeht, die bei anderen aber sehr starke Emotionen auslösen, dann wirkt das halt manchmal seltsam.
Ähnliches gilt auch für sehr schüchterne Menschen. Die werden auch oft für arrogant gehalten, weil sie sich eben so zurückhalten. Die sind aber das genaue Gegenteil von arrogant. Ansonsten findet man meiner Erfahrung nach bei Gerichtsmedizinern das gesamte Panoptikum menschlicher Charaktere.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.