Tristan Grünfels und ein Monster
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19 Mal ermittelten Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) in Frankfurt. Mit dem "Tatort: Es grünt so grün, wenn Frankfurts Berge blüh'n" endete die Reise der TV-Kommissare vom Main. Was ist von ihrer Abschiedsfolge zu halten, welche Frankfurter Fälle waren besonders - und wie geht es nun weiter?
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Zum Abschied von Janneke und Brix kommt ein prominenter Gaststar, der gleich den ganzen Film dominiert: Matthias Brandt gibt den Mörder, der gleichzeitig (unzuverlässiger) Erzähler ist. Brandt spielte von 2011 bis 2018 den "Polizeiruf 110"-Kommissar Hanns von Meuffels in München. Im "Tatort" mordet er nun mit dissoziativer Identitätsstörung.
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Dissoziative Identitätsstörung ist vielen besser unter dem Begriff Multiple Persönlichkeitsstörung bekannt. Dabei zerfällt das Selbst in verschiedene Teile, die sich oft stark voneinander unterscheiden. Deshalb nimmt ein Teil von Tristan Grünfels nicht wahr, dass ein anderer Teil von ihm Menschen ermordet.
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Die verrückte Geschichte um einen bürgerlichen Therapeuten, der den Kontakt zu seiner Frau (Patrycia Ziolkowska) und den fast erwachsenen Kindern verliert - und dann zu sich selbst -, haben sich die Frankfurter Autoren Michael Proehl und Dirk Morgenstern ausgedacht. Von Proehl stammt auch der berühmte Tukur-Fall "Tatort: Im Schmerz geboren" (2014).
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Haben Sie diesen Gaststar erkannt? Kommissar Paul Brix trifft auf eine Reinigungskraft. Sie wird von Eintracht-Frankfurt-Profi Timothy Chandler gespielt - Kultspieler, Spassvogel des Teams und gebürtiger Frankfurter. Nach Joshua Kimmich, der zuletzt im Münchener "Tatort" als Fitness-Trainer auftrat, der nächste Fussballer-Cameo.
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Auch einen Kunst-Cameo-Auftritt, wenn man so will, gab es im Film: Der irre Psychologe Grünfels findet sich in einer Szene wieder, die stark an das berühmte Gemälde "Der Wanderer über dem Nebelmeer" (1818) von Caspar David Friedrich erinnert. In die dunkle Romantik des Motivs mischen sich jedoch bald Horror-Elemente.
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Caspar David Friedrich meets Horrorfilm, denn Grünfels sieht aus der Gemälde-Installation ein Monster auf sich zukommen. Drehbuchautor Dirk Morgenstern dazu: "Die Installation ist der Spiegel der Seele der Hauptfigur. 'Der Wanderer über dem Nebelmeer' ist ein ikonografisches Bild der Sehnsucht der deutschen Seele nach Frieden und Ruhe."
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Janneke und Brix waren zehn Jahre lang Freunde - und Singles. Dies kann Paul Brix' Mitbewohnerin Fanny (Zazie de Paris, rechts) bezeugen. Nun schrieb man ihnen noch eine Romanze ins Drehbuch - und eine Explosion zum Abschluss. Diesen gehetzten und konstruierten Abgang hätte man sich schenken können, oder?
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Machen die beiden Schauspiel-Stars eigentlich freiwillig Schluss? Nach allem, was man hört: Ja. Margarita Broich (64), wohnhaft in Berlin, war wohl die treibende Kraft. Sie möchte mehr Zeit fürs Theater und Enkel haben.
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Wolfram Koch, 62, hatte es nicht weit zur Arbeit, denn der ebenfalls viel beschäftigte Bühnenschauspieler und Vater von vier Kindern lebt seit Langem in Frankfurt. Mit Margarita Broich, die er von der Bühne kennt, war er schon vor dem "Tatort" gut befreundet. Für Koch, so sagte er selbst, war es keine Option, alleine weiterzumachen.
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Das Frankfurter Ermittlerduo lieferte über neuneinhalb Jahre und 19 Folgen tonal sehr unterschiedliche Filme ab, denen aber meist eine gewisse Ambition anzumerken war: Von der "Fargo"-Persiflage über einen sehr erfolgreichen Horror-Ausflug nach Kassel bis hin zu einem Film, dessen erste Hälfte im Dunkeln spielte. Verrückt, diese Frankfurter ...
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Paul Brix' und Anna Jannekes erfolgreichster Fall war ihr Debüt am 17. Mai 2015: "Kälter als der Tod" über einen Dreifachmord an einer Familie erreichte 9,8 Millionen Zuschauer. Das Drehbuch schrieb Michael Proehl, der nun auch den letzten Fall verfasst hat.
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Mit 9,6 Millionen Zuschauern liegt der "Tatort: Die Guten und die Bösen" vom 19.4.2020 auf Platz zwei des Quoten-Rankings. Es ist nicht nur einer der besten "Tatorte" der letzten fünf Jahre, sondern auch der finale Film der verstorbenen Schauspielerin Hannelore Elsner. Ihr zu Ehren zeigte das Erste den "Tatort" zwei Tage vor ihrem ersten Todestag.
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Mit 9,3 Millionen Zuschauern holte "Das Monster von Kassel" mit "Bad Banks"-Star Barry Atsma (l.) als fiesem, trickreichem TV-Moderator und Mörder am 12. Mai 2019 den Bronze-Platz im Janneke-und-Brix-Werk.
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Und welcher Fall war der erfolgloseste? Der "Tatort: Kontrollverlust" mit Jeanette Hain als bildender Künstlerin und Übermutter bildet den Quoten-Tiefpunkt von Janneke und Brix. Es ist der vorletzte Film der Reihe, der am 26. Dezember 2023 lediglich 5,3 Millionen Zuschauende interessierte. Vielleicht war er einfach nicht weihnachtlich genug?
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"Tatort: Falscher Hase" (1. September 2019, 6,7 Millionen Zuschauer) war eine brillante Hommage an das Kino der Coen-Brüder und explizit an deren Kultfilm "Fargo" (1996). In einem sehr kalten Frankfurt jagen die Kommissare eher schlichte und auch unfreiwillige Gangster, die teilweise absurde Brutalität ausüben.
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Ein stimmungsvoller Fall, der aber auch Ärger beim Publikum auslöste, war am 10. September 2023 der "Tatort: Erbarmen. Zu spät." (6,4 Millionen Zuschauer). Im Titel erinnert er an einen Song der Hessen-Band Rodgau Monotones ("Die Hesse komme"). Die erste Hälfte des Films spielt in fast völliger Dunkelheit - man sucht nachts auf dem Land nach einer Leiche.
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Schon lange bevor es im deutschen Fernsehen populär wurde, machte der "Tatort: Fürchte dich" klare Anleihen beim Gruselfilm-Genre. Die besessene Fanny (Zazie de Paris) ist heute ein fast schon ikonografisches "Tatort"-Bild. Den Film sahen am 29. Oktober 2017 6,9 Millionen Menschen - die Kritiken fielen eher bescheiden aus.
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In Frankfurt übernehmen künftig Melika Foroutan (48) und Edin Hasanovic (32), die im Herbst 2024 ihren ersten "Tatort" drehen. Er wird nach der Sommerpause 2025 zu sehen sein. Der Fokus ihrer Fälle liegt auf Cold Cases, also ungeklärten Mordfällen und Tötungsdelikten aus der Vergangenheit. Ein neuer Ansatz beim "Tatort".