Wieder ein "Tatort"-Highlight aus Köln: Die Kommissare Ballauf und Schenk ermitteln unter den "Alphatieren" einer betrügerischen Investmentfirma.
Christopher Komann ist ein unerträglicher Widerling. Aber er ist auch ein faszinierender Gewinnertyp. Einer, der alles hat: Gutes Aussehen, schickes Haus, grosse Klappe. Mehr Energie als der Standmixer, mit dem er sich täglich seine grünen Wellnessdrinks zusammenwirbelt. Und er hat eine Schar Jünger, die ihm blind folgen.
In normalen Unternehmen würde man die jungen Männer Angestellte nennen. Aber Christopher Komanns Investmentfirma "Concreta" ist kein normales Unternehmen. Auch wenn es so aussieht, das verglaste Grossraumbüro voller Schreibtische, vor jedem Bildschirm ein Mitarbeiter, Typ Bankangestellter, mit Telefon und Bluetooth-Headset. Aber das hier ist kein Callcenter! Das hier ist ein Powerhouse! Hier wohnt der Erfolg! Hier wird richtig Geld gemacht! Hier brüllt der Chef noch selbst!
Christopher Komann betritt den Raum und versammelt seine Getreuen zum Pep-Talk: "Ihr werdet nach Hause gehen und eure Frauen werden euch bespringen, weil ihr meine krassen Maschinen seid, die jetzt da rausgehen und richtig was ernten, richtig was reinholen! Holt euch eure Provisionen!" Und alle Affen recken ihre Arme in die Höhe und brüllen mit.
Mit einer Mischung aus Ekel und Belustigung schaut man diesem Spektakel zu, das das Team um Regisseurin Charlotte Rolfes grossartig inszeniert hat – wie überhaupt diesen ganzen "Tatort". Nach der überzeugenden Adventsfolge "Des anderen Last" ist "Pyramide" wieder ein echtes "Tatort"-Highlight aus Köln.
Hier geht es nicht mit rechten Dingen zu
Das Fernsehpublikum weiss bereits, dass es bei "Concreta" nicht mit rechten Dingen zugeht. Zum einen, weil unser Herz und Hirn nicht im Testosteronstrudel untergegangen sind. Zum anderen, weil "Pyramide" damit beginnt, dass "Concreta"-Mitarbeiter André Stamm (Rouven Israel) bei den Kommissaren Max Ballauf (
Der arbeitslose Fernmeldetechniker André ist von seinem Bundeswehr-Freund Robert "Rocko" Andersen (Oleg Tikhomirov) für "Concreta" angeworben worden. Rocko ist die rechte Hand von Komann und auch sonst eine Mini-Version seines Chefs. André hat sich von Rockos Penthousewohnung und seinem Mercedes blenden lassen und alle Vorbehalte in den Wind geschlagen.
Denn Andrés Frau ist schwanger, und er will sich und seiner Familie endlich ein angenehmes Leben ermöglichen. Was macht es da schon, dass das Festgehalt bei "Concreta" verschwindend gering ist. Dass die Investitionen, die die "Concreta"-Mitarbeiter am Telefon verkaufen sollen, zwar hohe Renditen und Provisionen versprechen, aber noch höhere Risiken bergen. Konkret ist bei "Concreta" wenig zu holen.
Risikolos ist das Pyramiden-Geschäftsmodell nur für die beiden Männer an der Spitze. Als André Stamm endlich aufgeht, worauf er sich eingelassen hat, beschliesst er, Rocko und Komann den Druck spüren zu lassen, unter den "Concreta" ihn gesetzt hat.
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Verführung, Versuchung, Habgier und toxische Männlichkeit
"Pyramide" wird in Rückblenden erzählt, in acht Kapiteln, die geradezu biblische Titel tragen: "Verführung", "Versuchung", "Habgier". Aber das Parabelhafte, das der Krimi damit bekommen soll, wirkt aufgesetzt, weil der Film eine viel zu lebensnahe, kraftvolle Wucht besitzt. Eine so starke Geschichte mit so überzeugenden Darstellern wirkt auch ohne diese Überhöhung.
Das Drehbuch von Arne Nolting und Martin Scharf zeichnet ein scharfes Bild der Verführungskraft von selbst ernannten Poweralphas wie Christoph Komann, die an den Stolz und das Geltungsbedürfnis vermeintlicher "Underperformer" appellieren. Ihnen wird suggeriert, dass es nur eine Frage der Einstellung ist, ob man etwas aus seinem Leben macht.
Begleitet von genug Heissluft-Wortballons und der Zurschaustellung von Statussymbolen wird aus dem Ausbeuter-Arbeitsvertrag schnell so etwas wie die Eintrittskarte zu einem exklusiven Club: Willkommen im Verein toxischer Männlichkeit, wo sich mit relativ wenig Arbeit relativ viel Geld verdienen lässt. Das Internet ist voll von solchen "Powersellern" und "Businesscoaches". Allerdings ist von denen keiner so gut wie Christoph Komann, der von einem hinreissend arroganten Robin Sondermann brillant verkörpert wird.
Die Methoden sind moralisch verwerflich, bewegen sich legal aber in einer Grauzone. Und das Fernsehpublikum erwischt sich dabei, sogar ein bisschen Bewunderung zu hegen für einen scharfzüngigen, intelligenten Gauner wie Komann: Er ist doch kein Mörder, nur ein "Highperformer", der die Schwächen der "Lowperformer" ausnutzt. Oder sind wir damit bereits auf Komann hereingefallen, so wie André Stamm?
Keine reinen Gewinner oder Verlierer - nur Tragik
In Person von André wird die Gegenseite genauso sorgfältig ausgelotet, er wirkt keineswegs wie ein "Opfer". Er ist ein sympathischer, liebevoller Ehemann, der sich nicht vorstellen kann, dass sein alter Kumpel Rocko ihn dermassen hereinlegen würde. Und es ist auch nicht unbedingt die Gier, die ihn lockt – jedenfalls nicht nur.
Es ist vielmehr die Hoffnung, seinem Leben eine neue Richtung zu geben. Was André zum Verbrecher macht, ist – anders als bei Komann – gerade nicht Habgier. Es ist die Zerstörung dieser Hoffnung. Und vielleicht auch eine tiefe Scham: Darüber, dass man sich dermassen zum Idioten hat machen lassen.
In einer genialen Schlusssequenz werden beide Seiten noch einmal gegeneinander geschnitten. Und was übrig bleibt, sind keine reinen Gewinner oder Verlierer. Nur Tragik.
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