In "Spieglein, Spieglein" von Drehbuchautor Benjamin Hessler und Regisseur Matthias Tiefenbacher jagen Frank Thiel und Karl-Friedrich Boerne einen Killer, der es auf die Doppelgänger der Ermittlungsbelegschaft abgesehen hat. Was nach echtem Krimi klingt, erwies sich rasch als seichte Komödie, deren Ende man in der Mitte kannte.

Eine Kritik

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Münster wird von einem Serienmörder heimgesucht, der an jedem folgenden Wochentag eine böse Tat vollbringen will. Das Besondere an seinem Treiben: Er legt ausschliesslich Doppelgänger um – und zwar ganz konkret Leute, die den Protagonisten des "Tatort"-Teams wie aus dem Gesicht geschnitten sind.

Zunächst wird ein Look-alike von Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Grossmann) beseitigt. Und obwohl die Verblichene Nichtraucherin war, liegt neben ihr ein Päckchen jener Zigarettenmarke, die von Klemm bevorzugt inhaliert wird.

Am nächsten Tag erwischt es eine Doppelgängerin von Silke Haller aka "Alberich" (Christine Urspruch). Auch bei ihr findet man einen Schal, der der engen Mitarbeiterin von Rechtsmediziner Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) gehört.

Und da auch Kriminalhauptkommissar Frank Thiel und Boerne Schuhe und Mütze vermissen, halten die beiden Ausschau nach ihren Doppelgängern, um weitere Gräueltaten zu verhindern.

"Tatort" Münster: Täterin lässt sich aus dem Knast fernsteuern

Rasch wird klar, dass der Täter von Rache angetrieben wird, weshalb Thiel und Boerne das Kriminalarchiv nach ehemaligen Häftlingen durchforsten, für deren Knastaufenthalte sie einst gesorgt hatten.

Bis die beiden auf den Sexualstraftäter Sascha Kröger (Arnd Klawitter) stiessen, der aus dem Gefängnis die unauffällige, verliebte und hochgradig willfährige Verwaltungsangestellte Birgit Brückner (Katrin Angerer) gleichsam fernsteuerte und die Taten begehen liess, verging viel Zeit und brauchte es jede Menge markige Sprüche.

Nick Tschiller wäre auf der Suche nach Doppelgängern ausgepfiffen worden

Der beim TV-Publikum mehrheitlich beliebte Münster-"Tatort" ist in der Tat ein Phänomen. Und das nicht nur, weil sich die in der Münsteraner Krimi-Fabrik gefertigten Folgen von jenen aus den anderen Städten massiv abheben und die Quoten in der Regel exzellent sind. Auch seines Status wegen, den man sich dort im Laufe der Zeit hart erarbeitet hat.

Ein noch so abstruser und windschief konstruierter Plot wird – vorausgesetzt, Boerne und Thiel ziehen ihr Sprüche-Ding einigermassen konsequent durch – seitens der Fangemeinde kaum bis gar nie beanstandet.

Man stelle sich vor, Til Schweiger hätte als Kriminalhauptkommissar Nikolas "Nick" Tschiller nach Team-Look-alikes gefahndet und mit seinem persönlichen Doppelgänger dann launig über Brillenmodelle parliert: Katastrophe, Shitstorm, Super-GAU!

Vorhersehbare Story und fehlende Relevanz

Auch "Spieglein, Spieglein" war am Sonntagabend phasenweise wieder echt zum Schmunzeln. "Nur weil ich narzisstisch bin, heisst das nicht, dass sich nicht trotzdem alles immer um mich dreht", reizte Boerne die Lachmuskeln.

Und dennoch war alles sehr vorhersehbar, was ob der Worte des Knastbruders – "Ich fang mich an zu langweilen" – einer gewissen Komik nicht entbehrte. Auch Gesellschaftskritisches, Spannungsfaktor oder gar künstlerisch Relevantes suchte man in "Spieglein, Spieglein" vergeblich. Nicht einmal um die Schlüssigkeit war es sonderlich gut bestellt. Oder warum mussten Doppelgänger dran glauben und wurden nicht gleich Thiel, Boerne & Co. umgenietet?

Quo vadis, "Tatort" aus Münster?

Selbst wenn die Quoten eine andere Geschichte erzählen: Zunehmend mehr Tatort-Fans orten bei der Münsteraner (Selbst)Ironisierung erste Abnützungserscheinungen. Immer häufiger wird dort – so hat es zumindest den Anschein – der Plot dem Zotenreissertum untergeordnet.

Klar, Humor in Film und Fernsehen gilt als sicheres Investment, aber vielleicht täte dem Münster-"Tatort" dennoch mal eine grundlegende Änderung der Grammatik ganz gut, wenngleich eine solches Unterfangen natürlich mit einem gewissen Risiko verbunden wäre.

Aber man muss es als regelmässiger "Tatort"-Zuseher weder komisch, noch irgendwie originell finden, wenn ein Team rund um eine am Obduktionstisch liegende Leiche eine Pointe nach der anderen und tonnenweise Sarkasmus rausballert.

Andererseits bringt es dieses inflationäre Engagement in Sachen Humor wiederum mit sich, dass jene Momente, in denen in Münster nicht gealbert wird, oft zu kleinen Kostbarkeiten avancieren.

Flaches Terrain, offene Fragen, strahlende Protagonisten

Insgesamt präsentierte sich "Spieglein, Spieglein" die vollen 90 Minuten als seichte Kriminalkomödie, die in einem Happy End gipfelte, wenngleich ein paar Fragen offen blieben (Wo zur Hölle war jetzt das Handy des Bösewichts?).

Am Ende warteten die Staatsanwältin, "Alberich", Adlatus Mirko sowie natürlich "Vaddern" auf das Erfolgsduo Thiel und Boerne.

Alle waren glücklich und zufrieden, alle strahlten, während irgendwo in einer anderen Ecke des Planeten ein Haflinger seine Ladung Heu, ein Kätzchen sein Schälchen Milch und ein Wirtelschwanzleguan seine Pelikanspinne zum Futtern bekamen.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

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