In "National feminin" ermitteln Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) und Anaïs Schmitz (Florence Kasumba) in Göttingen unter aalglatten Feministen, die für ein blütenweisses Deutschland kämpfen.

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Dieser Göttinger "Tatort" gehört den Frauen. Er gehört Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler), die mit Anaïs Schmitz endlich als gleichberechtigter Kollegin zusammenarbeiten kann, anstatt ihren selbstgefälligen Kopf immer allein durchsetzen zu wollen. Er gehört Anaïs Schmitz (Florence Kasumba), die rassistische Provokationen mit einer bewundernswerten, anstrengenden Gelassenheit erwidert.

Er gehört aber auch einer Juraprofessorin, die mit feministischen Klassikern in ihrem Hörsaal buchstäblich um sich wirft und das Abtreibungsrecht infrage stellt. Und einer jungen Videobloggerin, die sich eine europäische Feministin nennt und zum Widerstand gegen Immigranten aus "frauenverachtenden Kulturen" aufruft.

Mord an Bloggerin wird instrumentalisiert

Diese Videobloggerin, die Studentin Marie Jäger (Emilia Schüle), liegt jetzt mit aufgeschnittener Kehle in genau jenem schönen deutschen Wald, in dem sie so gern ihre schön deutschen Videos für ihren Blog "National feminin" aufnahm. Das fiel ihr leicht, Marie selbst war nämlich wunderschön, mit ihren Blümchenkleidern und ihrer glockenhellen Stimme – eine wahre Goldmarie für ihre Freunde von der neurechten "Jungen Bewegung" (JB), die von Göttingen aus für ein blütenreines, weisses Europa kämpft.

Die aalglatten Propagandisten von der JB gehen dementsprechend einfach einmal von einem islamischen Attentäter aus und instrumentalisieren den Mord für ihre Zwecke. Auf Twitter wird eine Hetzkampagne gegen die Polizei gestartet.

Für selbsterklärte Patrioten wie "@gesundermenschenverstand" ist die Lage klar: "Marie ist das jüngste Opfer der linken Buntheitsideologie". Die wahren Hintergründe würden vom "#zensurstaat" verheimlicht, und so richtet sich "#whitewut" gegen den "#failedstate", für den die Sicherheit deutscher Frauen und Kinder gefälligst oberste Priorität haben sollte.

Juraprofessorin mit umstrittenen Ansichten zum Frauenrecht

In diesem Klima fällt es Lindholm und Schmitz schwer, einfach nur ihre Arbeit zu machen. Schmitz gelingt das besser, schliesslich gehört Rassismus in allen Formen für die Tochter von Afrikanern zeit ihres Lebens zum Alltag. Lindholm dagegen echauffiert sich ordnungsgemäss über Trolle wie den JB-Enthusiasten Sven (herrlich widerlich: Leonard Proxauf), dessen vorhersehbare Beleidigungen so schmierig daherkommen wie der glattgekämmte Seitenscheitel.

Lindholm ist allerdings auch diejenige, die es mit der Juraprofessorin besser aufnehmen kann. Sophie Behrens steht kurz vor dem Gipfel ihrer Karriere – sie soll Bundesverfassungsrichterin werden, und das trotz ihrer umstrittenen Ansichten zum Frauenrecht. Regelungen wie die Frauenquote nennt sie "Genderwahnsinn", und indem sie die Vereinbarkeit von Kindern und Karriere in Frage stellt, verhöhnt sie gleichzeitig Lindholms Lebensentwurf.
Allerdings hat ihr eiserner intellektueller Schutzschild einen Riss bekommen (und Jenny Schily spielt das hervorragend), seit sie sich an der Universität Göttingen in ihre wissenschaftliche Mitarbeiterin Marie Jäger verliebt hat. Jetzt ist sie nicht nur am Boden zerstört – sie ist ausserdem Verdächtige.

So wie Behrens sich über die Kommissarin lustig macht, so gelingt es umgekehrt Lindholm, die Denkerin zu treffen. Was allerdings ein geistvolles Wortgefecht zwischen zwei starken Frauen sein könnte, wird zur gefühligen Beichte am Kamin – und zum Sinnbild der Schwächen in Florian Oellers Drehbuch (nach einer Vorlage von Daniela Baumgärtl), das eine starke Geschichte mit komplexen Figuren erzählt.

Was man am neuesten "Tatort" aus Göttingen kritisieren könnte, lässt sich nicht ohne massive Spoiler begründen. Also nörgeln wir nur ein wenig enttäuscht daran herum, dass diese eigentlich so hochpolitische Story sich, wenn es ernst wird, doch lieber ins Private flüchtet.

"Tatort" aus Göttingen mit aktuellen Themen

Loben wir stattdessen, dass "National feminin" mit der jungen Rechten ein sehr aktuelles Thema behandelt und mit identitären Feministinnen einen besonders spannenden Aspekt der konservativen Szene in den Mittelpunkt rückt: Die hat längst begriffen, dass man seine vergiftenden Thesen mit hübschen Frauen besser an den Mann bringt, als mit den strammen Glatzköpfen in ihren albernen Cargohosen.

Die Identitären verbreiten altbekannte, rechtskonservative Inhalte, aber sie tun das mit jungen Gesichtern und modernen Methoden, mit Videoblogs, Instagramaccounts und Aktionen, die eher wie Fridays for Future statt Radau von Rechts aussehen.

Unter der raffinierten Regie von Franziska Buch sieht das in "National feminin" keineswegs zu schön aus, um wahr zu sein – das kommt auch in der Realität genau so erschreckend ansehnlich daher; das ist das Verführerische an der Social-Media-Gehirnwäsche der Identitären.

So könnten sich vom 68er-Feminismus geprägte "Tatort"-Zuschauerinnen fortgeschrittenen Alters dabei ertappen, den konservativen Gedanken einer Sophie Behrens oder Marie Jäger ein wenig sehnsüchtig nachzuhängen, wenn die meinen, einfach nur Mutter sein zu wollen, reiche doch. Was nicht dazu gesagt wird: Oft mag diese Sorte "Feminist" Mütter am liebsten als Gebärmaschinen, um den Bestand des deutschen Volkes zu sichern.

Wenn die smarten Studenten von der "Jungen Bewegung" sich am Ende also doch als ziemlich simple Gestalten entpuppen, so muss das kein Ausweg eines simplen Drehbuchs sein. Sondern ist ebenfalls aus dem wahren Leben gegriffen, und Anlass zur Beruhigung: Wer Feindbilder benötigt, um sich seiner eigenen Identität zu versichern, ist kein gefährliches Mastermind, sondern einfach nur ein jämmerlicher Wurm, und sicher nicht die Zukunft Europas.

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