Bei einem Schachturnier gerät die einzige Frau unter Mordverdacht. Der Pathologe entpuppt sich als Enthusiast. Das Ungewöhnlichste an diesem Alpen-"Tatort" aber sind seine Untertitel.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Iris Alanyali dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Let's start this review in English. (Beginnen wir die Kritik auf Englisch.) This way, the audience can get used to what to expect in the new "Tatort" from Munich. (Dann kann sich das Publikum gleich daran gewöhnen, was es im neuen Münchner "Tatort" zu erwarten hat.)

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Anders als im Fernsehen stehen hier allerdings keine Untertitel zur Verfügung, also kommt die Übersetzung hinterher statt untendrunter. Pretty ridiculous, isn't it? (Ganz schön lächerlich, oder?)

In "Zugzwang" wird häufig Englisch gesprochen, weil der Film von einem Schachturnier handelt, bei dem die Weltspitze des Schachs im Wettersteingebirge zusammenkommt (Weltspitze, Bergspitze, get it?). Es geht also wahnsinnig international zu.

Der missmutige Teddy Boyle könnte eigentlich eine interessante Figur sein

Einer der Teilnehmer ist der Amerikaner Theodore "Teddy" Boyle, der einen Streit mit der Französin Natalie Laurent hat. Beide konkurrieren um den Sieg. Boyle ist allerdings davon überzeugt, dass Laurent im Laufe ihrer Karriere betrogen hat, um dorthin zu kommen, wo sie jetzt ist.

Als Laurents Assistentin tot neben dem Pool des Luxushotels liegt, in dem das Turnier stattfindet, wird er schnell zu einem Verdächtigen.

Die Kommissare Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) befragen ihn auf Englisch. Der melancholisch-missmutige Teddy Boyle könnte eigentlich eine interessante Figur sein.

So aber fragt sich das Fernsehpublikum vor allem, warum hier ein eindeutig deutscher Darsteller (Maximilian Befort) gezwungen wurde, Englisch zu sprechen.

Natalie Laurent, die ihre Sekundantin nicht nur gerade gefeuert, sondern auch die gemeinsame Beziehung beendet hat, ist ebenfalls verdächtig. Wird aber auf Deutsch befragt. Dabei ist Darstellerin Roxane Duran tatsächlich Französin.

Das wäre offenbar doch zu gewagt gewesen. Weil aber Französisch so "oh là là" ist, muss Natalie Laurent wenigstens ein paar französische Floskeln einstreuen, für das "je ne sais quoi" (das gewisse Etwas).

Untertitel müssen Sinn ergeben

Um es gleich klarzustellen: Wir haben überhaupt nichts gegen Untertitel im "Tatort", im Gegenteil. Manchmal wünschten wir uns mehr davon. Zum Beispiel, wenn Menschen mit Migrationshintergrund unter sich sind, aber fürs Fernsehpublikum Deutsch sprechen müssen. Das wirkt ungefähr so realistisch wie die tiefbayerische Bauernfamilie, die am Abendbrottisch hochdeutsch parliert.

Aber Originalsprachen beziehungsweise Dialekte beziehungsweise Untertitel müssen, wie alles in einer guten Geschichte, Sinn ergeben. In "Zugzwang" lenken sie nur ab.

Wie hier ja auch: Über mehrere Absätze beschäftigen wir uns nun schon mit der Untertitelung, anstatt mehr davon zu erzählen, was eigentlich im Zentrum von "Zugzwang" stehen soll: Die unzeitgemäss winzige Rolle, die Frauen im Profischach spielen.

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Nicht authentisch, sondern eher diskriminierend

Autor Robert Löhr hat schon einmal einen bayerischen "Tatort" bei einem von Vorurteilen und Klischees geprägten Wettbewerb in den Bergen verortet. "Königinnen" war richtig gut. Darin ging es um Schönheitsköniginnen, die landwirtschaftliche Produkte ihrer Region vertreten. Dieses Mal geht es um eine Schachmeisterin, die sich quasi allein gegen Männer wie Kamran Hasanov (Husam Chadat) durchsetzen muss.

Der armenische Präsident des Weltschachverbandes ist ein Macho uralter Schule, der Frauen für zu dumm, weich und impulsiv hält, um gegen Männer Schach spielen zu können: In anderen Sportarten kämpfe man ja auch getrennt. Auch die beiden Kommissare behandelt der selbst ernannte "König" als Weicheier, weil sie ihn mit Banalitäten wie Menschenrechten nerven.

Hasanovs Auftreten ist dermassen lächerlich, dass er erstens sofort zum Hauptverdächtigen wird und der Bayerische Rundfunk zweitens einen Beschwerdebrief des armenischen Botschafters riskiert. Batic und Leitmayr gegenüber legt Hasanov eine Überheblichkeit an den Tag, die durch sein gebrochenes Chauvi-Deutsch noch unausstehlicher wird.

Seine zwei Bodyguards herrscht er – ohne Untertitel – auf Armenisch an, die beiden antworten armenisch, streuen manchmal türkische Satzfetzen ein, können aber auch Deutsch. Das alles wirkt nur leider gar nicht authentisch oder international, sondern eher albern und diskriminierend.

Es passiert nicht viel Interessantes in diesem "Tatort"

Wieder sind wir also bei dem Sprachensalat angelangt. Es passiert sonst eben nicht viel Interessantes in diesem "Tatort". Pathologe Matthias Steinbrecher (Robert Joseph Bartl) entpuppt sich als Schach-Enthusiast, der eigentlich privat angereist war, aber eine immer dramatischer werdende Hauptrolle in "Zugzwang" spielt.

Regisseurin Nina Vukovic und die Kamera von Clemens Messow holen aus der Kulisse das Beste heraus; die Natur ist majestätisch, die Nahaufnahmen beim Schachspiel elegant. Aber die Figuren bleiben so blass wie Natalie Laurents Haut und so unsympathisch wie Teddy Boyles Gejammer. Die interessantesten Teile der Story – Laurents Aufstieg zum Beispiel, oder die Rolle ihrer toten Sekundantin – liegen in der Vergangenheit.

Schlüsselszenen werden entweder über Heureka-Momente oder lange Erklärdialoge erzählt. Die Themen, die "Zugzwang" anschneidet, gehen unter, und die Schachfilm-Klischees, über die der Film sich lustig macht, werden durch andere ersetzt. Am Ende dieses Schachturniers stellt sich einfach nur Ermüdung ein.