Sechs Münchner Frauen lassen ihren Schickimicki-Lifestyle filmen. Das heisst: Shoppen, Streiten und Champagner trinken für die Kameras. Das amerikanische Reality-Format "The Real Housewives" hat Bayern erreicht. Kann das funktionieren?

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Julia Hackober dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Ich bin Pegah, ich bin mega": So stellt sich die erste der sechs Ladys vor, die als "The Real Housewives of Munich" gecastet wurden. Pegah Parastar ist Anfang 30, hilft ihrem Mann in der Anwaltskanzlei, träumt von drei Kindern – und hat es gern schön im Leben, was sie auch ganz offen zugibt: "Ich lege Wert darauf, einen guten Lebensstil zu führen, natürlich auch mit etwas Glamour." Sagt sie und verschwindet in der Fendi-Boutique.

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Shopping, Glamour, Geld: Das sind die beherrschenden Themen der ersten Folgen der neuen Reality-Soap auf RTL+. Man hätte es eigentlich nicht für möglich gehalten, dass es einmal einen deutschen Ableger der hypererfolgreichen, aber auch umstrittenen amerikanischen Reality-TV-Franchise-Reihe geben würde; Reichtum offensiv im TV ausleben?

Das passt eigentlich nicht zur deutschen Tugend der Bescheidenheit. Doch inzwischen lassen sich Frauen von Beverly Hills bis Dubai beim Shoppen und Streiten filmen – nun haben sich also auch in München "Hausfrauen" gefunden, die ihr Leben spannend genug finden, um es mit dem Fernsehpublikum teilen zu wollen.

Die "Housewives" wollen "gesellschaftliche Diskussionen" anregen

Neben Pegah Parastar gehört zum Cast Lili Wilmes, die als blonde Ex-Unternehmensberaterin die prototypische Münchnerin aus gutem Hause gibt, die Familienimmobilien verwaltet und viel Wert auf bayerische Traditionen legt: "Wer ein kurzes Dirndl träg, ist entweder Touristin oder war noch nie in München."

Dann ist da noch die Immobilienkauffrau Seher Künstner, nach eigenen Angaben eine "spicy Single-Mom", die nach einer unschönen, aber lukrativen Scheidung die Spiritualität für sich entdeckt und "ganz viel zu Feminismus recherchiert" hat und die mit dem Auftritt in der Sendung "wichtige gesellschaftliche Diskussionen" anstossen will. Das zumindest sagt sie in einem RTL-Interview; Lästern allerdings ist trotzdem noch ihre Lieblingsbeschäftigung, vor allem über die Outfits ihrer Co-Stars.

Des Weiteren zur TV-Clique gehören: Natalie Fuchs, von Beruf "Profi im Immobilienmarkt" und gebürtige Düsseldorferin, die sich in der Münchner Society erst zurechtfinden muss, Feinkost Käfer aber schnell entdeckt hat; Carina Wild, Mutter einer kleinen Tochter und Geschäftsführerin eines ominösen Gesundheits-Start-ups, das mit "individuellen Lösungen" ein längeres Leben verspricht; und Joana Danciu, eine Modedesignerin, deren riesige, edel eingerichtete Wohnung mit Billard-Tisch von den Damen als "mittelständisch" belächelt wird.

Volles Society-Programm in den ersten Folgen

Natürlich sitzen all diese "Housewives" nicht wie traurige Heimchen am Herd zu Hause herum. Sie treffen sich zum Lunch, natürlich nur in It-Lokalen wie der "Schreiberei", fahren zum Dirndl-Shopping an den Tegernsee, suchen nach neuen Immobilien (Carina: "Ich brauche mehr Platz für meinen Kleiderschrank"), sie organisieren Dinnerpartys und reisen durch die Gegend.

Gleich in der ersten Folge schmeissen sich die Damen in ihre Hermès-Outfits, und los geht’s für einen Kurztrip nach St. Moritz. Alle behaupten, in München würde man nicht über Geld sprechen, tun es dafür aber erstaunlich oft. Pegah: "Mein Liebster hat mir gestern einfach einen Porsche geschenkt!" Ach ja: Ein Botox-Gesicht gehört unter den Ladys zur ganz normalen Hautpflegeroutine.

So weit, so klischeehaft. Die Frauen, die hier das Fenster zu ihrem Privatleben öffnen, wissen, dass sie zu Unterhaltungszwecken das stereotype Bild der Münchner Schickimicki-Tussi zu bedienen haben. Das ist ihr Arbeitsauftrag, den erfüllen sie. Wie viel am Protz der Sendung echt ist, bleibt unklar. Sind die Wohnungen der Damen für die Sendung angemietet? Oder leben sie wirklich dort? Egal: Es geht beim "Housewives"-Franchise nicht um Fakten, sondern darum, viel Drama zu produzieren.

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Wo bleibt das TV-Drama?

Das gelingt in den ersten beiden Folgen nur bedingt. Ja, es gibt kleine Streitereien, bei denen sich die Ladys bemühen, es den grossen "Housewives"-Ikonen aus Beverly Hills, Lisa van der Pump oder Kyle Richards, in Sachen Dramatik nachzutun. Einmal geht es um Pelz ("Für einen Chinchilla-Pelz werden 200 Tiere bei lebendigem Leib gehäutet!"), einmal um finanzielle Unabhängigkeit vom Ehemann ("Ich verdiene seit 20 Jahren mein eigenes Geld!"). So richtig fiebert man aber nicht mit. Liegt vielleicht daran, dass es schwierig ist, in einer zufällig zusammenwürfelten Truppe einen Konflikt vom Zaun brechen zu wollen.

Gute Reality lebt immer von dem Fünkchen Wahrheit, das hinter der Inszenierung glimmert – zum Beispiel eben, dass man sich von einer echten Freundin aus dem wahren Leben hintergangen fühlt. Unter lauter Fremden, die mit dem TV-Auftritt nur die künftige Karriere als Influencerin zu wittern scheinen, fehlt die Fallhöhe. Und auch der Antrieb, Streitpunkte zu Ende zu diskutieren.

"Es war schön, dass man sich mal die Meinungen gesagt hat, aber ich war danach wirklich so erschöpft" – so lautet Pegahs Fazit nach dem ersten grösseren TV-Clash der Damen. Na, hoffentlich erholt sie sich schnell – schliesslich haben die Münchner Hausfrauen nur noch vier Folgen Zeit, sich als die neuen Drama-Queens des deutschen Reality-TVs zu etablieren.

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