"Halo" und ein bisschen mehr: In seinem zweiten "Xbox Showcase" zeigte Hersteller Microsoft zahlreiche Spiele, die zuerst oder gleich ganz exklusiv für die neue Konsolengeneration kommen - darunter ein paar echte Überraschungen.
Mit seinem ersten Xbox-Showcase vor einigen Wochen hat Microsoft die Community eher enttäuscht als begeistert, darum stand der Xbox-Hersteller bei seinem jüngsten Online-Event am 23. Juli unter Zugzwang. Entsprechend neugierig waren die Fans: Würde der Hersteller endlich liefern - und die Community mit hochkarätigen Exklusiv-Titeln davon überzeugen können, Ende des Jahres in den Kauf der neuen Series-X-Konsole zu investieren?
Genau darum ging es im Kern: Alle der 32 gezeigten Titel, darunter zehn Weltpremieren, laufen auf der neuen Spielkonsole des Windows-Konzerns, 22 davon sogar (zumindest für eine Weile) exklusiv. Oder genauer: Sie werden für das neue System optimiert, um dessen Performance-Vorzüge auszuspielen, dürfen aber alternativ mit geringerer Detailstufe, Effektdichte und Bildwiederholungsrate auch auf der (noch) aktuellen Xbox-Generation funktionieren.
Eine gute Nachricht für Nutzer von Microsofts Abo-Dienst "Game-Pass": Sämtliche Titel aus der Präsentation werden direkt zum Launch Bestandteil des Game-Abos sein.
Zum Beginn des eigentlichen Präsentations-Programms debattierte der bekannte US-Journalist und "Game Awards"-Host Geoff Keighley zusammen mit Entwicklern und Influencern. Natürlich alle im Sinne der Corona-Abstandsregeln räumlich voneinander getrennt und nur über das Internet zugeschaltet. Ihr Thema: Auf welche mutmassliche Xbox-Neuheiten man besonders hofft - und natürlich die Rückkehr des Übersoldaten Master Chief in "Halo Infinite".
Xbox: Erste Ankündigungen schon im Vorfeld
Bereits während des rund einstündigen Vorgeplänkels feuerte Microsoft die ersten Ankündigungen in den Äther: Das neue Square-Enix-Spiel von Ex-Sega-Legende Yuji Naka trägt den Titel "Balan Wonderworld" und strickt ein in kunterbunter Disneyworld-Ästhetik visualisiertes Jump&Run um psychologische Probleme der Protagonisten. Mehr als 80 Kostüme verleihen dem Helden dabei seine unterschiedlichen Fähigkeiten.
Für Rollenspieler besonders interessant: Ebenfalls von Square Enix kommt die bisher Switch-exklusive "Definitive Edition" von "Dragon Quest 11". Wichtigste Unterschiede zur herkömmlichen Variante des Japan-Rollenspiels: ein knuffiger Retro-Modus mit Pixelgrafik und der Orchester-seitig eingespielte Soundtrack.
Fans der Netflix-Reihe "Stranger Things" wiederum halten sich an das Indie-Game "Echo Generation", in dem Lego-ähnlich gestaltete Figuren durch eine finstere, Cartoon-inspirierte Spielwelt taumeln, um ihre Kleinstadt Spielrunde für Spielrunde vor übernatürlichen Kräften zu beschützen.
Wer dagegen ein nachbarschaftliches Trauma aufarbeiten möchte, versucht es mal mit "Hello Neighbor 2": Nirgendwo kann man besser üben, wie man mit irrsinnigen, mit Hammer oder Schweissbrenner bewaffneten Horror-Nachbarn umgeht - oder ihnen entkommt.
Endlich Gameplay: Halo Infinite
Die meisten Gamer dürften an diesem Abend aber wegen der ersten Gameplay-Einblicke in "Halo Infinite" zugeschaltet haben: Der von 343 Industries entwickelte Shooter konzentriert sich endlich wieder auf den Master Chief - und der soll einmal mehr einen der Titel-gebenden "Halo"-Ringe erkunden, während er auf aggressiv grunzende und keckernde Aliens ballert. Entweder zu Fuss und aus der Ego-Perspektive oder an Bord eines Warthogs - in diesem Fall wechselt das Spiel Serien-typisch in die Aussen-Perspektive.
"Halo Infinite" trumpft mit der Sorte schnellem und beweglichem Gameplay auf, der die ersten drei Serien-Teile gross gemacht hat - Fans sind also in ihrem Element. Nicht ganz so beeindruckend wirkte dagegen die zwar fixe, aber überraschend detailarme Optik. Hier erkannte man allzu deutlich den Schulterschluss zur auslaufenden Geräte-Generation. Ein Series-X-exklusives "Halo" würde (hoffentlich) besser aussehen.
Neu ist allerdings, dass viele Abschnitte der Spielwelten als "Sandbox" konzipiert sind, die Gamer auf eigene Faust erkunden können. Besonders hilfreich dabei: ein Enterhaken, mit dem sich der Master Chief gekonnt in die Höhe schwingt - oder feindliche Aliens ganz nah zu sich ranholt. Apropos: Hauptgegner sind die ausserirdischen Banished, deren Anführer ein ganz persönliches Problem mit dem grünen Übersoldaten zu haben scheint.
Bekannte Marken
Abgesehen vom Auftritt des Master Chiefs schickte Microsoft an diesem Abend eine Vielzahl seiner bekanntesten Marken an die vorderste Präsentations-Front: Neben einem kurzen, aber äusserst beeindruckenden Video aus dem nächsten "Forza Motorsport"-Rennstall, das einen Vorgeschmack auf die Raytracing-Technologie gab, wurde ein neuer Teil der Survival- und Multiplayer-Serie "State of Decay" angeteasert. In dem muss der Spieler nicht nur menschliche Zombies, sondern auch untote Tiere bekämpfen.
Rendezvous mit dem Übersinnlichen
Für Adventure-Freunde, die gerne mit dem Übersinnlichen spielen, hatte Microsoft einmal mehr das von Rare entwickelte "Everwild" im Gepäck: Das vom "Sea of Thieves"-Macher geschmiedete Umwelt-Abenteuer entführt den Spieler in eine wunderschöne, Comic-ähnliche Natur-Idylle, die es offenbar vor Eindringlingen zu beschützen gilt. Gameplay war leider wenig zu sehen.
Ebenfalls sanfte Töne schlägt der neue Adventure-Mehrteiler "Tell me why" von "Life is strange"-Macher Dontnod an: Offenbar wird dabei das dramatische Schicksal eines Geschwister-Paars aufgearbeitet, das besonders emotionale Momente der Vergangenheit erneut durchlebt. Die erste Folge des Episoden-Abenteuers erscheint Ende Oktober.
Nicht minder packend: "As Dusk Falls", das sich um zwei Familien im amerikanischen Südwesten dreht, die sich in einer Geiselsituation befinden. Besonders interessant: der Grafikstil. Die Aufnahmen gefilmter Akteure werden dabei offenbar durch einen Comic-Filter gejagt.
Deutlich schriller war die kurze Präsentation von Double Fines "Psychonauts": Der Nachfolger zum beliebten Jump&Run- und Action-Adventure-Klassiker sieht schön schrill aus, obendrein wird der Titel-Song von Tim-Schafer-Kumpel und Hollywood-Star Jack Black gesungen. Der aus "School of Rock" und "King Kong" bekannte Mime ist nämlich nicht nur passionierter Zocker, sondern auch begnadeter Rocker.
Wer's gerne noch extremer (und vor allem gruseliger) hat, wagt sich in die finstere Welt von "The Medium": Das verstörende Grusel-Adventure des polnischen "Layers of Fear"-Entwicklers will innovativ abbilden, das jedes vermeintlich normale Ereignis auch eine tiefere, spirituelle Ebene hat - und die spielt sich in einer Art Parallelwelt ab. Medium Marianne nimmt ihr Umfeld dabei mitunter simultan wahr - dargestellt durch einen Splitscreen: Auf der einen Seite sieht man die Ereignisse in der vermeintlichen Realität - daneben eine Art gruseliges Zerrbild, auf dem man bei genauer Betrachtung weitere Details und Bedeutungen erkennen kann. "The Medium" soll um die Weihnachtszeit für Xbox Series X und PC erscheinen. Eine Version für die Xbox One ist nicht geplant.
Die Aufgekauften
Um sein Exklusiv-Programm auszubauen, ist Microsoft seit einiger Zeit aggressiv auf Entwickler-Einkaufstour. Zum jüngeren Zuwachs der Microsoft Game Studios gehören die in Kalifornien ansässigen Rollenspiel-Experten von Obsidian und die auf Action-geladene Erzähl-Spiele spezialisierten Briten von Ninja Theory.
Erstere haben sich mit bekannten Marken wie "Pillars of Eternity", "Fallout New Vegas" und "South Park: Der Stab der Wahrheit" einen Namen gemacht - darum brauchen anspruchsvolle Rollenspieler jetzt wohl entweder eine Xbox oder zumindest einen halbwegs performanten Windows-PC. Angekündigt wurde ein mit "Peril on Gorgon" betiteltes Add-On für das bereits vor dem Microsoft-Deal veröffentlichte SciFi-RPG "The Outer Worlds". PC- und Xbox-exklusiv werden dagegen das scheinbar auf "Elder Scrolls" getrimmte Fantasy-Rollenspiel "Avowed" und das bereits vor einiger Zeit bestätigte Survival-Game "Grounded", in dem eine Multiplayer-Bande aus Kindern in schönster "Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft"-Manier im Vorgarten mit Stöcken und Steine gegen Ameisen und Spinnen kämpft.
Bei Ninja Theory wiederum feilt man weiter am zweiten Teil des beliebten Indie-Blockbusters "Hellblade": "Senua's Saga" spielt in einer atemberaubend visualisierten Version von Island und ist dem Entwickler zufolge schon auf Basis der neuen "Unreal Engine 5" entstanden. Sieht das fertige Spiel auch nur halb so gut aus wie die ersten Teaser, könnte Xbox-Spielern hier ein revolutionär schickes Abenteuer ins Langhaus stehen.
Verstrahltes und Krawall: der Rest
Wer auf Krawall und postapokalyptische Abenteuer vor seiner neuen Xbox aus ist, der darf sich über die verschönerte Version eines alten Bekannten freuen: Bungies Mehrspieler-Dauerbrenner "Destiny 2" wird extra für die Series X optimiert. Auch das locker für Ende des Jahres angekündigte Add-On "Jenseits des Lichts" wird entsprechend aufgehübscht.
Ebenfalls in die Action-geladene Multiplayer-Domäne gehört das im "Warhammer 40K"-Universum angesiedelte "Darktide": Hier wagen sich bis zu vier Spieler in die finsteren Tiefen der Stadt Tertium, um dort Horden aus Untoten zu bekämpfen.
Überraschend bodenständig gibt sich dagegen Remedy in seiner neuen Ballerei "CrossfireX": Offenbar schlüpft der Spieler hier in eine mit allerlei High-Tech-Gimmicks ausgestattete Superrüstung, aber die sonst für Remedy-Games typischen, paranormalen Elemente sucht man hier scheinbar vergebens.
Eine der grössten Überraschungen bei der Präsentation war sicherlich die PC- und Xbox-exklusive Ankündigung von "S.T.A.L.K.E.R. 2": Der im verstrahlten Umland des Katastrophenreaktor Tschernobyl verortete Survival-Shooter ist seit vielen Jahren in der Entwicklung - kaum einer hätte mehr an die Veröffentlichung geglaubt. Entwickler GSC Game World will die Vorgänger weit in den Schatten stellen und eine echte Open-World auf Basis der Unreal Engine 4 erschaffen.
Das Beste zum Schluss?
Schon lange lässt Microsoft die Fans seiner einst erfolgreichen Rollenspielmarke "Fable" darben: Bevor man den von Peter Molyneux gegründeten Entwickler Lionhead 2016 dicht machte, war der unter dem Titel "Fable Legends" mit einer Multiplayer-Inkarnation der einstigen Singleplayer-Serie beschäftigt - ein Projekt, das bei den meisten "Fable"-Fans auf nur wenig Gegenliebe stiess.
Davor glänzte die Serie auf der Ur-Xbox und dem Nachfolger Xbox 360, besondere Markenzeichen waren der Tim-Burton-inspirierte Grafikstil, das markante Titel-Thema von Danny Elfman und die Möglichkeit, sich im Laufe der Geschichte zum Engels-gleichen Heroen oder teuflischen Antihelden zu entwickeln.
Der Ruf nach einem neuen echten "Fable" wurde deshalb immer lauter - und jetzt mutmasslich erhört: Zum Schluss seines "Showcase"-Events zeigte Microsoft überraschend den Render-Trailer für ein schlicht mit "Fable" betiteltes Action-Rollenspiel - mutmasslich also ein Soft-Reboot der bekannten Serie. Wilde Gerüchte diesbezüglich schwirrten schon seit Monaten durchs Netz - und sollten kurz nach dem Ende der Show durch neue ersetzt werden: Aus angeblich gut informierten Kreisen stammt die Info, dass es sich beim neuen "Fable" vielmehr um ein Multiplayer-Spiel handeln werde.
Die Reaktionen der Fans
Viele der von Microsoft gezeigten Titel machen durchaus Eindruck - allein: der Funke mag bei vielen Usern noch nicht überspringen. Einer der Hauptgründe: Da viele Spiele aufgrund des "Smart Delivery"-Features so konzipiert sind, dass sie sowohl auf Xbox One, PC und der neuen Series X laufen werden, stelle sich einerseits das "Next-Gen"-Gefühl nicht ein. Andere bemängelten, dass Microsoft zu wenig Gameplay und zu viele Rendervideos zeigte und obendrein unklar kommunizierte, ob und welcher Titel zum Start der Series X verfügbar sein werde.
Die hitzigsten Diskussionen werden online jedoch über "Halo Infinite" geführt, da vielen Zuschauern des Xbox Games Showcases schlicht der Next-Gen-typische Wow-Faktor fehlte.
(tsch) © 1&1 Mail & Media/teleschau
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