Die einzige Aufgabe des Spielers im Computerspiel "Hatred": möglichst viele Menschen hinrichten. Es ist nicht der erste Tabubruch in einem Game. Ein Psychologe hält es dennoch für unbedenklich.

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Gewalt in Computerspielen ist nichts Neues: In "Call of Duty" oder "Grand Theft Auto" muss der Spieler Menschen töten oder brutal agieren, um weiterzukommen. Aber in diesen Games steht Gewalt meist in Zusammenhang mit einer Aufgabe, etwa dem Krieg gegen verfeindete Mächte oder dem Erfüllen einer Mission.

Anders bei "Hatred": Hier geht es darum, möglichst viele Menschen abzuschlachten, ohne besonderen Grund. Das Game ist in düsterem Schwarz-Weiss gehalten. Eine namenlose Figur rüstet sich mit möglichst vielen Waffen und Munition aus, verlässt das Haus und tötet im Spiel wildfremde Menschen. Dabei handelt es sich um wehrlose Zivilisten, die extrem brutal hingerichtet werden. Manche der Opfer betteln um ihr Leben.

Zwar werden die meisten Szenen aus isometrischer Perspektive gezeigt, das heisst nicht aus Sicht des Spielers, sondern von schräg oben. Doch manchmal zoomt die Kamera auch näher an die Opfer heran und zeigt ihre Gesichter.

"Nicht schlimmer als andere Games, in denen es um Gewalt geht"

Dr. Malte Elson vom Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Bochum hält das Game dennoch für "nicht bedenklich", was seine Auswirkungen auf die Spieler angeht. Der Diplom-Psychologe beschäftigt sich unter anderem mit digitalen Spielen und Aggression sowie Medienwirkungs- und Spieleforschung. Er sagt: "Es ist nicht schlimmer als andere Games, in denen es um Gewalt geht." Zwar weist er auf die "andere Ebene der Narration" hin, also eine vergleichsweise untypische Handlung. Doch in First-Person-Shootern wie "Battlefield" oder "Call of Duty" "passiert ja auch nichts anderes als konstantes Rumgeballere", so der Experte.

Weder "Hatred" noch andere Gewaltspiele hätten Auswirkungen auf das Aggressionspotenzial des Spielers in der Realität: "Die existierende Forschung legt nicht nahe, dass schwerwiegenden Gewaltdarstellungen in Spielen einen starken Effekt auf aggressives Verhalten der Spieler hätten", erklärt der Psychologe.

Spiel landet wohl auf dem Index

Hinter dem Spiel steckt das polnische Entwicklerstudio "Destructive Creations", das damit nach eigenen Angaben ein Spiel gegen den Trend der "political correctness" erschaffen will. Den Machern werden allerdings Verbindungen zur rechten Szene nachgesagt. Für das extrem brutale Spiel gab es im Vorfeld harsche Kritik, seit dem gestrigen Montag ist es auf der Online-Plattform "Steam" spielbar - allerdings vorerst nicht in Deutschland. Vor dem Releasetermin konnte man auf der deutschen Seite einen Trailer ansehen und fand einen Hinweis darauf, wann das Game veröffentlicht werden sollte. Doch seit Montagnachmittag ist die deutsche Seite nicht mehr aufrufbar. Der Grund dafür ist nicht bekannt.

Doch wahrscheinlich nicht lange, denn das Spiel dürfte mit grosser Wahrscheinlichkeit auf dem Index landen. Davon geht auch der Games-Experte Malte Elson aus. Eine Indizierung kann aber nicht vor Veröffentlichung geschehen, erklärt Petra Meier, stellvertretende Vorsitzende der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM). "Sie darf erst tätig werden, wenn ein Medium veröffentlicht wurde, da es in Deutschland keine (Vor-)Zensur gibt." Ein Indizierungsverfahren werde nur auf Antrag oder Anregung von Stellen in Gang gesetzt, die im Jugendschutzgesetz genannt werden. Dazu gehören etwa Jugendämter oder die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM). "Dann erfolgt die Prüfung, ob der Spielinhalt gegebenenfalls jugendgefährdend ist und eine Indizierung ausgesprochen wird", so Meier. Landet ein Spiel auf dem Index, darf es nicht beworben und nicht an Jugendliche verkauft werden.

Derzeit stehen ihrer Auskunft nach 626 Einträge in der Liste der indizierten Computerspiele in Deutschland. Dabei handelt es sich aber nicht um 626 verschiedene Spiele: In mehreren Fällen gibt es zum Beispiel etwa eine PC- und eine Xbox- oder Playstation-Version des gleichen Games.

Nicht der erste Tabubruch

Auch wenn "Hatred" viele Tabus bricht: Es ist nicht das erste Mal, dass ein Computerspiel die Grenze des guten Geschmacks überschreitet. Viele Games versuchen mit Gewaltdarstellungen zu provozieren. Immer wieder in der Kritik steht etwa "Grand Theft Auto" (GTA), freigegeben ab 18 Jahren. In "GTA V" schlüpft der Spieler in verschiedene Rollen - unter anderem auch in die des Psychopathen Trevor, der im Auftrag des Geheimdienstes einen Mann foltern soll. Wer das nicht tut, kommt im Game nicht weiter. Ein Hacker manipulierte die Online-Version des Spiels zudem so, dass es möglich war, andere Figuren zu vergewaltigen.

Im Ego-Shooter "Call of Duty: Modern Warfare 2" stürmt man in der Rolle eines russischen Terroristen einen Flughafen und kann dabei auch unbeteiligte Zivilisten erschiessen. In Deutschland wurde die Szene aber entschärft: Wer Geiseln umbringt, muss das Spiel von vorne beginnen.

Gerade die "Call of Duty"-Reihe ist umstritten. Sie möchte besonders realistisch sein, das angeblich so authentische Kriegsgeschehen ist es aber oft nicht. So kann der Spieler in "Black Ops" Gefangene, die sich schon ergeben haben, töten. Aber auch in anderen Games stecken Tabubrüche: So kann man beispielsweise in "Crysis 2" Ärzte und Krankenschwestern angreifen.

Provokation aus PR-Gründen

Die Intention der Macher ist recht durchschaubar: Die Games bekommen schon vor Veröffentlichung viel Publicity - und die Verkaufszahlen sind entsprechend hoch. "Call of Duty: Black Ops" und "Call of Duty: Modern Warfare 2" etwa brachen ebenso wie "GTA V" Rekorde, was die Absatzzahlen in den ersten 24 Stunden angeht.

So dürfte auch die krasse Gewaltdarstellung in "Hatred" nur Kalkül sein, um möglichst viel Aufmerksamkeit auf das Spiel zu lenken: "Wir möchten allen, die uns hassen, sowie der aufgeregten Presse für eine grossartige Marketingkampagne danken", schrieb das Entwicklerstudio auf der Webseite zum Spiel. Und auch der Computerspielexperte Dr. Malte Elson meint: "Es ging dem Studio vor allem um das Marketing, das hat es ja recht offen kommuniziert. Aus ökonomischer Perspektive ist das aufgegangen."

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