Mit der "Remastered Collection" ehrt EA die "Command & Conquer"-Reihe, die vor 25 Jahren dem Echtzeitstrategie-Genre zum Siegeszug verholfen hat. Ob die Rohstoffsammler immer noch so doof sind wie früher, welche Modernisierungen vorgenommen wurden und wie gut das Spiel insgesamt gealtert ist, verrät der Test.
Remaster, Remakes - Hauptsache, Retro! Das Geschäft mit der Nostalgie ist ein einträgliches, auch für die Spiele-Industrie - aber längst kein einfaches mehr. Hersteller, die es bei einer Neuauflage zu bunt mit der Modernisierung treiben oder schlicht nicht das liefern, was Fans wollen, sehen sich schnell einem veritablen Shitstorm enttäuschter Nostalgiker ausgesetzt - so wie Anfang des Jahres bei "Warcraft 3: Reforged" geschehen.
Das Original - eines der besten Strategiespiele aller Zeiten - wurde von der sonst so treuen Blizzard-Community mit verheerenden Kritiken auf User-Wertungsportalen überzogen.
Ähnliches sollte der "Command & Conquer Remastered Collection" nicht passieren, weshalb EA nicht nur Teile der Original-Entwickler, sondern auch eine Art Spielerrat hinzuzog, um bestmöglichen Fan-Service zu liefern und trotz zahlreicher Anpassungen nicht den ursprünglichen Charme zu verfälschen.
Was bei der "Command & Conquer Remastered Collection" alles neu gemacht wurde, ob sich die Sammler immer noch so dämlich verhalten wie früher und wie gut das Spiel insgesamt gealtert ist - im Test gibt's die Antworten auf die wichtigsten Fragen!
Warum war "Command & Conquer" vor 25 Jahren so ein Meilenstein und worum geht's überhaupt?
"Dune 2: Battle for Arrakis" (1992) darf zweifelsohne als die Geburtsstunde des Echtzeitstrategie-Genres betrachtet werden. Die Gefechte zwischen den drei Adelshäusern Atreides, Harkonnen und Ordos um die Vormachtstellung auf dem Wüstenplaneten und die Wunderdroge Spice haben Standards gesetzt, die noch heute Gültigkeit haben.
In die Fussstapfen von "Dune 2" trat drei Jahre später "Command & Conquer: Der Tiberiumkonflikt": Darin ringen die guten GDI und bösen NOD in zwei Kampagnen mit unterschiedlichem Kriegsgerät um den giftig-grün schimmernden Rohstoff Tiberium.
Die "Dune 2"-Mechanismen und das Schere-Stein-Papier-Prinzip zwischen den Einheiten wurden von Entwickler Westwood verfeinert - zudem durfte man eine Gruppe von Fahrzeugen und Soldaten befehligen, die in der deutschen Version allesamt Androiden waren. Eine weitere Besonderheit: trashige Zwischensequenzen in Videoform, die durch die Kampagne begleiteten und Platz auf zwei CDs fanden, was damals durchaus beeindruckend war.
Dass Videospiele durchaus Selbstironie haben können, bewiesen die "Command & Conquer"-Entwickler schliesslich 1996 mit dem herrlich schrägen Ableger "Alarmstufe Rot", der in einem alternativen Universum angesiedelt war, in dem
Wer steckt hinter dem "Remaster" von "Command & Conquer"?
Die "Command & Conquer Remastered Collection" ist ein Projekt, das von EA, einigen der damaligen Westwood Studios-Teammitgliedern, die jetzt bei Petroglyph arbeiten, und Lemon Sky Studios ins Leben gerufen wurde. Darüber hinaus holten die Entwickler konsequent den Rat der Fan-Community ein. Es galt, sowohl deren Modernisierungswünsche zu berücksichtigen als auch nicht übers Ziel hinauszuschiessen.
Was steckt in der "Remastered Collection" von "Command & Conquer"?
Zum Preis von rund 20 Euro bekommen PC-Besitzer das Original "Command & Conquer: Der Tiberiumkonflikt", das in einem schrägen Paralleluniversum angesiedelte Spin-off "Command & Conquer: Alarmstufe Rot" sowie die drei dazugehörigen Erweiterungen "Der Ausnahmezustand", "Gegenangriff" und "Vergeltungsschlag".
Zudem hat EA die zuvor Konsolen-exklusiven Missionen "Spec Ops" zusammen mit geheimen Aufträgen, Easter Eggs, rund vier Stunden zusätzliches Filmmaterial und Making-of-Fotos in die Sammlung gepackt.
Mit dem mitgelieferten Karteneditor können kreativen Spieler eigene Landkarten und Gefechte erstellen. Noch mehr Möglichkeiten haben Modder: Ihnen hat EA den Quellcode der Strategie-Klassiker zur Verfügung gestellt, auf dass sie der Community auf lange Zeit neue Inhalte, Einheiten und Updates bescheren mögen.
Was ist neu in der "Remastered Collection"?
Die auffälligsten Neuerungen weist natürlich die Grafik auf. Mit einem Druck auf die Leertaste wird das Geschehen aus der Original-Optik mit ihrer groben Auflösung von rustikalen 320 mal 240 Pixel in moderne 4K-Sphären katapultiert. Und das nahtlos! Die Perspektive bleibt unverändert, Umgebungen und Einheiten sind aber deutlich detaillierter gezeichnet. Die Folge: Spieler haben weit mehr Übersicht, können aus dem Geschehen herauszoomen und freuen sich über das moderne 16:9-Format.
Die herrlich trashigen Zwischensequenzen mit Glatzkopf Kane (dargestellt vom Schauspieler Joseph D. Kucan), Genosse Stalin und Co. wurden nicht neu aufgenommen, aber mithilfe einer KI hochskaliert. Das Ergebnis kann sich - vor allem in den Missionsbriefings - mit Ausnahme von ein paar Bildartefakten und Schlieren durchaus sehen lassen. Für Lachattacken sorgen jedoch die CGI-Videos, deren grobe Animationen und Objekte heutzutage reichlich angestaubt wirken.
Die Heavy-Metal-Industrial-Untermalung wurde vom ursprünglichen Komponisten Frank Klepacki modernisiert und beinhaltet - beide Spiele zusammengenommen - über sieben Stunden Musik, darunter auch bislang unveröffentlichte Tracks.
Neu sind zudem zahlreiche Komfortfunktionen bei der Steuerung. Wer will, kann wie anno 1995 steuern - oder sich ein bisschen Komfort gönnen, indem man Einheiten mit der rechen Maustaste attackieren lässt, Lebensbalken einblendet oder Hotkeys mit bestimmten Aktionen frei belegt.
Über letztgenannte Option freuen sich vor allem Multiplayer-Fans: In "Command & Conquer: Der Tiberiumkonflikt" sind Matches mit bis zu vier Kontrahenten möglich, bei "Alarmstufe Rot" können acht Hobby-Generäle gegen- und miteinander antreten.
Rundum praktisch sind die neue Bauleiste mit vier Reitern für Gebäude, Soldaten, Fahrzeuge und Spezialfähigkeiten und die Möglichkeit, gleiche Truppentypen per Doppelklick aufzurufen.
Was ist noch anders?
Die einst für die deutschen Fassungen vorgenommenen Änderungen und Zensuren sind passé. Heisst: Statt Androiden, die beim Ableben Öl verlieren, tummeln sich nun "echte" Soldaten auf den Schlachtfeldern - auch wenn das hier und da mit der Sprachausgabe kollidiert. Immer wieder ist von Bots und "Blechbubis" die Rede.
Witzig: In einem freispielbaren Bonus-Video erklärt Regisseur und Kane-Darsteller Joe Kucan dem Adolf-Hitler-Darsteller, warum sein Auftritt vermutlich niemals in der deutschen Version zu sehen sein wird. Und fürwahr: 25 Jahre lang war er das auch nicht - bis zur völlig ungekürzten "Remastered Collection".
Sind die Rohstoff-Sammler immer noch so doof?
Oh ja, sind sie. Und das mit voller Absicht! Fans und Entwickler waren der Meinung, dass die mangelhafte Orientierung der Einheiten durchaus ein nicht zu verachtender Nostalgie-Faktor sei; deshalb hat sie nahezu unverändert ihren Weg in die "Remastered Collection" gefunden. Aus diesem Grund muss man die Ernter (und alle anderen Einheiten) immer im Auge behalten. Kann ja sein, dass sie sich wieder wie wild im Kreis drehen, eine Offensive ausbremsen oder sich auf der Suche nach ein paar Krümeln Tiberium blindlings auf gegnerisches Terrain vorwagen, wo sie im gleissenden Laserlicht eines NOD-Obelsiken verglühen ...
Worüber muss man nach 25 Jahren immer noch schmunzeln?
Bei den Zwischensequenzen ist es wie bei den Musikvideos der 90er: Damals wirkte das irgendwie cool, heute sind sie vor Fremdscham kaum noch zu ertragen.
Ein noch breiteres Grinsen macht sich bei C&C-Veteranen aber breit, wenn sie feststellen, dass die alten "Tricks" noch immer funktionieren - angefangen mit den Sandsäcken, die man bis vor die gegnerische Basis schichtet, um dann Geschütztürme zu installieren oder die feindliche Armee einzukesseln, bis hin zur Ingenieurs-Invasion: Ein paar Panzer als Ablenkung und zwei Truppentransporter mit den wehrlosen Einheiten, die gegnerische Gebäude binnen einer Sekunde einnehmen können, reichen manchmal, um die Niederlage des Gegners einzuleiten.
Fazit
EA meistert die Balance zwischen Werktreue und Modernisierung nahezu perfekt. Klar, dem eher etwas schlichten, mitunter sogar undynamischen Spieldesign merkt man das hohe Alter an. Trial & Error gehört noch immer dazu, weshalb man vor einer Offensive immer speichern sollte. Schliesslich weiss man nie so recht, ob die eigene Armee aufgrund der dusseligen KI irgendwo hängenbleibt und sich zusammenschiessen lässt. Aber genau das zeichnete eben auch das Original aus und ist ein Zugeständnis an die Community, die sich "ihr" altes C&C zurückgewünscht hat.
Aber auch Neulinge werden allein schon aufgrund des gewaltigen Umfangs auf ihre Kosten bekommen, dabei aber sicherlich hier und da ungläubig den Kopf schütteln, was vor einem Vierteljahrhundert von Käufern und Kritikern als Geniestreich gefeiert wurde.
(tsch) © 1&1 Mail & Media/teleschau
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