- Mit dem Reality-Format "Das Zockerhaus" will das ZDF beweisen, dass man am Puls der Zeit ist.
- Doch in den Augen von Kritikern demonstriert die Sendung das Gegenteil - mit veralteten sexistischen und homophoben Klischees.
Mit dem Reality-Format "Das Zockerhaus" wollte man beim ZDF einem jungen Thema widmen. Doch der Schuss ging in den Augen von Kritikern nach hinten los: Einige Bestandteile wirken auf sie erschreckend altbacken. Die Sendung würde sexistische und homophobe Klischees aus der Mottenkiste bedienen.
Dabei ist die Grundidee der seit 6. September im Kinderprogramm ZDFtivi ausgestrahlten und in der Mediathek abrufbaren Sendung durchaus spannend: Junge Menschen, die sich bisher nur vom Online-Spielen kennen, treffen in der realen Welt aufeinander und stellen sich der Frage, ob sie auch offline Potenzial für wahre Freundschaften sehen.
Aus vielen Bewerbern wurden sechs Jungs im Alter von 15 und 16 Jahren ausgewählt, die gemeinsam in das Zockerhaus ziehen und dort Challenges meistern müssen. Diese Aufgaben stellen zuweilen Abläufe aus beliebten Games in der realen Welt nach. Die Verlierer werden "bestraft".
Kleider anziehen und schminken als Bestrafung
Die Art der Bestrafungen sind Stein des Anstosses für die scharfe Kritik an dem Format. Zu den Sanktionen für die Verlierer der Wettkämpfe zählen unter anderem Aufgaben, sich ein Kleid anzuziehen, sich mit Glitzer-Tattoos zu schminken, die Haare feminin mit Spangen und Schleifen zu stylen, in rosa Einhorn-Bettwäsche schlafen, den besten Freund anrufen und sagen, wie sehr man ihn liebt oder sich die Fingernägel zu lackieren.
Die "Strafen" sollen offensichtlich die Männlichkeit der Pubertierenden empfindlich treffen, indem sie zu vermeintlich weiblichen oder in manchen Augen als homosexuell geltenden Aktionen auffordern. Aber ist dieses eingeengte Bild von Männlichkeit noch zeitgemäss?
Es winkt der "Goldene Zaunpfahl"
Aufgestossen sind die Bestrafungen des Formats dem Verein Klischeesc. Der widmet sich üblicherweise dem Kampf gegen Klischees in Kinderbüchern und setzt sich stattdessen für Vielfalt jenseits von Gendergrenzen ein.
Mit dem "Goldenen Zaunpfahl" verleiht der Verein zudem einen Negativpreis für sexistische Werbung. "Das Zockerhaus", so Floris Müller-Reichenwallner und Sascha Verlan von Klischeesc, sei ein "zutiefst sexistisches Format, das ungefiltert Geschlechterrollen-Klischees bedient".
Dadurch würden nicht nur die Protagonisten herabgesetzt, sondern insgesamt Frauen und Homosexuelle, so die Argumentation der Klischee-Gegner in einem offenen Brief an die ZDFtivi-Redaktion, den ZDF-Fernsehrat sowie die Beauftragten für Jugendmedienschutz und Gleichstellung.
Das ZDF selbst spricht in der Beschreibung des Formats von "humorvollen Bestrafungen". Eine Frage, die in der Kritik von Klischeesc gar nicht thematisiert wird, bleibt ebenfalls offen: Auch Mädchen sind Teil der Gamer-Community. Wieso hat man keinen einzigen weiblichen Gamer in die Zocker-WG aufgenommen? © 1&1 Mail & Media/teleschau
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