- Schöner, grösser, mehr von allem: "Horizon Forbidden West" schickt PlayStation-Besitzer in eine Postkarten-Postapokalypse, um abermals den Weltuntergang abzuwenden.
- Der PS4- und PS5-Titel ist eines der ersten wahren Highlights des Gaming-Jahrgangs 2022.
- Verwirrend ist die Preisgestaltung von Sony.
In Sonys "Horizon Forbidden West" droht der Weltuntergang - schon wieder. Eine rote Plage wuchert. Das Land stirbt. Und Heldin Aloy ist aus mehreren Gründen die Einzige, die Schlimmeres in der Postkarten-Postapokalypse verhindern kann.
Fünf Jahre nach ihrem fulminanten Debüt auf der PlayStation4, zahlreichen Preisen, einer gelungenen PC-Umsetzung und über 20 Millionen verkauften Kopien macht sich die Endzeit-Kriegerin mit der mysteriösen Vergangenheit nun auf PS4 und PS5 in den "Verbotenen Westen" auf, um dort ein Heilmittel gegen die überall auftretende Seuche zu finden und dabei ..., nein, nein, wird nicht verraten. Schliesslich ist die Geschichte wichtiger Ansporn, um die kommenden Feierabende und Wochenenden vor der Konsole und nicht etwa bei Freunden zu verbringen.
Bizarr-schöne Techno-Tiere
Wie schon beim Vorgänger erwartet Käufer zum einen eine archaische und zugleich futuristische Welt voller bizarr-schöner Maschinenkreaturen, die sich zur herrschenden Spezies des Planeten aufgeschwungen haben. Und zum anderen eine Ansammlung bekannter Gameplay-Elemente aus den erfolgreichsten Games der letzten Jahre. Das Jagen und Ausschlachten der Techno-Tiere, das Sammeln weiterer Rohstoffe, das Basteln neuer Ausrüstung und die Verbesserung des bestehenden Equipments - all das kennt man aus Ubisofts "Far Cry"- oder Square-Enix "Tomb Raider"-Reihe. Das elegante Klettern an Felsen und Balancieren auf schmalen Stegen - "Assassin's Creed" und "Uncharted". Der Aufbau von Aufträgen - "Skyrim". Ein Best-of-the-best, wenn man so will.
Und dennoch sind die "Horizon"-Spiele des niederländischen Studios Guerrilla Games viel mehr als die Summe ihrer einzelnen Bestandteile. Teil zwei schickt sich an, die Stärken des Originals weiter auszubauen, anzureichern und zu verfeinern.
Worum geht's in "Horizon Forbidden West"?
"Horizon Forbidden West" knüpft nahezu nahtlos an den Vorgänger an. Ein kurzes Intro erklärt im Zeitraffer die vorangegangenen Ereignisse: eine Aussenseiterin, ein revoltierendes Computerprogramm, die "Alten", Terraforming, eine seit 1.000 Jahren tote Wissenschaftlerin, die Schlacht um Meridian ... Wer Teil eins nicht gespielt hat, dürfte jedenfalls mit den Ohren schlackern und sich ziemlich verloren vorkommen. Das Spiel nimmt kaum Rücksicht auf Neueinsteiger. Deshalb die klare Empfehlung: Erstmal "Horizon Zero Dawn" nachholen! Auch, um späteren Spielverlauf Charaktere, Motive und Handlungsstränge nachvollziehen zu können.
Die ersten zehn, zwölf Stunden verbringt man schliesslich damit, planetare Backups der KI Gaia zu suchen. Wobei das alles als überlanges Vorgeplänkel zu verstehen ist, ehe die Geschichte von "Horizon Forbidden West" deutlich an Fahrt aufnimmt und das Gameplay immer vielseitiger wird.
Um den seltsamen roten Wucherungen, die sich überall breitmachen, auf die Schliche zu kommen, durchstreift man mit Aloy und ihrem Gefolge schliesslich den Westen der untergegangenen Staaten von Amerika, blickt auf die Ruinen von Las Vegas, stapft durch den Schnee der Rocky Mountains und erstarrt in Ehrfurcht beim Anblick einer völlig verwilderten Golden Gate Bridge.
Die Welt, die es zu erkunden gilt, ist gewaltig und sagenhaft detailverliebt. Und trotz der Grösse ähnelt kein Ort dem anderen. Die vielen Siedlungen, die es im Verbotenen Westen zu entdecken gibt, brodeln vor Leben. In jeder Region hat ein anderer Stamm das Sagen - und nicht alle sind wohlgesonnen. So überzieht die Rebellenanführerin Regalla die Länder mit Krieg und setzt dabei ebenfalls auf "überbrückte", sprich: gefügig gemachte, Maschinen-Kreaturen. Wissen, das sie nur von einem haben kann ...
Wichtigstes Hilfsmittel, um Überblick und Orientierung in den Weiten zu wahren, ist abermals der Fokus - eine Art Augmented-Reality-Visor an Aloys rechtem Ohr. Mit ihm scannt sie die Umgebungen nach Hinweisen, Spuren und Interessantem, aber auch die Schwachstellen der Mechanik-Monster, um diese in nervenaufreibenden Kämpfen mit Pfeil und Bogen, Nahkampfspeer, Granaten oder Fallen zu Fall zu bringen.
Was ist neu, anders, besser in "Horizon Forbidden West"?
Um den ohnehin erstaunlich "runden" Vorgänger noch zu verbessern, musste Guerilla Games viel Detailarbeit leisten, führte aber auch Elemente ein, die tatsächlich neue Gameplay-Möglichkeiten eröffnen:
- Bereits nach wenigen Spielminuten bekommt Aloy Zugriff auf einen Enterhaken, mit dem sie sich in luftige Höhen und über Abgründe schwingen oder Objekte zu sich heranziehen kann. Generell gibt es nun wesentlich mehr erklimmbare Stellen als im Vorgänger.
- Etwas später gesellt sich noch ein Energie-Gleitschirm hinzu, mit dem Aloy Stürze abfedern und ordentlich Strecke zurücklegen kann - "The Legend of Zelda: Breath of the Wild" lässt grüssen.
- Darüber hinaus kann Aloy nun eine Zeit lang unter Wasser verbringen, wo sich ebenfalls komplett neue Welten (und Gefahren) erschliessen.
- Guerrilla Games erweitert den Zoo der Techno-Tiere um neue, beeindruckende Kreaturen. Ohne zu spoilern: Der gewaltige Mammut-artige Bebenzahn aus dem Trailer ist nicht die eindrucksvollste Maschine, die Spieler erwartet.
- Apropos: In sogenannten Brutstätten kann man nach harten Kämpfen "Überbrückungen" für bestimmte Maschinen freischalten, sodass Aloy sie gefügig machen und sogar auf ihnen reiten kann.
- Die vielen Siedlungen, die es im verbotenen Westen zu entdecken gibt, wirken jetzt deutlich lebendiger als beim Vorgänger.
Was ist weniger gut gelungen?
Es gibt nur wenig an "Horizon Forbidden West" auszusetzen. Und selbst diese Punkte sind Gejammere auf hohem Niveau.
- So gestaltet sich der Einstieg recht zäh. Zehn bis 15 Stunden mit Tutorial-Charakter vergehen, ehe Aloys Abenteuer an emotionaler Tiefe und Dramatik gewinnt.
- Zudem ist man immer wieder mal geneigt, die vielen ellenlangen Konversationen mit anderen Figuren trotz famoser Synchronisation und toller Mimik zu überspringen - auch wenn man dabei Gefahr läuft, ein wichtiges Detail zu verpassen.
- In den Kämpfen vermisst man eine Taste zum Blocken. Klingt komisch, aber feindlichen Angriffen kann man nach wie vor nur mit einer Hechtrolle entgehen. Was wiederum dazuführt, dass man aufgrund der nicht immer optimal platzierten Kamera in einen Abgrund springt oder an einem Objekt hängenbleibt und die gegnerische Attacke voll abbekommt.
- Die Gegner-KI von Mensch und Maschine ist nicht sonderlich clever - muss aber offenbar so sein, sonst würden das Fallen stellen, Anlocken und die Attacken aus dem Hinterhalt nicht so viel Spass machen.
- "Horizon Forbidden West" bietet sechs verschiedene Talentbäume, in denen man bestimmte Fähigkeiten aus den Bereichen Nahkampfattacken, Fernkampfangriffe, Gesundheit, das Überbrücken von Maschinen, Stealth und das Legen von Fallen freischalten kann. Je nachdem, welchen Spielstil man bevorzugt. Dieses Rollenspielsystem wirkt aber ein wenig aufgesetzt. Halbwegs fleissige Zocker schalten über kurz oder lang so gut wie alle Talente und Spezialattacken frei und können entsprechend experimentieren.
- Last but not least: Die Fortsetzung hat am meisten damit zu kämpfen, dass die grössten Mysterien der Spielwelt bereits im ersten Teil aufgelöst wurden - und es im "Verbotenen Westen" kaum Neues, aber davon jede Menge gibt. Ja, fast schon zu viel.
Wie umfangreich ist "Horizon Forbidden West"?
"Horizon Forbidden West" kann ein gigantischer Zeitfresser sein. Fernab der Hauptgeschichte, für die man - je nach Schwierigkeitsgrad - 20 bis 25 Stunden einplanen sollte, gibt es haufenweise, teils komplexe und aufwendig inszenierte Nebenquests, für die man sich Zeit nehmen sollte. Darüber hinaus warten zahlreiche (toll designte) Ruinen auf ihre Erkundung, wo vor allem Rätsel- und Kletterkünste gefragt sind.
Laut Guerrilla Games sollten Spieler alles in allem mindestens 60 Stunden mitbringen, wenn sie das Wichtigste sehen und erleben möchten in dieser traumhaft schönen Open World, die deutlich grösser als noch im Vorgänger ausfällt. Es dürfte aber auch kein Problem sein, 100 Stunden im "Verbotenen Westen" zu verbringen, ohne sich auch nur eine Sekunde zu langweilen - dank Duellen in einer Kampfarena, integrierten Brettspielen und der Suche nach Rohstoffen für bessere Waffen und Rüstungen.
Warum die Preis-Verwirrung?
Gleiches Spiel, unterschiedlicher Preis: "Horizon Forbidden West" wird im PlayStation Store als Standard Edition einmal für 70 und einmal für 80 Euro angeboten. Was zunächst wie ein versteckter Life-Hack wirkte - man kauft die günstigere PS4-Version und erhält das Update auf die PS5-Fassung gratis - ist mittlerweile schlicht absurd. Vor allem, weil auch PS4-Gamer 80 Euro ausgeben können und dadurch keinen Vorteil haben.
Wie gross sind die Unterschiede zwischen PS4 und PS5?
Vorweg: Technisch ist "Horizon Forbidden West" eine Wucht - egal, ob man eine normale PlayStation4, das Pro-Modell oder gar die neue PS5 sein Eigen nennt. Müsste man nicht ständig nach gefährlichen Bestien Ausschau halten, hätte das Ganze mit seinen verschneiten Berglandschaften und Canyons, Wäldern und Steppen, Sümpfen und Wüsten auch das Zeug zum Wandersimulator - wechselnde Tageszeiten inklusive.
Die Vorzüge der PS5-Version sind klar: die Ladezeiten sind dank SSD deutlich kürzer, die Grafik erstrahlt in 4K. Spieler haben zudem die Wahl zwischen den Modi "Auflösung bevorzugen" und "Leistung bevorzugen". Letzterer skaliert zugunsten flüssiger 60 Bilder pro Sekunde die Auflösung etwas herunter, ohne dass das gross zulasten des Staunfaktors geht,
Auf der PlayStation4 versucht das Spiel, bei 30 Bildern pro Sekunde zu landen - und erkauft das mitunter durch eine stark heruntergeschraubte Auflösung und detailärmere Umgebungen, Figuren und Gesichter. Auch so manche Grafikfilter werden abgeschaltet. Das fällt jedoch nur auf, wenn man zu vor die PS5-Fassung gespielt hat. Startet man von vornherein auf der älteren Konsolengeneration, fallen die Unterschiede gar nicht so gravierend auf.
Gleiches gilt im Übrigen für die Steuerung: Die PS5-Fassung hebt natürlich die Vorzüge der DualSense-Controller hervor - inklusive adaptiver Schultertasten, haptischen Vibrationseffekten und deutlich mehr Soundeffekten aus dem Minilautsprecher des Gamepads.
Fazit
"Horizon Forbidden West" wird den hohen Erwartungen mehr als gerecht. Story, Spielwelt, Charaktere, Action und Grafik greifen wunderbar ineinander. Der Umfang ist gewaltig - die Schwächen sind überschaubar. Wer den Vorgänger mochte, kann blind zugreifen. Alle anderen sollten "Horizon Zero Dawn" schleunigst nachholen und dann bestens grüstet in den "Verbotenen Westen" starten. © 1&1 Mail & Media/teleschau
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