Blizzard kommt aus dem Krisen-Modus nicht mehr heraus. Nur wenige Monate nach der Affäre um "Hearthstone"-Profi "Blitzchung" sieht sich das Studio erneut scharfer Kritik ausgesetzt. Denn Fans kritisieren, dass das "Warcraft 3"-Remake "Reforged" nicht hält, was Blizzard verspricht. Wir haben uns angesehen, was an den Vorwürfen dran ist.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Pillgruber dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Für Blizzard hätte die Ankündigung von "Warcraft 3: Reforged" der nächste "Diablo Immortal"-Moment in der Firmengeschichte werden können. Schliesslich warteten die Fans zur Enthüllung des Projekts im Februar 2018 bereits rund 15 Jahre auf einen neuen Teil des Strategie-Klassikers. Dagegen wirken die bislang acht Jahre, die Diablo-Fans spielerisch auf dem Trockenen sitzen, geradezu lächerlich.

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Aber ähnlich wie beim Mobile-Game Immortal bekamen Warcraft-Fans im November 2018 nicht etwa ein vollwertiges Hauptspiel der Reihe in Aussicht gestellt. Stattdessen kündigte Blizzard ein Remastered an und öffnete damit theoretisch alle Schleusen für eine neue mittelhohe Welle der Entrüstung.

Dass "Reforged" bei seiner Ankündigung dennoch auf ein positives Echo stiess, lässt sich wohl vor allem auf den Status des Originals als Gaming-Meilenstein zurückführen. Das Hauptspiel "Reign of Chaos" und dessen Erweiterung "The Frozen Throne" haben nicht nur das Genre der Echtzeitstrategiespiele (RTS) für immer verändert, sondern ganz nebenbei auch die Basis für eines der grössten Spielephänomene der vergangenen Jahre gelegt.

Schliesslich ging mit der "Defense of the Ancients" (Dota) die Spielegattung der MOBAs aus "Warcraft 3" hervor.

Doch nach dem tatsächlichen Release am 29. Januar 2019 ist von dem Wohlwollen der Spieler kaum etwas übrig geblieben. Stattdessen hagelt es Verrisse und das Spiel hat schon jetzt den Spitznamen "Warcraft 3: Refunded" (zu Deutsch: "Warcraft 3: Zurückerstattet") für alle Zeiten sicher.

Zu Recht? Wir haben das Remake einige Stunden angespielt um zu sehen, wie berechtigt die Kritik der Fans wirklich ist.

Neuer Look für einen Strategie-Opa

Um die Kontroverse um "Warcraft 3: Reforged" einordnen zu können, muss man wissen, was Blizzard den Fans im Vorfeld der Veröffentlichung versprochen hatte. "Reforged" sollte nicht nur alle grafischen Elemente des RTS-Opas aufpolieren, sondern auch den Zwischensequenzen eine zeitgemässe Optik verpassen.

Bei der Grafik des Spiels hat Blizzard dabei auch grösstenteils sein Wort gehalten. Alle Charaktermodelle wurden komplett neu gebaut, hochskaliert und mit wesentlich mehr Details versehen.

Diese Zwischensequenz erzürnt die Spieler

Links ist die von Blizzard angekündigte Zwischensequenz zu sehen, rechts die in "Warcraft 3: Reforged" enthaltene Version. © YouTube

Auch die Gebäude und Umgebungen wurden angepasst und sehen deutlich schicker aus als im Original.

Allerdings hatte Blizzard bei der Ankündigung des Warcraft-Remakes 2018 eine Demo des Spiels präsentiert, in der noch deutlich mehr grafische Details zu sehen waren.

Die Kritik der Fans, Blizzard habe ein Grafik-Downgrade durchgeführt, ist deshalb nicht ganz von der Hand zu weisen.

Dennoch ist das Remake in unseren Augen optisch gelungen. Die Anpassungen verleihen dem Spiel einen zeitgemässeren Look, ohne sich dabei zu sehr vom ursprünglichen Stil zu entfernen.

Dabei muss aber betont werden, dass "Reforged" auf der selben Spiel-Engine basiert wie das Original. Heisst konkret, dass man nicht die Grafik eines aktuellen Titels erwarten darf.

Von grafischen Anpassungen nahezu unangetastet geblieben ist hingegen die Benutzeroberfläche des Spiels. Bei der Ankündigung von "Reforged“ hatte Blizzard ein kleineres und neu angeordnetes Interface gezeigt.

Doch wie schon im Original, verdeckt das Truppenmenü beim Remake einen nicht unerheblichen Teil der unteren Bildschirmhälfte. Ein klarer Rückschritt in Bezug auf die Übersichtlichkeit.

Blizzard täuscht Kunden bei Zwischensequenzen

Auch bei den Zwischensequenzen hat Blizzard mehr versprochen, als letztendlich geliefert wurde. In Bezug auf die Rendersequenzen hatte der Entwickler schon vor dem Release klargemacht, dass man diese nicht völlig neu gestalten würde. Das Ergebnis ist hier aber dennoch enttäuschend.

Mit Ausnahme einer etwas höheren Auflösung, sucht man Veränderungen bei den Rendersequenzen tatsächlich mit der Lupe. Im Intro der Prolog-Kampagne fiel uns zudem mehrfach ein störendes Flimmern im Bild auf.

Abseits davon gibt es auch noch die Zwischensequenzen in Ingame-Grafik. Und hier muss man Blizzard streng genommen Täuschung seiner Kunden vorwerfen.

Bei der Ankündigung von "Reforged" 2018 hatte der Entwickler eine solche Szene aus der Mission "Die Säuberung von Stratholm" gezeigt. Darin bewegen sich die Charaktere wesentlich realistischer als im ursprünglichen Spiel. Das weckte natürlich die Erwartung, dass Blizzard jeder dieser Sequenzen überarbeiten und so filmisch inszenieren würde.

Nur ist das nicht der Fall. Stattdessen sind die Zwischensequenzen im Spiel sehr nahe an denen des Orignals gehalten, in welchen die Figuren grösstenteils nur rumstehen und miteinander sprechen. Noch dazu ist die 2018 gezeigte Sequenz aus der Demo nicht einmal im Spiel enthalten.

Wie sehr sich die 2018 gezeigte Zwischensequenz von der im fertigen Spiel unterscheidet, zeigt das nachfolgende Video.

Geschichte von Warcraft 3 bleibt, wie sie war

Ebenfalls weggefallen sind die Veränderungen an der Geschichte von "Warcraft 3". Ursprünglich sollte die Story angepasst werden, um sie mit den Ereignissen in "World of Warcraft" in Einklang zu bringen.

Charakteren wie Jaina Proudmoore und Sylvanas Windrunner sollte mehr Raum im Spiel gegeben werden, da diese in Blizzards MMO eine weit wichtigere Rolle spielen als in "Warcraft 3". Laut eigenen Angaben hatte der Entwickler die Kampagne bereits "komplett neu geschrieben". Nach Feedback der Fans entschied man sich allerdings dazu, diese Änderungen vollständig zu verwerfen.

Einige Spieler zeigten sich nach Veröffentlichung davon enttäuscht. Das ist durchaus legitim, wirklich vorwerfen kann man Blizzard die gestrichenen Änderungen aber eigentlich nicht.

Schliesslich waren diese ja bereits im Vorfeld angekündigt worden. Allerdings hätte Blizzard hier besser mit den Fans kommunizieren sollen, denn nicht jeder potenzieller Käufer informiert sich fortgehend über den Verlauf der Entwicklungen eines Spiels.

Trotzdem bietet die Geschichte immer noch genügend Gründe, einen Blick auf "Reforged" zu werfen. Vor allem Puristen und Personen, die "Warcraft 3" noch nie gespielt haben, dürften sich an fehlenden Änderungen in der Story nicht stören. Und immerhin gilt das Spiel unter anderem auch wegen seiner exzellenten Handlung bis heute als Meilenstein für das Genre der Strategiespiele.

Neue Stimmen und Outfits für die Warcraft-Helden

Während sich an der Geschichte nichts getan hat, wurde die Sprachausgabe des Spiels komplett überarbeitet. Zumindest in der deutschen Version. Dort wurden alle Dialoge mit neuen Sprechern vertont.

Alles in allem ist die neue Sprachausgabe zwar gut, aber nicht perfekt. Gerade die Stimmen einiger Hauptcharaktere wie Thrall oder Arthas wirken in "Reforged" deutlich passender. Einige Einheiten wie die Arbeiter der Orks oder menschliche Soldaten haben hingegen etwas an Charme verloren. Das ist aber – wie bei der Grafik, letztendlich Geschmackssache.

Ebenfalls neu ist die sogenannte Sammlung. Die lässt sich über das Hauptmenü einsehen und enthält Skins für die Helden im Spiel. Diese lassen sich nur über den Kauf der Luxus-Edition des Spiels freischalten.

Neben den Skins finden sich in der Sammlung auch sogenannte Portraits, die Spieler als Avatar nutzen können. Die Portraits werden über die Kampagne und Siege im Mehrspielermodus freigeschalten. Dafür sind teilweise aber 1.000 gewonnene Partien notwendig, was uns doch sehr übertrieben erscheint.

Nutzer beklagen technische Mängel

Auf Reddit und in den offiziellen Blizzard-Foren berichten User zudem über grosse Probleme mit der Performance des Spiels. In den wenigen Stunden, in denen wir den Titel bislang ausprobieren konnten, wurden wir nur im Multiplayer mit einigen Lags konfrontiert. Ansonsten lief "Reforged" während unseres Tests stabil, ohne Abstürze oder Einbrüche der Bildrate.

Dennoch wurden auch wir mit zwei Bugs konfrontiert. So sprang das Spiel nach dem Laden einer Mission mehrfach direkt auf den "Verloren Bildschirm. Nach einem Neustart des Programms trat dieser Fehler aber nicht mehr auf.

Zudem war es uns während des Anspielens nicht möglich, wieder auf die Grafik des Originalspiels zu wechseln. Die dafür vorgesehene Funktion wurde im Menü zwar angezeigt, liess sich dort aber nicht einschalten.

Blizzard hat allerdings bereits einen Patch ausgerollt, der dieses und andere Probleme beheben soll. Bislang (Stand 31. Januar 2020) ist die Funktion für uns aber weiter nicht aktivierbar.

Weniger Inhalte als das Originalspiel

Ebenfalls scharf kritisiert wird, dass "Reforged" einige Features von "Warcraft 3" nicht mehr beinhaltet. So ist es zwar beispielsweise weiterhin möglich, auf von Spielern erstellten Multiplayerkarten zu spielen, Nutzer-Kampagnen lassen sich jedoch nicht mehr starten.

Auch eine Rangliste, Turniere, Nutzerprofile und Clans gibt es derzeit im Spiel nicht. Zumindest letztere sollen allerdings in einem späteren Patch nachgereicht werden.

Die fehlenden Featuers sind dabei nicht nur für Kunden von "Reforged" ein Problem. Denn auch Spieler, die das Orignalspiel über Blizzards "Battle.net"-Client erworben haben, können nicht mehr auf besagte Funktionen zugreifen.

Blizzard hat beide Versionen nämlich durch ein Update zusammengeführt. So können Besitzer des Originals gegen die Nutzer des Remakes im Multiplayer antreten und auch das Matchmaking und die Balance-Updates sind für beide Versionen identisch.

Bis auf die grafischen Verbesserungen handelt es sich beim klassischen "Warcraft 3" und bei "Reforged" also quasi um dasselbe Spiel. Dafür müssen Besitzer des Originalspiels aber ebenfalls auf die beim Remake gestrichenen Funktionen verzichten.

Keine spielerische Katastrophe, aber dennoch eine Katastrophe

An "Warcraft 3: Reforged" gibt es wahrlich genug auszusetzen. Aber ist das Spiel nun tatsächlich eine solche Katastrophe, wie es die aktuellen Nutzer-Bewertungen nahelegen? Unsere Antwort darauf: Jein.

Aus spielerischer Sicht ist das, was wir vom Remake bislang sehen konnten (Anm. d. Redaktion: circa fünf Stunden Spielzeit), kein Totalausfall. Vielmehr liefert "Reforged" einen Nostalgietrip mit schönerer Grafik.

Denn am Gameplay des Strategie-Klassiker hat sich absolut nichts verändert. Das muss es unserer Meinung nach auch nicht. "Warcraft 3" war früher schon ein gutes Spiel und ist es auch heute noch - nur eben in einer schöneren Aufmachung.

Aber in Hinblick auf Blizzards Ruf, kann man "Reforged" durchaus als Katastrophe betrachten. Schliesslich galt der Entwickler einst als Galionsfigur für Qualität bei Videospielen, der lieber Projekte einstellte, als sie unzufriedenstellend auf den Markt zu bringen.

Doch in jüngster Vergangenheit machte Blizzard mehr mit Kontroversen von sich reden, als mit seinen Produkten. Dass bei "Reforged" nun teilweise nicht gehalten wurde, was man 2018 versprach (Stichwort Grafik-Downgrade und Zwischensequenzen), trägt nur noch mehr zum bröckelnden Ruf des Entwicklers bei.

Gleiches gilt für die fehlenden Features im Spiel. Darüber, ob man mit dem Kauf eines Remakes Anspruch auf alle Funktionen des Originals erheben kann, lässt sich streiten.

Dass Blizzard aber die Besitzer des klassischen "Warcraft 3" mittels eines Zwangsupdates um Inhalte bringt, die sie jahrelang genutzt haben, zeugt nicht davon, dass man besonderen Wert auf die Zufriedenheit seiner Kunden legt.

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