Niemand freut sich über Werbeunterbrechungen. Aber während man diese lästigen Pausen im klassischen linearen Privatfernsehen gewohnt ist, würde es einen Aufschrei geben, wenn plötzlich Streaming-Dienste wie Netflix die Filme auf diese Weise unterbrechen würden. Genau das aber passiert gerade bei Twitch.
Die Reaktionen auf dieses "Experiment" sind heftig: Kaum hatte die Live-Streaming-Plattform Twitch angekündigt, zukünftig Werbung mitten in laufenden Streams zu schalten, hagelte es Kritik von allen Seiten.
Nicht nur von Zuschauern, sondern auch von bekannten Protagonisten wie "TimTheTatman" oder "Nickmercs". Beide "Call of Duty"-Grössen fragten öffentlich, wo sie sich von dieser Option abmelden könnten. Eine rhetorische Frage natürlich, gemeint als Drohung. Denn ohne zugkräftige Streamer würde Twitch schlichtweg nicht funktionieren.
Entsprechend mutmassten manche Kritiker, die Idee mit störender Werbung mehr Profit zu machen, könnte nach hinten losgehen und die Plattform mehr User - und Geld - kosten, als sie einbringt. Ähnlich sieht das der populäre "WoW"-Streamer "Asmongold": Die Methode ist in seinen Augen "die schlimmste Art, Streamer zum Schalten von Werbung zu bewegen, denn die Mid-Roll-Spots würden die Zuschauer möglicherweise dazu zwingen, Werbung in den packendsten Live-Momenten zu sehen".
Werbung gab es natürlich auch bisher bei Twitch, allerdings in Form von "Pre-Rolls": Gemeint sind damit Werbespots, die User eingeblendet bekommen, wenn sie neu zu einem Stream kommen oder der entsprechende Streamer selbst Werbung geschaltet hat. Das neue Modell der "Mid Roll"-Werbung, also inmitten des Streams, kennt man sonst nur aus dem Privatfernsehen oder von YouTube. Auch der Video-Dienst hat sich mit der Zunahme von Werbung keine Freunde gemacht. In Anspielung darauf kommentierte Twitch-Partner "ThatBronzeGirl": "Ihr seid nicht YouTube." Der "Overwatch"-Profi "Seagull" ätzte: "Wenn ich nicht genug Ads spiele, kommt Jeff Bezos wörtlich in meinen Stream und drückt den Werbe-Knopf."
Twitch nennt die Idee "ein Experiment"
Bei Twitch würde während der Werbung zwar der Stream weiterlaufen, allerdings in einem verkleinerten Fenster und ohne Ton. Offenbar hat Twitch selbst Bedenken, ob den Usern die Werbeunterbrechungen zuzumuten sind, ohne dass diese abwandern. Denn statt die Strategie flächendeckend anzuwenden, soll das neue Modell zunächst nur mit ausgewählten Zuschauern getestet werden. Twitch spricht daher vorerst von "einem Experiment". Setzt sich das neue Modell langfristig durch, würde das nicht nur die Zuschauer betreffen. Die Streamer würden mit den "Mid-Roll"-Spots auch die Kontrolle darüber verlieren, wann ihre eigene Werbung (falls sie welche schalten) platziert wird.
Twitch selbst verteidigt das Vorgehen mit mehreren Argumenten: Die Werbespots würden die Streamer direkt unterstützen. Wer bereits vor dem Stream Werbung gesehen hat, würde beim Betrachten des Streams nicht erneut eine Einblendung bekommen. Komplett werbefrei würden Abonnenten eines Kanals bleiben. Auch das wird von Gegnern kritisiert: Sinnvoller sei es, ein komplettes Twitch-Abo abschliessen zu können, um Werbefreiheit zu geniessen, argumentiert beispielsweise "Asmongold".(tsch) © 1&1 Mail & Media/teleschau
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