In der Podcast-Reihe "Was will eigentlich die AfD?" nimmt sich Kabarettist Moritz Neumeier das Wahlprogramm der Partei vor. Das ist zum Teil so abstrus, dass er selbst lachen muss.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Lesen Sie unser Wahlprogramm!", sagt die Kanzlerkandidatin der AfD Alice Weidel immer, wenn sie auf Fragen nicht antworten will. Sie weiss natürlich, dass das die wenigsten Menschen tun. Wahlkämpfe werden heute vor allem emotional geführt, die Diskussion darüber, wie in der Zukunft mit Migration umgegangen wird, zeigt das in den letzten Wochen eindrücklich. Wie die AfD zu diesem Thema steht, ist hinlänglich bekannt, nicht erst, seitdem sie den Begriff der "Remigration" für sich entdeckt hat. Nur: Was will die Partei eigentlich sonst?

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Dieser Frage hat sich der Kabarettist Moritz Neumeier in seiner Podcast-Reihe "Was will die AfD?" angenommen. Die Idee dazu kam ihm im Gespräch mit Sympathisanten der Partei und mit der dabei gewonnenen Erkenntnis, dass das, was sie glauben, was die AfD fordert, überhaupt nicht das ist, was in deren Wahlprogramm steht. In neun kurzen Folgen nimmt sich Neumeier die Inhalte der Partei vor zu Themenkomplexen wie "Wirtschaft", "Soziales", "Asyl" oder "Klima".

Nun ist Moritz Neumeier kein Journalist. Er ist eindeutig dem linken Spektrum zuzuordnen und arbeitet sich in seinen Auftritten immer wieder an der AfD ab. Er ist also in keinster Weise neutral und nimmt auch nicht die Wahlprogramme der anderen Parteien auseinander, deren Inhalt wahrscheinlich ebenso niemand kennt. Trotzdem versucht er, möglichst neutral zu berichten.

Klima-Wissenschaftler, die nicht zum Klima forschen

Dass ihm das schwerfällt, ist immer wieder zu merken. In einer der ersten Folgen geht es um das Klima und den Klimawandel. Um es kurz zu machen: Klima ist für die AfD eben Klima, daran lasse sich nichts ändern. Die Partei führt zwar einige Experten auf, die ihre Thesen unterstützen, doch bei genauerem Hinsehen entpuppen sich ihre zwei Nobelpreisträger als Wissenschaftler aus ganz anderen Bereichen, die in ihrem Leben noch nie etwas zu diesem Thema veröffentlicht haben.

Der Mensch ist gemäss AfD-Programm für den Klimawandel nicht verantwortlich, deshalb müsse der Staat nicht in Veränderungen investieren oder Steuern erheben. Das heisst zum Beispiel, dass die CO2-Abgabe abgeschafft oder der Ausbau der Windkraft gestoppt werden kann. Nebenbei wäre Letztere auch gar nicht so gut für die Umwelt, weil die Windräder etwa 100.000 Vögel im Jahr töten. Laut Statistik stimmt das mehr Vögel sterben jährlich aber an Glasfassaden, 115 Millionen, um genau zu sein. Niemand käme auf die Idee, keine Bürogebäude mehr zu bauen.

Was ist eigentlich "deutsche Leitkultur"?

So hakt Neumeier einen Themenkomplex nach dem anderen ab und stellt fest, dass es bei der AfD meist um Emotionen geht und weniger um Fakten. Die Partei fordert zum Beispiel, dass in der Bundeswehr nur Menschen mit deutschem Pass dienen sollen. Das ist allerdings jetzt schon so. Oder dass Abtreibungen verboten werden sollen, um die Geburtenrate zu erhöhen. Das ist zum Teil so abstrus, dass es mit der selbst auferlegten Neutralität von Neumeier, der sonst gewohnt ist, seine Texte auf Pointen zu trimmen, nicht weit her ist. So muss der Kabarettist immer wieder lachen oder verfällt in den Tonfall einer Wochenschau aus dem Zweiten Weltkrieg, wenn es zu abstrus wird.

Das wird besonders beim "Kultur"-Programm der AfD deutlich. Dort fordert sie: "Deutsche Leitkultur statt Multikulturalismus". Nur: Was ist das eigentlich, "deutsche Leitkultur"? Die AfD definiert sie als eine Mischung aus Christentum, humanistischer Aufklärung und römischem Recht. Dummerweise stammt das Christentum aus dem Nahen Osten, das römische Recht prägt alle modernen Gesellschaften und die Aufklärung ist eine kulturübergreifende Denkhaltung. Der Begriff bleibt genauso schwammig, wie er in der öffentlichen Diskussion verwendet wird.

Radikal höflich

Für wen ist dieser Podcast eigentlich? AfD-Sympathisanten werden Moritz Neumeier und die Journalistin Kathleen Fietz, die das Wahlprogramm und die Fakten dazu recherchiert hat, kaum erreichen. Zu eingefahren sind die Lager, Kommunikation miteinander ist schwierig.

Aber genau darum geht es in dem Podcast "Was will die AfD": wieder zueinander finden. "Diskutieren ist immer einfacher, wenn man weiss, wovon man spricht", sagt Neumeier in einer der Folgen. Der Podcast soll eine Basis sein für all jene, die mit AfD-Sympathisanten reden müssen. Und er gibt seinen Hörern gleich noch Tipps mit auf den Weg: Seid klüger, seid radikal höflich und informiert euch. Das ist eigentlich nie verkehrt.

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