• Auf YouTube werden Kinder mit Videos, in denen sie Spielzeug testen und Einblicke ins Privatleben geben, zu Grossverdienern.
  • Auch im deutschsprachigen Raum gibt es erfolgreiche Kinder-Influencer, die von ihren Eltern in Szene gesetzt und zur Haupteinnahmequelle der Familie werden.
  • Medienpädagogin Claudia Lampert sagt: Kommerzielle Videos mit Kindern sind eine Gratwanderung.

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In einem seiner neuesten YouTube-Videos zeichnet Ryan Kaji zusammen mit seiner Mutter Spielzeugfiguren nach. Die beiden haben Spass, wirken fast schon übertrieben gut gelaunt. Auf den ersten Blick könnte dies eine alltägliche Szene aus einer normalen Familie sein.

Aber es steckt mehr dahinter. Denn der Neunjährige aus Texas ist der erfolgreichste Kinder-Influencer der Welt, das Video ist nichts anderes als ein langer Werbespot. Kaji testet das Spielzeug im Auftrag der Spielzeugindustrie, eine der Figuren stellt sogar ihn selbst dar. Vor und während des Videos schaltet YouTube weitere Werbespots.

Das US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" schätzt Kajis Einkünfte im Zeitraum von Juni 2019 bis Juni 2020 auf 29,5 Millionen Dollar (rund 24,3 Millionen Euro), was ihn zum bestverdienenden YouTuber überhaupt macht. Seinem Kanal "Ryan's World" folgen 28,7 Millionen Menschen, auf 12,2 Milliarden Klicks brachte es Kaji innerhalb eines Jahres.

Und er ist kein Einzelfall. Mit der erst sieben Jahre alten Anastasia Radzinskaya findet sich eine weitere Kinder-Influencerin in den Top Ten der weltweit bestverdienenden YouTuber. Das Mädchen aus dem russischen Krasnodar setzte innerhalb eines Jahres 18,5 Millionen Dollar (rund 15,2 Millionen Euro) mit seinen Videos um.

Kinder-Influencer auch sehr erfolgreich

Auch hierzulande gibt es einige sehr erfolgreiche Kinder-Influencer, die teilweise für das Einkommen der ganzen Familie sorgen. Die Kinder packen Spielzeug aus, testen es, gewähren Einblicke in ihr Privatleben und in ihre Kinderzimmer.

"Es entwickelt sich ein Nutzertyp, der sehr stark darauf abzielt, in einem sehr frühen Alter Medieninhalte zu kommerziellen Zwecken zu erstellen. Nicht selten auch gepusht von den Eltern, weshalb sich dann immer die Frage stellt, ob das Kind das aus freien Stücken macht", sagt die Medienpädagogin Claudia Lampert im Gespräch mit unserer Redaktion.

"Natürlich macht es den Kindern Spass, neues Spielzeug auszuprobieren. Dabei ein Video zu produzieren, wirkt auf den ersten Blick unproblematisch, auch weil es so einfach ist", führt Lampert weiter aus: "Aber es kann natürlich schnell kippen, wenn bei jeder Aktivität die Kamera draufgehalten wird oder gar ein Produktionsdruck entsteht."

Wenn das Kind nicht spielen oder Freunde treffen könne, weil ein Video gedreht werden müsse, höre der Spass sehr schnell auf, ist die Pädagogin überzeugt. "Das ist tatsächlich eine Gratwanderung und es ist wichtig, Eltern dafür zu sensibilisieren, welche Bedürfnisse und Rechte Kinder haben."

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Kinder-Influencer geraten unter Druck, immer neuen Content zu produzieren

Auf "Ryan's World" werden praktisch täglich neue Videos hochgeladen. Da der junge Hauptdarsteller in allen Videos zu sehen ist und auch noch zur Schule gehen muss, dürfte ihm nicht mehr viel Zeit bleiben, mit seinem neuen Spielzeug auch zu spielen, wenn die Kamera aus ist.

Wie bei allen Influencern ist der Druck da, immer neuen Content erstellen zu müssen, um die eigenen Kanäle zu bespielen und im Gespräch zu bleiben. Dieser Druck dürfte bei Kinder-Influencern, die kommerziell nicht so aussergewöhnlich erfolgreich wie Kaji sind, sogar noch grösser sein. Die Grenzen zu einer modernen Form von Kinderarbeit sind bei dieser Art von Videos fliessend.

"Es appelliert an das Verantwortungsgefühl der Kinder, wenn sie feststellen, dass sie die Haupteinnahmequelle sind", erklärt Medienpädagogin Lampert. In einigen Fällen hätten Eltern ihren ursprünglichen Beruf aufgegeben, um ihre Kinder zu managen.

Aus Sicht der Pädagogin ist das eine hohe Belastung für die Kinder: "Es setzt sie unter Druck, zu performen und ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen. Eltern sollten Kinder diesbezüglich nicht überfordern."

Sollten Aufnahmen aus dem Kinderzimmer im Internet stehen?

Neben den kommerziellen Aspekten und dem Druck, der auf Kinder-Influencern lastet, stellt sich natürlich auch die Frage, ob Videos von Kindern überhaupt einer so breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten. Zumal teilweise auch Videos zu sehen sind, die die Kinder beispielsweise bei ihrer Morgenroutine nach dem Aufstehen zeigen, geschminkt, beim Schwimmen oder sogar bei Arztbesuchen.

"Das ist ein sensibles Thema. Auch hier muss man an die Eltern appellieren, dass sie ein Bewusstsein entwickeln, was es bedeutet, wenn sie Bilder und Videos von ihren Kindern teilen", sagt Lampert. Auch Kinder hätten Persönlichkeitsschutzrechte, könnten diese im frühen Alter aber noch nicht wahrnehmen und einfordern.

"Da sind natürlich die Eltern gefragt, diese Rechte nicht einfach zu übergehen. Gleichzeitig sollten sie im Blick behalten und sich Gedanken machen, was es langfristig für die Kinder bedeuten kann", mahnt die Pädagogin. "Nicht jedes Kind möchte später seine vermeintlich lustigen, niedlichen Bilder im Internet sehen. Ausserdem können Kinder noch nicht mit negativen Kommentaren umgehen. Es gilt sie zu schützen, wenn sie älter werden und diese Reaktionen mitbekommen."

Das Phänomen der Kinder-Influencer ist noch zu neu, um etwas über die langfristigen Folgen für die jungen Protagonisten sagen zu können. Aber es wird spannend zu sehen sein, wie Ryan Kaji oder Anastasia Radzinskaya im Erwachsenenalter rückblickend ihre Zeit als Kinder-Influencer bewerten werden.

Zur Expertin: Dr. Claudia Lampert ist Senior Researcher am Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI) in Hamburg. Die Medienpädagogin beschäftigt sich mit Fragen des Aufwachsens in digitalisierten Medienumgebungen sowie mit dem Themenfeld der Gesundheitskommunikation.

Verwendete Quelle:

  • Forbes.com: The highest paid YouTube-Stars of 2020
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