Am 15. November ist bundesweiter Vorlesetag. Einer, dem dieses Thema am Herzen liegt, ist Christoph Biemann, bekannt aus "Die Sendung mit der Maus". Im September erschien sein neues Buch "Buchstabenzauber", mit dem er Eltern ermutigt, gemeinsam mit dem Nachwuchs öfter zum Buch zu greifen. Wir trafen den 67-Jährigen zum Interview und sprachen mit ihm über Kinderbücher, Kinderfernsehen und natürlich seinen grünen Pullover.
Herr Biemann, Sie haben ein Buch über die Vorteile des Lesens geschrieben und wollen Kinder und Eltern dazu animieren, wieder mehr zum Buch zu greifen. Was ist Ihr Lieblingskinderbuch?
Christoph Biemann: Eines der Klassiker: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer. Und Jim Knopf und die Wilde Dreizehn natürlich. Der Autor Michael Ende ist einer meiner Favoriten.
Sind Sie eher Fan von fiktiven Geschichten oder von Sachbüchern?
Beides. Wobei ich fiktive Bücher vielleicht etwas vorziehe. Aber ich lese auch gerne Sachbücher.
Und was haben Sie Ihren Kindern am liebsten vorgelesen?
Zum Beispiel "Pu der Bär" von Alan Milne. Die Hörbuchversion, gelesen von Harry Rowohlt, war auch immer ein Hit. Und natürlich Jim Knopf. Mein Sohn heisst übrigens auch Lukas.
Benannt nach dem Buch?
(lacht) Nein, nein.
Im September ist "Buchstabenzauber" erschienen. Was hat Sie dazu bewegt, das Buch zu schreiben?
Mein Engagement fürs Vorlesen. Ich finde Vorlesen sehr wichtig, nehme auch am Vorlesetag teil. Das ist eine Sache, die Kinder sehr prägt und es ist auch einfach etwas Schönes, was man mit den Kindern gemeinsam macht.
Haben Ihre eigenen Eltern Ihnen auch vorgelesen?
Ja, mein Vater und meine Mutter haben mir beide gerne vorgelesen. Ich erinnere mich daran, dass es als Kind ein schönes Erlebnis war, von meinem Vater vorgelesen zu bekommen. Er war tagsüber arbeiten und erst abends zu Hause. Da hatten wir dann eine Stunde zusammen vor dem Zubettgehen.
Wie motiviert man Kinder zum Lesen?
Man muss ihnen zeigen, dass Lesen Spass macht, dass Lesen spannende Welten eröffnet und vor allen Dingen muss man den Kindern vorlesen. Was auch wichtig ist, ist, dass man sie mit Büchern aufwachsen lässt. Dass die Kinder sehen, dass auch die Eltern lesen.
In Ihrem Buch betonen Sie die Bedeutung des gedruckten Wortes. Eine Studie von 2019 zeigt, dass man sich Inhalte, die von Papier abgelesen wurden, besser merken kann als Inhalte in digitaler Form. Greifen Sie dennoch zu E-Books?
Ja, wenn ich unterwegs bin und zum Beispiel warten muss, greif' ich zu meinem Handy. Da habe ich eine Kindle-App drauf. Aber wenn ich wählen kann, nehme ich lieber das Buch aus Papier.
Obwohl Sie sich sehr stark für das Lesen einsetzen, sind Sie vor allem durch eine Fernsehsendung bekannt: "Die Sendung mit der Maus". Finden Sie, dass Lesen besser ist als Fernsehen?
Bei der "Sendung mit der Maus" kann ich das natürlich nicht sagen. Wir bemühen uns, dass die Zeit keine verlorene Zeit ist, sondern dass man etwas lernt und gut unterhalten wird. Davon abgesehen: Bei ganz kleinen Kindern sollte man das Fernsehen sowieso besser weglassen.
Hat sich Kinderfernsehen in den letzten Jahren stark geändert?
Es ist vielfältiger, das Angebot reichhaltiger geworden - aber nicht unbedingt besser. Es gibt aber auch viele gute Kindersendungen, was trotzdem keine Entschuldigung sein darf, seine Kinder vor dem Fernseher zu "parken". Dauerfernsehen tut keinem gut, egal was geschaut wird.
Was wäre denn Ihre Empfehlung für eine kindgerechte "Bildschirmzeit"?
Solange es ihnen guttut. Eine Stunde oder eineinhalb am Tag finde ich völlig in Ordnung. Sobald man merkt, dass andere Dinge vernachlässigt werden, wie zum Beispiel Sport, Lesen oder nach draussen gehen, sollten die Eltern eingreifen.
Von Fernsehverboten sind Sie kein Fan?
Nein, um Gottes Willen.
"Die Sendung mit der Maus" läuft nun schon seit fast 50 Jahren. Woran liegt es, dass sie noch immer so gut bei Kindern ankommt?
Meine Kollegen und ich machen die Sendung mit viel Herzblut. Wir haben grossen Spass daran und denken, wir können die Kinder super unterhalten, indem wir selber neugierig sind und diesen Spass an der Neugierde auch vermitteln.
Wird es nach all den Jahren manchmal schwierig, neue Ideen zu finden?
Nein, es gibt immer neue Themen. Man entdeckt immer wieder Sachen, die man nicht weiss oder die spannend sind. Wir haben etwa neulich einen Beitrag dazu gemacht, wie eine Bob-Bahn vereist wird und da gehört viel mehr dazu, als man anfangs meinen würde. (lacht)
Also lernen Sie auch selbst immer dazu?
Ja, auf jeden Fall. Meine Kollegen und ich sind von Beruf neugierig und das ist das Erfolgsrezept der Maus: Wir haben einfach Spass daran, die Sendung zu machen.
Wie kommen Sie denn auf die Themen, die in der Sendung besprochen werden?
Da kommt viel von den Kindern selbst. Wir haben die Aktion "Frag doch mal die Maus", bei der uns 75.000 Fragen zugesandt wurden. (lacht) Davon können wir noch viele Jahre zehren. Und es kommen immer neue dazu.
Stellen Kinder andere Fragen, als Erwachsene es tun?
Ja. Das sind oft Fragen, bei denen man sich wundert, warum man nicht selbst drauf gekommen ist. (lacht) Etwa: Warum ist in jedem Würstchen ein Knick? Warum malt man Sterne mit Zacken, wenn die doch eigentlich rund sind? Fragen, bei denen man sich denkt: "Huch - stimmt eigentlich."
Was war denn das schwierigste Thema, das Sie für die Sendung gemacht haben?
Das herausforderndste Projekt war die "Atom-Maus". Es war schwer zu erklären, wie Atomkraft funktioniert. Es geht um Strom, den man nicht sehen kann und Atome sind zu klein, um sie zu fotografieren. (lacht) Das war insgesamt eine schwierige Geschichte. Aber ich denke, wir haben es gut geschafft. Es war auch ein schönes Erlebnis, das fertige Produkt zu sehen - auch wenn es ein paar Jahre dauerte, bis es fertig war.
Dann sitzen Sie also an manchen Beiträgen längere Zeit?
Ja, auf jeden Fall. Manchmal zwei bis drei Jahre.
Und wie lange benötigen Sie im Durchschnitt?
Mit zwei Monaten pro Geschichte kann man schon rechnen. Es werden natürlich immer mehrere Geschichten parallel gemacht, aber das dauert seine Zeit. Und wir nehmen uns auch die Zeit.
Wie sind Sie denn eigentlich zu dem Job in der Sendung gekommen?
Ich habe an der Filmhochschule in München studiert und da hatten wir den "Vater der Maus" (Anm. d. Red.: Gert K. Müntefering) als Dozenten eingeladen. Wir haben seine Sendung fürchterlich verrissen. Dann meinte er: "Dann macht ihr das doch mal so, wie ihr das denkt." So bin ich zur Sendung gekommen.
Sie haben Sie also einfach gleich dort behalten?
Ja. (lacht) Erst habe ich als freier Mitarbeiter gearbeitet, dann zehn Jahre lang direkt bei Armin Maiwald und danach habe ich mich mit Delta TV selbstständig gemacht.
Werden Sie oft auf der Strasse erkannt?
Ja, viele erkennen mich. Wenn ich aber keinen grünen Pullover trage, dann eher weniger. Darum habe ich meistens auch keinen an.
Werden Sie oft von Erwachsenen angesprochen, die mit der Maus aufgewachsen sind?
Jaja, die sagen dann immer: "Mit Ihnen bin ich gross geworden." Und dann guck' ich immer, wie gross sie sind. (lacht)
Wie kam es denn eigentlich dazu, dass Sie immer diesen grünen Pullover getragen haben?
Das hängt mit der "Atom-Maus" zusammen. Ich wusste, dass da lange dran gearbeitet werden wird und dachte mir, dass ich immer das gleiche anhaben sollte, wenn gefilmt wird. Von den grünen Pullovern hatte ich zwei: Wenn einer in der Wäsche war, nahm ich den anderen. Das bürgerte sich im Laufe der Zeit ein. Und eines Tages liefen zwei Kinder hinter mir und der eine sagte: "Guck mal! Da ist der Christoph!" Und der andere antwortete: "Ja, und seinen grünen Pulli hat er auch an!" Da war klar, dass es ein Markenzeichen geworden war.
Zu guter Letzt die Frage, die sich wohl alle Fans der Sendung stellen – wer ist Ihr Favorit: die Maus, die Ente oder der Elefant?
Sagen Sie es nicht weiter, aber den Elefanten finde ich irgendwie lieb. Die Maus ist klug und vernünftig, aber der Elefant ist doch so ein Lieber. Aber natürlich mag ich alle drei.
Vielen Dank für das Interview.
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