Nach Protesten aus der linken Szene wurde Lisa Eckhart vom Hamburger Harbour Front Literaturfestival ausgeladen. Der Österreicherin wird vorgeworfen, rassistische und antisemitische Klischees zu bedienen. Der Tabubruch ist bei der eloquenten Österreicherin, die sich gerne in Designerkleidern und Pelzen zeigt, jedenfalls kalkuliert. Wir stellen sie vor.
Rücksichtnehmen ist nicht so die Sache von Lisa Eckhart. Die Kabarettistin provoziert mit fast jedem Satz, sie eckt an, politische Korrektheit ist ihr ziemlich egal.
"Wir haben Fortschritte gemacht in der Geschichte. Es kam die Industrialisierung. Das heisst, Menschen mussten nicht mehr schuften. Das machten fortan die Inder", sagte sie kürzlich in ihrem Bühnenprogramm: "Bald sind wir technologisch so weit, dass wir uns überhaupt nicht mehr bewegen müssen. Dann haben wir für alles Maschinen. Die sind noch besser als die Inder, die fangen nicht sofort an zu beten, wenn sie irgendwo eine Kuh sehen."
Teile des Publikums lachten laut, andere atmeten tief durch. Und so geht es bei Eckhart immer weiter, fast jede Pointe ist bitterböse, oft an der Grenze des Sagbaren. Oder auch darüber. Kritiker werfen der preisgekrönten Kabarettistin vor, rassistische und antisemitische Klischees zu bedienen.
Lisa Eckhart wird vom Harbour Front Festival ausgeladen
Im WDR kommentierte sie 2018 den Sex-Skandal um
Aktuell ist die 27-Jährige wieder in den Schlagzeilen, auf dem Hamburger Harbour Front Festival hätte sie eigentlich ihren Debütroman vorstellen sollen. Doch sie wurde nach Warnungen aus Hamburgs autonomer Szene wegen Sicherheitsbedenken wieder ausgeladen. Was angesichts der Einschränkung der künstlerischen Freiheit wiederum Kritik von anderer Stelle hervorrief.
"Was für ein Skandal! Der Protestmob auf der Strasse entscheidet also darüber, wer hier bei uns seine Kunst ausüben darf", schrieb Kabarettist
Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) kündigte Gespräche mit den Veranstaltern an.
Aufgewachsen bei den Grosseltern
Aber wer ist eigentlich die junge Frau, die auf der Bühne stets glamourös auftritt, ihren schlanken Körper mit Vorliebe in Designerkleider und echte Pelze hüllt und ebenso eloquent wie auf den Punkt mit ihrem österreichischen Zungenschlag und rollendem "R" spricht?
Geboren wurde Lisa Eckhart, die mit bürgerlichem Namen Lisa Lasselsberger heisst, in Leoben, einer 25.000-Einwohner-Stadt in der Steiermark. Die Mutter studierte noch auf Lehramt, als Eckhart am 6. September 1992 das Licht der Welt erblickte.
Deshalb wuchs Eckhart bei den Grosseltern in dem Dorf Sankt Peter-Freienstein auf. "Wenn man die Kindheit mit 70-jährigen Menschen verbringt, die verleugnen, dass es auch andere Kinder gibt, und man einen genetischen Defekt wegen seiner Grösse eingeredet bekommt, hinterlässt das schon Spuren. Damals habe ich gelernt, dass Lieben die unanstrengendste Form der Liebe ist, geliebt zu werden, das ist das Unangenehme", fasste Eckhart in typischer Eckhart-Manier ihre frühe Kindheit für die "Die Presse" zusammen.
Mit sechs Jahren ging es weiter zu den Eltern nach Graz, mit 17 dann alleine nach Paris. Sie studierte in der französischen Hauptstadt Germanistik und Slawistik, es folgten Studien-Aufenthalte in Wien und London, bevor Eckhart schliesslich nach Berlin und weiter nach Leipzig zog.
Erste Erfolge beim Poetry Slam
Eckhart, die Deutsch, Französisch, Englisch und Russisch spricht, zog es nach dem Studium auf die Bühne, sie wurde aber von mehr als 20 Schauspielschulen abgelehnt. Stattdessen probierte sie es bei Poetry Slams, wo sie schnell zu einer der erfolgreichsten Slammerinnen im deutschen Sprachraum wurde.
Dieser Einfluss ist ihren teilweise gereimten Texten bis heute anzuhören. Auch, wenn sie selbst nicht mehr als Slammerin gesehen werden will. Der Poetry Slam hänge ihr nach wie eine "nicht abgetrennte Nachgeburt", erzählte sie dem "Standard", wieder so ein typisches Eckhart-Zitat.
Um zu verstehen, wie Eckhart tickt, lohnt es sich, auf die Personen zu schauen, die sie als Einflüsse nennt. Da ist der extravagante österreichische Popstar Falco, der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe, die provokante Schriftstellerin Elfriede Jelinek und das cholerische Schauspielgenie
"Der war die perfekte Inkarnation von Kunst. Da weiss man, es gab keinen Moment, in dem er nicht Klaus Kinski war", sagte Eckhart dem "Standard": "Der kam nicht heim, setzte sich aufs Sofa und war auf einmal g'miatlich. Der konnte nicht raus aus sich."
Wo endet die künstlerische Freiheit?
Wie bei Jelinek oder Kinski ist auch Eckharts Kunst vulgär, blasphemisch und teilweise verletzend.
"Ich bin gegen Abschiebungen per Flugzeug. Das bedeutet eine Tonne CO2-Ausstoss pro Person. Und da kommt bei mir Umweltschutz vor Fremdenhass. Lasst sie lieber zu Fuss und ohne Proviant nach Hause gehen, sonst finden sie anhand des Mülls wie Hänsel und Gretel womöglich wieder den Weg nach Europa zurück", zitierte der "Tagesspiegel" eine Aussage aus ihrem Programm über Flüchtlinge.
Was gesagt werden kann und gesagt werden darf, wo künstlerische Freiheit und Meinungsfreiheit ihre Grenzen haben, wird in unserer Gesellschaft aktuell intensiv diskutiert. Lisa Eckhart lotet diese Grenzen konsequent aus.
Verwendete Quellen:
- Tagesspiegel: „Lisa Eckhart: Maulheldin in Versace“
- Die Presse: „Frauen werden zur Innenschau erzogen“
- Der Standard: „Lisa Eckhart: Vulgär mit Stil“
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