Durch Martin Suters jüngsten Roman tapst ein echter Elefant in Bonsai-Format und rosarot. Der Autor will Unterhalter sein, spielt Mundharmonika, hat ein Problem mit Agatha Christie und eine Wunde, die nie verheilt. Nun wird er 70.
Bei Schaltjahrkindern ist das mit dem Geburtstagfeiern so eine Sache. Der Schweizer Erfolgsautor Martin Suter ist eines: Siebzehneinhalb ist er, wenn man nach seinen echten Geburtstagen geht. Er kam vor 70 Jahren, am 29. Februar 1948, auf die Welt.
"Jedenfalls fühle ich mich anders, als ich mir mit 30 vorgestellt habe, wie man sich mit 70 fühlt", sagt er der Deutschen Presse-Agentur.
Eleganter Bonvivant mit Welterfolg
Seine 14 Romane sind in Millionenauflage erschienen, sie wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt und haben Suter zu einem der erfolgreichsten deutschsprachigen Gegenwartsautoren gemacht.
Und medial präsent: Talkshows, Buchmessen, Zeitungsinterviews - der elegante Schweizer mit den zurückgegelten Haaren ist überall.
Und er versprüht den stilsicheren Charme eines Bonvivants. Einer, der Champagner mag, edle Anzüge, und allgemein das gute Leben.
Der Dreh, den seine Riesenfangemeinde schätzt: Suters Figuren scheinen mitten aus dem Leben zu kommen, man glaubt, Nachbarn oder Kolleginnen zu erkennen.
Doch dann tun sich Abgründe auf, oder es passiert Wunderliches, und Suter entführt die Leser in eine verrückte Welt.
Kriminelle Machenschaften sind meist im Spiel, und mit seiner Krimiserie "Allmen" frönt Suter diesem Genre ganz besonders. Zu seinen Erfolgen gehören "Die dunkle Seite des Mondes" über einen Manager in der Lebenskrise, oder "Der Koch" über einen begabten Asylbewerber.
Suters Vorliebe für "das jüngste Kind"
"Elefant" heisst sein jüngstes Werk. Es handelt von Obdachlosen, ruchlosen Wissenschaftlern, Gentechnologie, und von einem rosaroten Elefanten, der nachts leuchtet.
Es gehört zu seinen Lieblingsbüchern, wie Suter werbeträchtig sagt. Im Moment zumindest. "Ich habe schon immer eine Vorliebe für das jüngste Kind gehabt", sagt er.
Die Dinge und sich selbst werbeträchtig zu verkaufen ist seine zweite Natur, oder besser gesagt, seine erste: Er war jahrelang erfolgreicher Werbetexter, mit eigener Agentur. Die Kampagne "Ich trinke Jägermeister, weil..." war seine Erfindung.
Nebenher schrieb er in einer Wochenzeitung eine Kolumne über Managermarotten ("die zweite erogene Zone der Manageridentität: der saftige alljährliche Bonus"), sowie Drehbücher und Liedertexte.
Das erste Buch, "Small World" über einen Mann mit Alzheimer, erschien kurz bevor er 50 wurde. Der Bestseller wurde 2010 mit Gérard Depardieu verfilmt.
Kritik an der eigenen Leistung
Er schätze die Lebenserfahrung vor seiner Schriftstellerei, sagt er. "Ich hatte früher eine Sprachverliebtheit, die meiner Art zu schreiben eigentlich nicht gut tut", sagt er.
"Als ich jünger war, da gab es bei Formulierungen oft eine Gedankenmodenschau, da sagten die Sätze dann: 'Schau mal, wie gut mein Herrchen schreiben kann.' Ich bin froh, dass mir da kein Roman gelungen ist."
Immer mal tönt bei Kritikern durch, er sei doch bloss ein Unterhalter, ein literarisches Leichtgewicht. "Leichtgewicht? Ich arbeite doch ständig daran, nicht so schwer zu werden", sagt er mit dem aus den Büchern vertrauten Humor.
Unterhalter? "Das nehme ich als Kompliment." Zur Kunst erhöhen will er die Schriftstellerei nicht.
"Ich habe mich immer gegen die Mystifizierung des kreativen Vorgangs gewehrt. Es ist Handwerk, das kann man entweder besser oder weniger gut. Für mich ist Schreiben ein kreativer Prozess am Schreibtisch."
Eine Wunde, die nie verheilt
Suter hat 22 Jahre in Guatemala und auf Ibiza gelebt. Nun ist er wieder in Zürich, weil seine kleine Tochter dort zur Schule geht. Sein Sohn erstickte 2009 im Alter von drei Jahren beim Essen. Das sei eine Wunde, die nie verheile, sagte er einmal.
Suter beginnt kein Buch, bevor er nicht das Ende genau geplant hat. "Das habe ich Agatha Christie immer übel genommen", sagt er. "Dass sie am Ende alle in einem Salon versammelt, und dann könnte jeder der Mörder gewesen sein."
Da müsse es im Text doch vorher versteckte Hinweise geben, es sei doch geschummelt, wenn plötzlich von Figuren die Rede sei, die vorher nie zur Sprache kamen.
Gerade tritt Suter mit dem Schweizer Chansonnier Stephan Eicher auf, für den er Lieder getextet hat. Eicher singt, Suter liest Geschichten vor und spielt Mundharmonika.
Ein neuer Roman sei aber auch schon "in der Werkstatt". Und ein neuer Allmen, für Ende des Jahres. Arbeitstitel: "Allmen und der Koi". Mehr verrät Suter nicht. © dpa
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