"Barbie" ist auf Rekordjagd. Bereits am ersten Wochenende nach Filmstart spielte der Streifen rund 350 Millionen Dollar in Kinos auf der ganzen Welt ein. Wie lässt sich dieser grosse Erfolg erklären?

Eine Analyse
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Selbst sehr junge Fans, die wohl eher mit Streaming gross geworden sind, strömen plötzlich ins Kino. Viele von ihnen kommen rosa und pink gekleidet zur Vorstellung. "Wer Barbiepink trägt, trägt eine Art Trikot und kauft sich Teilhabe", sagt Film- und Medienwissenschaftler Simon Frisch.

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Dass man einen Hype mitmachen möchte, sei erst einmal nichts Ungewöhnliches in der Unterhaltungsindustrie, so Frisch: "Als Fan ist man Teil einer kraftvollen Gruppe und Bewegung. Das gefällt übrigens nicht nur jungen Menschen."

Lorenz Engell, der Medienphilosophie an der Bauhaus-Universität Weimar unterrichtet, sieht das ähnlich: "Das Tolle bei 'Barbie' ist: Erwachsene verkleiden sich als das, was sie sowieso schon sind: Kinder in Kinderfarben mit Kinderseelen. Also Kinder, die Erwachsene spielen, die Kinder spielen."

Erwachsene verkleiden sich als das, was sie sowieso schon sind: Kinder in Kinderfarben mit Kinderseelen.

Diese Begeisterung kennt man zum Beispiel auch von "Star Wars". Hier gibt es laut Engell aber einen entscheidenden Unterschied: Bei "Star Wars" waren die Filme zuerst da, später folgten Konsumartikel und Merchandising in der realen Welt. Bei "Barbie" sei es genau andersherum: "Für viele heute erwachsene Menschen ist Barbie Teil ihrer realen Kindheit, also Teil ihrer Realität, weil es Puppen waren, mit denen sie gespielt haben", sagt Simon Frisch.

Der Film greife, wie Engell es ausdrückt, diese "real existierende Konsumwelt" auf und projiziere sie zurück in die reale Welt – mit der Farbe Rosa oder neuen Merchandise-Artikeln. "So entstehen vielschichtige und komplexe multimediale Universen, die eigentlich multimediale Marken sind", sagt Frisch: "Marketing wird hier vielleicht eine eigene Kunstform."

Marketing wird hier vielleicht eine eigene Kunstform.

"'Barbie' war bereits vorher eine starke Marke, und Mattel hat als zweitgrösster Spielzeughersteller nach Lego bereits eine perfekte Marketinginfrastruktur", sagt Frisch. Tatsächlich war und ist das mit 150 Millionen grosszügig angesetzte Budget für "Barbies" Marketing aufgegangen. Influencer berichten, Superstars liefern den Soundtrack, selbst Google erstrahlt bei Suchbegriffen wie Margot Robbie, Barbie oder Ryan Gosling in Rosa. Das Merchandise zum Film reicht von Puppen der Schauspielerinnen über das beliebte "Kenough"-Hoodie bis hin zu Parfum.

Nicht nur im Film, auch im realen Leben geht es um Konsum, Produkte, Dinge. Und das ganz unverhohlen. Das stösst auf Kritik. Auch der Feel-Good-Feminismus oder der Umgang mit Diversität im Film stösst manchen sauer auf. Zumal "Mattel" in der Vergangenheit vorgeworfen wurde, mit seiner Vielfaltskampagne – Barbies mit Prothese, Hautkrankheit, nichtbinär und in verschiedenen Körperformen – Diversität zu Geld machen zu wollen, nachdem es Jahrzehnte lang dünne, blonde Frauen als Inbegriff von Schönheit an Kinder verkauft hatte.

'Barbie' ist die Parodie der 'Barbie'-Welt. Rosa ist die Parodie auf Rosa.

In den Augen von Lorenz Engell greift diese Kritik beim "Barbie"-Film allerdings zu kurz: "An dem Barbie-Komplex prallt die traditionell aufgefasste 'Kritik' völlig ab. Er gibt ja gleich alles zu." Im Film, der von "Mattel" abgesegnet wurde, besteht zum Beispiel die oberste Riege des Unternehmens aus einem Haufen älterer weisser Männer. Im Abspann sind Bilder von besonders irritierenden Barbiepuppen zu sehen.

Der Film sei eine Parodie, in der das Parodierte und die Kritik daran zusammenfallen. Was ernst gemeint ist und was nicht, sei dann nicht mehr unterscheidbar: "Barbie ist die Parodie der Barbie-Welt. Rosa ist die Parodie auf Rosa."

Und von dieser Kontroverse, die so alt ist wie die "Barbie"-Puppe selbst – nämlich 64 Jahre – lebt der Film. "Barbie ist komplex und irritiert", sagt Frisch, "zum Beispiel, wenn es um Ideologien oder feministische Positionen geht – und ganz offensichtlich auch bei klassischen Unterscheidungen von ernster Kultur und Unterhaltungskultur."

Greta Gerwig nimmt das 'Barbie'-Universum ernst.

Die Vision, die Regisseurin Greta Gerwig für den Film hatte, scheint zu funktionieren. "Sie nimmt das Barbie-Universum ernst und hat sehr sorgfältig mit Schauspielern, an der Dekoration und am Drehbuch gearbeitet", sagt Filmwissenschaftler Frisch. "Das gibt dem Film eine handwerkliche Dimension, die überzeugt."

Die Meinungen über den "Barbie"-Film gehen auseinander. Das zeigen die Diskussionen in Podcasts, Sendungen und Artikeln zum Film. "Die Kontroverse setzt sich fort, die Kommentatoren sind sich oft uneinig. Der Diskurs zu 'Barbie' ist von grosser Breite, sodass er in sich widersprüchlich und vielfältig ist. Das macht ihn so spannend."

Über die Personen:
Lorenz Engell ist Medienwissenschaftler und Dekan der Fakultät Medien an der Bauhaus-Universität Weimar. Simon Frisch ist ebenfalls an der Bauhaus-Universität Weimar als Dozent im Bereich Film- und Medienwissenschaft tätig.

Verwendete Quellen:
Schriftliches Interview mit Lorenz Engell und Simon Frisch


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