- Dutzende deutsche Film- und Fernsehstars haben ihrem Frust über die Corona-Politik in ironischen Videos Luft gemacht.
- Doch die Aktion #allesdichtmachen stösst auf beissende Kritik - auch bei Schauspielkollegen.
- Jan Josef Liefers hat sich als Beteiligter der Aktion mittlerweile klar von Querdenkern und der AfD distanziert.
- Auch Heike Makatsch distanzierte sich nun auf Instagram von der Aktion.
Rund 50 prominente Film- und Fernsehschauspieler sorgen mit einer grossangelegten Internetaktion unter dem Motto #allesdichtmachen für Aufsehen. Künstler wie
Andere prominente Schauspielkollegen reagierten entsetzt.
Die Hashtags #allesdichtmachen, #niewiederaufmachen und #lockdownfürimmer wurden am Abend binnen kurzer Zeit zu den am meisten verwendeten bei Twitter in Deutschland.
Wie die Aktion koordiniert wurde, war zunächst nicht bekannt. Nach "Spiegel"-Informationen steckt die Münchner Firma Wunder Am Werk GmbH hinter der Aktion. Das bestätigte Geschäftsführer Bernd K. Wunder auf Anfrage des "Spiegel". Er wird mit dem Satz: "Das ist Kunst" zitiert; weiter wollte er sich offenbar nicht dazu äussern.
Schauspieler kommentieren Corona-Politik mit ironischem Unterton
"Schliessen Sie ausnahmslos jede menschliche Wirkungsstätte und jeden Handelsplatz", fordert etwa Tukur die Bundesregierung auf. "Nicht nur Theater, Cafés, Schulen, Fabriken, Buchhandlungen, Knopfläden nein, auch alle Lebensmittelläden, Wochenmärkte und vor allem auch all die Supermärkte."
Ulrich Tukurs Beitrag zu #allesdichtmachen
Und er fügt hinzu: "Sind wir erst am Leibe und nicht nur an der Seele verhungert und allesamt mausetot, entziehen wir auch dem Virus und seiner hinterhältigen Mutantenbagage die Lebensgrundlage."
Liefers bedankt sich in seinem Clip mit ironischem Unterton "bei allen Medien unseres Landes, die seit über einem Jahr unermüdlich verantwortungsvoll und mit klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er hingehört, nämlich ganz, ganz oben."
Scharfe Kritik an der Aktion – auch von Schauspielkollegen
In den sozialen Medien stiess die Aktion teilweise auf begeisterte Zustimmung, aber vor allem bei Prominenten auch auf sehr heftige Ablehnung.
"Die Schauspieler*innen von #allesdichtmachen können sich ihre Ironie gerne mal tief ins Beatmungsgerät schieben", twitterte Moderator Tobias Schlegl, der auch als Notfallsanitäter ist.
Schauspieler Marcus Mittermeier kommentierte: "Niemand hat mich gefragt, ob ich bei #allesdichtmachen mitmachen will. Gott sei Dank!" Der Pianist Igor Levit twitterte: Die stumpfeste Waffe gegen die Pandemie sei "schlechter, bornierter Schrumpfsarkasmus, der letztendlich bloss fader Zynismus ist, der niemandem hilft. Nur spaltet."
Der Grünen-EU-Abgeordnete Erik Marquardt kritisierte, er finde die Aktion schlecht und "sehe sie als Ausdruck einer zunehmenden Resignation von eigentlich Vernünftigen".
"Mit Zynismus ist doch keinem geholfen"
Weitere prominente Schauspieler mischten sich via Instagram in die Diskussion ein. Elyas M'Barek schrieb: "Mit Zynismus ist doch keinem geholfen." Jeder wolle zur Normalität zurückkehren, und das werde auch passieren.
Hans-Jochen Wagner nannte die Aktion peinlich. Er verstehe sie nicht, schrieb der Schauspieler, der an Liefers gerichtet fragte: "Das kann doch nicht Dein Ernst sein." Nora Tschirner warf den Machern der Clips Handeln aus Langeweile und Zynismus vor.
Christian Ulmen fühlte sich sogar an den rechten Verschwörungserzähler Ken Jebsen erinnert: Dieser "hätte es nicht schöner sagen können".
Satiriker Jan Böhmermann hielt der Aktion bei Twitter entgegen, das einzige Video, das man sich ansehen solle, "wenn man Probleme mit Corona-Eindämmungsmassnahmen hat", sei die ARD-Doku aus der Berliner Charité mit den Titel "Station 43 – Sterben". Dazu stellte er den Hashtag #allenichtganzdicht und einen weinenden Smiley.
Medienjournalist Stefan Niggemeier vom Onlinemagazin "uebermedien.de" schrieb von "ekliger Ironie" und einem "Dammbruch", der zugleich der "grösste Erfolg der Querdenkerszene bisher" sei.
Jan Josef Liefers distanziert sich von Querdenkern und der AfD
Als Reaktion auf die an der Aktion geäusserten Kritik distanzierte sich Jan-Josef Liefers später klar von Verschwörungstheorien und der Querdenker-Bewegung. "Eine da hinein orakelte, aufkeimende Nähe zu Querdenkern u.ä. weise ich glasklar zurück", schrieb der 56-Jährige auf Twitter.
"Es gibt im aktuellen Spektrum des Bundestages auch keine Partei, der ich ferner stehe, als der AfD. Weil wir gerade dabei sind, das gilt auch für Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker, Corona-Ignoranten und Aluhüte. Punkt."
Makatsch distanziert sich: Wollte Leid durch Corona nicht schmälern
Auch Heike Makatsch hat sich als Beteiligte der Aktion zu Wort gemeldet und sich von "rechtem Gedankengut" distanziert. Sie habe mit ihrem Video-Beitrag durch Kunst und Satire versucht, die Veränderung in der Gesellschaft aufzuzeigen und Raum für kritischen Diskurs zu schaffen, wie sie auf Instagram schreibt. "Wenn ich damit rechten Demagogen in die Hände gespielt habe, so bereue ich das zutiefst."
Auch habe sie niemals das Leid der Corona-Erkrankten und ihrer Angehörigen schmälern oder sie mit ihrem Beitrag verletzen wollen. Dazu postete sie den Hashtag #womöglichgescheitert.
Beifall von Maassen und AfD-Politikern
Beifall gab es dagegen vom früheren Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maassen, der die Aktion auf Twitter "grossartig" nannte.
Der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit sprach von einem "Meisterwerk", das "uns sehr nachdenklich machen" sollte. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Joana Cotar twitterte: "Das ist intelligenter Protest." Sie feiere
Die Kunst- und Kulturszene leidet seit mehr als einem Jahr schwer unter den Corona-Massnahmen. Laut dem Bundesverband Schauspiel (BFFS) etwa haben viele der Schauspielerinnen und Schauspieler in Deutschland seit März 2020 kaum Einkommen.
Dem Verband zufolge leben zwei Drittel bis drei Viertel aller Schauspielerinnen und Schauspieler von Gastverpflichtungen an Theatern, die aktuell nicht oder kaum arbeiten können. In Deutschland gibt es insgesamt etwa 15.000 bis 20.000 Schauspieler. (dpa/thp)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.