• Jedes Kind und wohl die meisten Erwachsenen in Deutschland dürften seine Wimmelbücher kennen.
  • Ali Mitgutsch hat mit seinen Werken ein eigenes Genre erschaffen.
  • Nun ist der Münchner Künstler im Alter von 86 Jahren gestorben.

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Ali Mitgutsch hat Kindern in aller Welt ein Geschenk gemacht: seine Wimmelbücher. Ohne Worte und farbenfroh erzählen sie seit Jahrzehnten wunderbare Alltags-Geschichten. Aus dem Schwimmbad, vom Bauernhof, aus den Bergen oder aus der Stadt. Ein zeitloses Panoptikum des Lebens, voller Freuden, Bosheiten und Missgeschicken. Später schuf er Kunst für Erwachsene und arrangierte Gegenstände in Objektkästen. Nun ist der Münchner Künstler tot. Am Montagabend sei er im Alter von 86 Jahren gestorben, teilte sein Freund und Biograf Ingmar Gregorzewski der dpa mit, nachdem zuvor auch der Ravensburger-Verlag darüber berichtet hatte.

Menschen jeden Alters lieben Mitgutschs Bücher - bis heute, auch wenn manches inzwischen etwas aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Bagger, Traktoren und Autos sehen heute ganz anders aus als vor mehr als 50 Jahren, als die Bücher in die Kinderzimmer einzogen. Doch altmodisch wirken sie keineswegs, denn das Zwischenmenschliche darin hat sich nicht verändert. Bis heute sind Menschen schadenfroh, boshaft, verbissen, enttäuscht, neugierig und vergnügt.

Futter für seine Bilder bekam Mitgutsch auf Streifzügen durch die Stadt, vor allem durch sein geliebtes Schwabing. "Dazu habe ich stets einen kleinen Block und einen Stift dabei und zeichne flink Skizzen, mit denen ich dann später arbeite", sagte er mal im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Mutter prägte mit ihren Erzählungen den jungen Mitgutsch

Schon als Kind war der am 21. August 1935 in München geborene Mitgutsch ein guter Beobachter, mit feinem Gespür für Stimmungen und Befindlichkeiten. Auch sein Talent fürs Zeichnen zeigte sich früh. Doch das Leben war hart: Der Zweite Weltkrieg, Heimatlosigkeit, Hunger und bittere Not prägten seine Kindheit. Sein geliebter grosser Bruder fiel in Russland an der Front.

Was ihn in dieser schweren Zeit besonders faszinierte, waren die Geschichten seiner Mutter. Sie konnte ihren Kindern zwar kein wohlhabendes Elternhaus bieten, dafür aber ihre reiche Fantasie. "Sie hüllte uns regelrecht ein mit ihren Worten, und wir gaben uns ihnen ganz und gar hin und fühlten uns darin geborgen", schrieb Mitgutsch in den Kindheitserinnerungen "Herzanzünder". "Egal wie steil der Weg war, ob grosse Hitze oder bittere Kälte herrschte oder von welcher Not unsere kleine Familie gerade heimgesucht wurde - Mutter behütete uns auf ihre ganz eigene Art mit ihren Geschichten und lockte uns mit ihnen in eine andere, wundersame Welt."

Ein prägendes Erlebnis: die Fahrt auf dem Riesenrad auf dem Münchner Jahrmarkt Auer Dult, eine seltene Freude für Ali und seine Schwester. Was der Junge aus der Gondel sah, faszinierte ihn. "Es waren Bilder mit vielen Details, es passierte so viel gleichzeitig, die Geschichten gingen nicht aus: Menschen liefen über den Platz, kamen zu Gruppen zusammen, lösten sich wieder auf, Kinder jagten hintereinander her, Karren wurden gezogen, eine Frau sammelte ihren Einkauf vom Pflaster und ein Junge kletterte einen Laternenpfahl hinauf", erinnerte sich der spätere Student der Graphischen Akademie.

Erstes Wimmelbuch erschien im Jahr 1968

Das Riesenrad findet sich im ersten Wimmelbuch "Rundherum in meiner Stadt" von 1968. "Die Aufsicht auf Dinge und Situationen blieb für mich ein Leben lang ein spannendes Thema: Sie wurde die Perspektive all meiner Wimmelbilder." Mehr als 70 Bücher, Poster und Puzzles entstanden, darunter viele Wimmelbücher. Allein in Deutschland wurden mehr als fünf Millionen Bücher verkauft, im Ausland mehr als drei Millionen.

Sie bestechen durch farbenfrohe Fröhlichkeit und den ironischen Blick auf Kleinigkeiten und menschliche Schwächen. Ein Mann rutscht auf einem Kuhfladen aus, beobachtet von einem Mädchen, dass schadenfroh lacht. Ein Anderer räkelt sich im Freibad in der Sonne, nicht ahnend, dass ihn bald ein kalter Wasserguss treffen wird. Dem Lauser, der diesen Angriff plant, steht freudige Bosheit ins Gesicht geschrieben. Und was passiert dann? Schon kleine Kinder spinnen die Geschichten gerne weiter - genau das wollte der Zeichner erreichen: "Meine Wimmelbücher sind gemacht, um die Kinder in die Gärten der Fantasie zu führen, dass sie selber weitermachen." (dpa/fra)

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