"You're in such good shape", sagt Donald Trump zu Brigitte Macron im Élysée-Palast. Ein harmloses Kompliment? Keinesfalls. Zu diesem Urteil kommt Ethik-Experte Rainer Erlinger im Gespräch mit der Redaktion - und erklärt, wieso diese Aussage Sinnbild eines erschütternden Frauenbildes ist.
Mit seinem Benehmen - besonders gegenüber Frauen - hat der Präsident der Vereinigten Staaten schon oft für Schlagzeilen gesorgt.
Beim Besuch in Paris sagte Donald Trump nun zur französischen Première Dame Brigitte Macron: "Wissen Sie was? Sie sind in einer so guten Verfassung".
Wörtlich: "You're in such good shape".
Nicht als Kompliment zu verstehen
Ein vermeintliches Kompliment, das bei näherer Betrachtung allerdings ganz und gar nicht als solches zu verstehen ist, wie Rainer Erlinger erklärt.
Der Autor und Kolumnist des "Süddeutsche Zeitung Magazin" schreibt wöchentlich zu Ethik-Themen und hält Vorträge zu gesellschaftlichen Fragestellungen.
"Der Kommentar ist nicht nur auf der zeremoniellen Ebene deplatziert", erklärt der Autor.
Auch im alltäglichen, persönlichen Umgang sei diese Aussage nicht schmeichelhaft zu verstehen.
Dafür führt Erlinger zwei Gründe an, wieso sich
Bedeutung 1: "Sie haben so eine gute Figur"
"Das ist problematisch, weil er eine Frau damit eindeutig hinsichtlich ihrer sexuellen Attraktivität beurteilt - und das auch noch öffentlich kundtut", so Erlinger.
Damit stelle er Macron als Sexualobjekt dar. Mehr noch: Er stelle sie als Objekt seiner sexuellen Begierde dar. Aus dem vermeintlichen Kompliment wird damit eine abwertende Aussage.
Bedeutung 2: "Sie haben sich gut gehalten"
Seine Bemerkung ziele auf die Diskussion um den grossen Altersunterschied zwischen Emmanuel Macron (39) und seiner Ehefrau Brigitte Macron (64) ab. "Vor dem Hintergrund, dass man von Trump weiss, dass er eher eine Schwäche für jüngere Frauen hat, wird es umso deutlicher, dass er sie auf ihr hohes Alter hinweisen möchte", so Erlinger.
Trump sei überrascht, dass eine Frau in diesem Alter noch so aussehen könne. In anderen Worten könne man sagen: "Für ihr Alter sehen Sie aber gut aus!". "Ein vergiftetes Kompliment", schliesst der Ethik-Experte.
Wie Trump es gemeint haben könnte, könne man abschliessend aber nicht sagen. "Er ist ja zugegebenermassen kein Künstler der Sprache", so Erlinger. Der Kommentar "You're in such good shape" müsse vor dem Hintergrund beurteilt werden, dass Trump nicht als feinsinniger Mensch gelte: "Der sieht eine Frau mit einer guten Figur und sagt, was er denkt", mutmasst Erlinger.
Aussage zeichnet erschütterndes Frauenbild
"Trump ist wahrscheinlich einfach der Meinung, dass wenn er einer Frau so etwas sagt, hat sie das als Kompliment zu verstehen", sagt der Ethik-Experte. In Trumps Kosmos sei dieses Verhältnis zwischen Männern und Frauen anerkannt: Der Mann sei in diesem Rollenbild der Starke, die Frau die Schöne.
Daher könne es sein, dass Trump es als Kompliment gemeint habe, was "eigentlich fast noch erschreckender wäre", so Erlinger.
Mit solchen Aussagen mache der gewählte Präsident der Vereinigten Staaten dieses alte Rollenbild wieder salonfähig.
"Trump denkt womöglich, die Frau findet das gut, wenn sie zum Sexobjekt gemacht wird." Das sei zwar weniger böse gemeint von ihm - aber aus gesellschaftlicher Sicht fast noch schlimmer: Es manifestiert eine rückständige Rolle der Frau, die auf ihr Äusseres reduziert und als Objekt dargestellt wird.
Wie hätte es Trump besser machen können?
"Sie sehen sehr gut aus", sei ein mögliches Kompliment. Allerdings nur im alltäglichen Umgang und auch dort sei diese Aussage an der Grenze. "Man könnte darüber streiten, ob ein Mann überhaupt das Recht hat, über das Aussehen einer Frau zu urteilen, weil dadurch eine Objektifizierung stattfindet", gibt Erlinger zu bedenken.
Und wie kann nun Brigitte Macron reagieren? "Im Endeffekt kann man das nur weglächeln", schliesst Erlinger. Oder sie könne antworten: "Sie sehen für Ihr Alter aber auch gut aus", was Trump vermutlich extrem kränken würde.
Wenn man sich auf Trumps Ebene begibt, kann man laut Erlinger jedoch mit Recht behaupten, dass sich der US-Präsident auch nicht so gut gehalten hat wie die Première Dame.
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