Während die herkömmliche MBFW letzte Woche nach drei Tagen ihr Showpulver verschossen hatte, erste Fashion-Blogger ihre Saturday-Night-Fever-Outfits und Plateauschuhe wieder gegen Röhrenjeans und Hoodies eintauschten und in die Flixbusse zurück in ihre Heimatorte stiegen und die Mode-Paparazzi von den Fachmagazinen langsam den Eindruck bekamen, Toni Garrn oder Kendall Jenner würden wohl eher nicht mehr kommen, hält die AYFW jetzt schon seit Samstag durch. Satte vier Tage bereits – und noch ist nicht Schluss.

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Am Dienstag steht der Vormittag im Kraftwerk erstmal im Zeichen der drei Streifen. Also, keine drei Einheiten der Berliner Polizei samt Dienstwagen, sondern der Sportartikel-Gigant aus der Modemetropole Herzogenaurach.

Das Traditionsunternehmen, auf das Deutschland so stolz ist, dass RTL ihm und seinem Nachbarn Puma sogar mal einen Spielfilm gewidmet hat, ist für internationalen Erfolgssport bekannt. So laufen etwa im internationalen Spitzen-Fussball Teams wie der FC Bayern München, Real Madrid, Juventus Turin oder Manchester United in Trikots mit der Pyramide auf. Und halt noch der HSV.

Nachdem am Vorabend die Sportsfreunde von Levi´s den Catwalk in eine Rock-Rap-Performance verwandelt hatten, wollte sich auch die Lieblingsmarke von Lothar Matthäus nicht lumpen lassen und schickt neben der R&B-Sängerin Nina Chuba auch noch die Künstlerin Leyla Fischer auf den Laufsteg, die aber nicht in erster Linie sportliche Kleiderlinien präsentiert, sondern Farblinien. Fischer erschafft live während der Show ein Gemälde.

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Wohnt Trixi Giese im Kraftwerk?

Natürlich findet sich auch wieder eine stattliche Anzahl Promis am Red Carpet ein, die sich aus erster Hand über die Fashion-Ideen der Sportmodemacher aus dem Landkreis Erlangen-Höchstadt informieren möchten. Darunter Kayla Shyx, Toni Mahfud oder Nic Kaufmann. Und auch wieder Trixi Giese, bei der ich inzwischen davon ausgehe, dass sie im VIP-Bereich der AYFW ein Iglozelt aufgebaut hat und diese Woche einfach alle Shows und Afterpartys mitnimmt und sich dann einfach oben kurz ein paar Stunden hinlegt.

Eine kurze Showpause und einige interessante Gespräche mit der Influencer-Bubble später räumt adidas dann für Esprit das Feld. Oder besser den Laufsteg. Die Influencer-Szene ist ein interessantes Biotop unterschiedlichster Charaktere. Anders als etwa in der Anwalts-, Broker- oder Chirurgenszene ist für nachhaltigen und überdurchschnittlichen Erfolg hier ja kein langjähriges Studium mit entsprechenden Leistungsnachweisen notwendig.

Jeder kann Caro Daur werden – also jetzt mal theoretisch. Praktisch ist das nicht ganz so einfach. Denn auch wenn Caro Daur jetzt nicht täglich im OP per spektakulärer Herz-OP Menschen rettet, darf man trotzdem nicht vergessen: Wäre es so einfach, das zu machen, in der Art und Weise, wie Caro Daur es macht, gäbe es ja nicht eine Caro Daur, sondern vermutlich einige Hunderttausend. Das wäre zwar interessant, aber auch ziemlich eng in den Front Rows der Fashion Weeks in Paris oder Mailand. Berlin, das darf man ihr nicht übelnehmen, ist Caro Daur nämlich irgendwie schon ein wenig entwachsen.

Ich traf sie irgendwo, allein am Bahnhof Zoo, Maaaaaarinaaaaa

Ich bin, das ist in den vergangenen Tagen wohl mehr als deutlich geworden, Berlin noch nicht entwachsen. Vor allem weil ich zu interessanten Side-Events wie dem von Montblanc nicht mal eine Einladung erhalten habe, während Caro Daur vermutlich 30 aus der Kategorie höflich in den Mail-Papierkorb verschoben hat. So stehe ich also hier, umringt von einem Pulk Influencer-Grössen, die gestern noch "Marina ist die Beste" kreischend durch den Betonbunker an der Köpenicker Strasse geeilt sind.

Nur einen Tag später fragen sie mich plötzlich, ob Marina Hoermanseder es "wohl nötig hat, jetzt mit AboutYou auf Masse zu gehen" denn "echte Designer machen das doch eigentlich nicht". Nun, jetzt bin ich weder ein "echter Designer" noch AboutYou. Klar ist, es gibt eine ganze Reihe Designer, auch in Berlin, die sich eher auf der Fashion Week New York sehen als in einem Online-Shop, in dem sie dann neben Labels wie Vero Moda, Only oder Mango stehen. Die wenigsten von diesen Designern schaffen es allerdings nach New York, das ist auch eine der eher bittereren Wahrheiten der Modebranche.

Ich weiss nicht, wie viele Pieces Marina Hoermanseder letztes Jahr verkauft hat – woher auch, ich bin ja nicht ihre Steuerberaterin – und wie viele mehr es nun durch diese AYFW-Kooperation werden. Was ich aber weiss: 99 von 100 Designern, die mit hohen Erwartungen, grossen Träumen und auch viel Talent in die Branche starten, enden letztendlich als Taxifahrer.

Dort erzählen sie ihren Fahrgästen dann mit all ihrem Reststolz, die fancy Jacke, die sie tragen, hätten sie selber geschneidert. Sie zermartern sich Abend für Abend den Kopf, warum Wolfgang Joop seit Jahrzehnten Erfolg in der Mode hat und sie nicht mal zehn Minuten. Berlin ist gepflastert mit Designern, die den Durchbruch ganz knapp verpasst haben und sich vermutlich für eine Kooperation mit AboutYou ein Bein ausreissen würden.

Celine Bethmann vs. Celine Beinmann

Viel Zeit für die Instagram-Hobby-Philosophinnen, ihre Fachkenntnisse über die wirtschaftlichen Hebelwirkungen in der Fashion-Industrie auszutauschen, bleibt zum Glück nicht, denn dann beginnt die Esprit-Show. Der Modekonzern stellt seinen Auftritt unter das Motto "Freedom of Mind" und möchte damit dazu inspirieren, sich von äusseren Einflüssen zu befreien. Auch hier auf dem Runway: GNTM-Finalistin Soulin Omar, die sich bereits in ihrer ersten Saison nach der diesjährigen Staffel aus dem Modelinternat um Herbergsmutti Heidi Klum als feste Grösse auf diversesten Laufstegen etabliert hat.

Draussen vor der Halle wühlen sich die Fotografen wieder durch Instagram-Accounts, um irgendwie festzustellen, wer die ganzen neuen TikTok-Gesichter wohl sind, die zuweilen gigantische Followerzahlen haben, aber abseits der Szene, in der man gerne Lip-Syncs zu bekannten Filmszenen mit sich selber nachdreht oder seinen Boyfriend mit "Pranks" aus der Reserve lockt, gegen deren Authentizität eine Folge "Berlin Tag und Nacht2 das Burgtheater ist, niemand kennt. Da verlässt man sich im Hinblick auf mögliche Abnehmer in den Print-Redaktionen der Promi-Magazine dann letztendlich doch lieber auf Altbewährtes.

Betty Taube zum Beispiel ist da und auch der inoffizielle Dubai-Botschafter Sami Slimani. Ähnlich wie schon am Vorabend bei Levi´s ist erneut Ex-GNTM-Model Celine Bethmann (Gewinnerin 2017) die wohl meistfotografierte Gästin, wie man jetzt wohl neudeutsch durchgendern muss, wenn man eines Tages noch mal eine eigene Mode-Talkshow bei den Öffentlich Rechtlichen moderieren möchte. Verwunderlich ist das natürlich nicht, denn Celine hat alleine so lange Beine, dass ich mühelos dazwischen durchlaufen könnte. Mit Klaas Heufer-Umlauf auf den Schultern.

Bonsoir Berlin

Der Höhepunkt des Dienstags ist dann der Versuch von Guido Maria Kretschmer, Paris nach Berlin zu bringen. Also jetzt nicht Paris Hilton, denn die macht ja gerade Wahlkampf für Philipp Jessen, sondern das Flair der Stadt der Liebe. Ich begebe mich also auf einen abendlichen Spaziergang durch Paris mit Guido Maria Kretschmer. "PARIS?", schreit da der aufmerksame Fashion-Week-Kolumnenleser zurecht. Wir sind doch in Berlin! Korrekt. GMK allerdings, so nennt man Guido Maria Kretschmer, wenn das ständige Ausschreiben von Guido Maria Kretschmer zu viele Zeichen verbraucht, verwandelt das Kraftwerk in eine lauschige Sommernacht in Paris.

Per Projektion landen Strassenzüge aus der Stadt der Liebe an den Betonwänden des Modebunkers. Am Catwalk verteilt stehen Jugendstilbänke, ein wenig wie im Jardin du Luxembourg. Guido bringt einen Hauch von Paris nach Berlin und tatsächlich fühlt es sich für ein paar Minuten so an, als würde man zwischen der Galerie Lafayette, der Rue Saint-Honoré, dem Palais Royal, der Seine, dem Marais, dem Rive Gauche, dem Boulevard Saint-Michel und den Tuilerien hin und her flanieren.

Fast meint man, frische Croissants und die Hochnäsigkeit Pariser Oberkellner zu riechen, das Savoir-Vivre zu spüren und die modische Eleganz der Pariser Frauen zu fühlen. Dieses Little Paris an der Spree lassen sich natürlich auch die Schönen und Reichen der Nation nicht entgehen. Und dann entdecke ich auch noch Verona Pooth, Frauke Ludowig, Natascha Ochsenknecht, Natalia Wörner sowie den Berliner Oberbürgermeister Michael Müller am Berliner Arc de Triomphe.

Sehr auf den Sehnsuchtsort aller Modefans Paris getrimmte Shows und Konzepte gehen oftmals in die Hose, wie der Volksmund so sagt. Vor allem, wo der geniale Karl Lagerfeld mit seinen Fashion-Week-Installationen im Grand Palais für Chanel Jahr für Jahr die Messlatte für ein kleines Stück Paris in einer Halle voller Zuschauer und Models ziemlich hoch gelegt hat. Bei Versuchen, diese Atmosphäre zu kopieren, sind schon viele gescheitert.

Eine Baskenmütze macht eben noch keine Champs-Élysées. Man wird ja auch nicht plötzlich zu Al Pacino, weil man sich im Supermarkt eine "American Style"-Tiefkühlpizza kauft. Guido Maria Kretschmer allerdings gelingt es tatsächlich, den französischen Schick der Strassen um den Place Vendôme in eine lässig tragbare Alltagsmode zu transportieren. Staunend notiere ich mir Outfit nach Outfit, das ich wirklich wunderbar finde. Guido – toll! Und leg mir bitte von jedem Piece eins zurück!

Lesen Sie hier Marie von den Benkens Fashion-Week-Tagebuch:

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