TV- und Sternekoch Christian Henze ist überzeugt: Genuss und Gesundheit schliessen sich nicht aus. Im Gegenteil: Der vierte Band seiner Buchreihe "Feierabend-Blitzrezepte" trägt den Titel "Gönn dir was!" Im Interview mit unserer Redaktion räumt der 56-Jährige mit einigen Ernährungsmythen auf – und erklärt, wer für ihn der "TV-Gott" unter den Fernsehköchen ist.
Herr Henze, sich etwas zu gönnen, entspricht nicht unbedingt dem aktuellen Gesundheitstrend. Warum schwimmen Sie gegen den Strom?
Christian Henze: Ich beschäftige mich sehr viel mit gesunder Ernährung und dem aktuellen Lifestyle der Kulinarik. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass ganz viele Ernährungsmythen und erhobene Zeigefinger grassieren. Wir bekommen immer nur gesagt, was wir alles nicht dürfen. Demnach sollten wir nach 18 Uhr bloss nichts mehr essen sowie grundsätzlich auf Fett und Kohlenhydrate verzichten. Meines Erachtens muss das doch auch anders gehen. Der gesunde Menschenverstand sollte im Vordergrund stehen.
Sind Ihre "Blitzrezepte" ungesund?
Nein, natürlich sind meine Rezepte nicht ungesund. Sie sind auch nicht hochkalorisch. Aber ich gebe auch mal das Löffelchen Crème fraîche mit dazu oder mache zum Beispiel einen Wasabi-Dip, der eben auch Mayonnaise enthält. Wir dürfen uns auch mal etwas Gutes tun und uns des Lebens freuen. Meine Rezepte sollen dazu ermutigen, ganz einfach, unkompliziert und mit wenigen Zutaten so zu kochen, dass es unfassbar geil schmeckt. Das verstehe ich unter "Gönn dir was!".
Sternekoch stellt klar: "Die Dosis macht das Gift"
"Gesund gönnen" ist also kein Widerspruch?
Überhaupt nicht. "Gesund gönnen" geht wirklich. Die Dosis macht das Gift. Natürlich empfehle ich nicht, dass man meinen Kaiserschmarrn mit Krokant oder meinen Pancake-Tower jeden Tag essen sollte. Aber wenn man so etwas zubereitet, dann muss es auch richtig lecker sein und Freude bereiten. Ich bin lediglich derjenige, der die Ideen konzipiert.
Und diese Ideen geben Sie in Ihren Büchern weiter. Fühlen Sie sich da nicht manchmal wie ein Zauberer, der seinen Trick verrät?
Tatsächlich wird mir diese Frage häufig gestellt, da ich zu den Kochbuch-Autoren gehöre, deren Bücher im deutschsprachigen Raum mit am meisten verkauft werden. Ich kann Ihnen aber sagen: Natürlich fällt es mir nicht schwer, die Rezepte mit anderen Menschen zu teilen. Es gibt kein Geheimnis, das zurückgehalten wird.
Selbst auf die Gefahr hin, dass Sie kopiert werden?
Das finde ich sogar toll. Meine Frau weist mich auch immer wieder darauf hin, dass meine Rezepte zum Beispiel von Influencern kopiert werden. Damit ist die Hierarchie ganz klar: Ich darf die Ideen-Maschine sein – und darauf bin ich stolz. Im asiatischen Raum wird das mit dem Wort "Kaizen" beschrieben, was so viel bedeutet wie "Kopieren von den Besten". Ich sehe mich schon als kulinarischen Trendsetter.
Ernährungsmythen: Warum Fett per se nicht fett macht
Wie gehen Sie mit negativen Kommentaren um? Die Empfehlung "Gönn dir was!" wird nicht jedem schmecken.
Kommentare dieser Art gibt es immer wieder. Zum Teil sind diese aber so massiv, dass sie nicht wirklich glaubwürdig sind. Hellhörig werde ich eher, wenn die Reaktionen nett formuliert sind und Substanz dahinter ist. Dann schaue ich genauer hin. Es gibt übrigens ein Gerücht, das sich bis heute hält: dass Fett fett macht! Dabei vergessen viele, dass Fett generell essenziell, also lebensnotwendig ist. Wir brauchen Fett, unter anderem zum Aufschliessen von Vitaminen. Ergo: Eine komplett fettfreie Ernährung ist überhaupt nicht gesund. Das sagt jeder Ernährungswissenschaftler.
Lesen Sie auch:
- TV-Koch attackiert Esther Sedlaczek - jetzt rudert er zurück
- Ernährungsempfehlungen: Fokus auf pflanzlichen Lebensmitteln
Die Zubereitungszeit der Rezepte in Ihrem Buch soll maximal 15 Minuten ("manchmal plus Garzeit") betragen. Birgt eine solche Zeitangabe nicht immer auch ein gewisses Risiko?
Alle Rezepte, die ich niederschreibe, werden im Anschluss noch zwei weitere Male probegekocht. Wir investieren wahnsinnig viel Geld und Zeit in die Machbarkeit der Rezepte. Denn sie müssen funktionieren. Aber natürlich schreiben mir hin und wieder Leser und Leserinnen, um mir mitzuteilen, dass sie es in 15 Minuten nicht geschafft haben. Das kann vorkommen, wenn vielleicht die Umstände mal nicht perfekt sind. Aber dann dauert es eben ein bisschen länger. Wichtig ist, dass alle Rezepte per se schnell zuzubereiten sind. Ich bin selbst so ein Schneller und koche gerne zu Hause. Aber glauben Sie nicht, dass ich eine Stunde oder länger in der Küche stehe.
Geniessen und trotzdem fit sein: Wie lautet Ihr Rezept?
Schauen Sie: Ich bin mittlerweile 56 Jahre alt. Wenn ich jetzt in Badehose vor Ihnen stehen würde, dann würden Sie vermutlich sagen: Der Typ ist gut in Form. Warum ist das so? Weil ich schon ein bisschen aufpasse, zum Beispiel mit Alkohol. Süsse Getränke nehme ich grundsätzlich nicht zu mir. Ich frühstücke auch nicht. Mir reicht es, wenn ich im Büro einen Espresso trinke, um in den Tag zu starten. Abends gönnen meine Frau und ich uns dann ein leckeres Essen und auch mal ein Gläschen Wein auf der Terrasse.
Es ist also ein Irrglaube, dass Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages ist?
Ja, diese Annahme ist völlig veraltet – genauso wie der Spruch "Morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein König, abends wie ein Bettelmann essen". Das ist absoluter Quatsch! Heute wissen wir: Jeder Organismus funktioniert anders. Ich bin jemand, der kein Frühstück braucht, dafür aber abends etwas mehr isst. Und damit lebe ich gut. Jeder Mensch sollte versuchen, seinen eigenen Style zu finden.
Sie haben einst bei Eckart Witzigmann gelernt und waren der Privatkoch von Gunter Sachs. Setzen Sie heute auf einfache, raffinierte Gerichte, weil Sie irgendwann genug von dem ganzen Schickimicki hatten?
Die zwei Jahre bei Gunter Sachs sind mir als eine der schönsten und lehrreichsten Zeiten meines Lebens in Erinnerung geblieben. Familie Sachs war überhaupt nicht Schickimicki. Ganz im Gegenteil: Ich sollte damals im Wesentlichen auf zwei Dinge achten. Auf der einen Seite sollte ich lecker kochen, auf der anderen Seite sollte ich so kochen, dass die Damen und Herren nicht zunehmen, sondern fit und "in shape" bleiben. Den ernährungsphysiologischen Aspekt habe ich also schon von Anfang an beachtet.
Ex-Bodybuilder Henze: Von Schwarzenegger inspiriert
"In shape" waren Sie damals auch schon. Stimmt es, dass
(lacht) Ja, Arnold Schwarzenegger ist ein Idol, ein sehr beeindruckender Mensch. Ich habe ihm da in jungen Jahren schon ein Stück weit nachgeeifert und fleissig trainiert. Mit dem Start meiner Kochkarriere habe ich mit dem Bodybuilding aus Zeitgründen dann aber aufgehört. Dem Sport bin ich jedoch bis heute treu geblieben. Ich spiele regelmässig Tennis und gehe zwei- bis dreimal pro Woche ins Fitnessstudio – aber nie deutlich länger als eine halbe Stunde.
Kochen ist ja quasi auch Sport – vor allem dann, wenn es, wie in Kochevent-Shows, in Duellen um Geschwindigkeit geht. Wie stehen Sie zu "Grill den
Ich mache mittlerweile seit meinem 29. Geburtstag Fernsehen. Kontinuierlich wird auch mir immer wieder prophezeit, dass der Koch-Trend im TV bald vorbei sein wird. Das ist natürlich nicht der Fall, weil Kochen immer wieder neu erfunden wird – auch im Fernsehen. Shows wie "Grill den Henssler" sind wunderbare Unterhaltungssendungen. Mein Kollege Steffen Henssler ist schon ein TV-Gott, auch Tim Mälzer gehört zu den Zugpferden. Das ist erste Bundesliga, mich würde ich knapp dahinter einreihen.
No-Go beim Gönnen
Wo ziehen Sie beim Gönnen die Grenze?
Bei zu viel Zucker auf einen Schlag. Ein Liter süsse Limonade zu trinken, ist ein absolutes No-Go. Denn dieser Liter enthält ungefähr 40 Stück Würfelzucker. Im Übrigen liegt der Liter Orangensaft nicht weit darunter. Daher sollte man auch mit Fruchtsäften ein bisschen haushalten.
Über den Gesprächspartner
- Christian Henze ist ein deutscher Spitzenkoch und Kochbuch-Autor. Geboren in Füssen im Allgäu, absolvierte er 1985 im "Hotel Lisl" in Hohenschwangau seine Kochlehre. Später arbeitete er bei "Jahrhundertkoch" Eckart Witzigmann und fungierte zwei Jahre lang als Privatkoch von Gunter Sachs. Mit 28 Jahren avancierte er zum jüngsten Sternekoch Deutschlands. Mitte der 90er eröffnete Henze sein erstes eigenes Restaurant in der Nähe von Kempten. Heute betreibt er unter anderem eine eigene Kochschule und kocht freitags in der Sendung "MDR um vier".
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.