- Das Problem ist altbekannt: Bei einer Shoppingtour wird jedes Geschäft nach der einen Jeans abgeklappert, die perfekt sitzt und den Kurven am besten schmeichelt.
- Doch wo die Hose in Grösse 38 in einen Laden noch um die Hüften schlackert, passt im nächsten Geschäft noch nicht mal ein Bein rein.
- Wieso sind die Grössen nicht überall einheitlich und woher stammen die Konfektionsgrössen, wie wir sie heute kennen?
Wer vor 250 Jahren ein neues Kleid oder eine neue Hose erwerben wollte, dem blieb nichts anderes übrig als einen Schneider aufzusuchen. Die Masse für den Brustumfang, Hüftumfang und die Grösse wurden von diesem für jeden individuell gemessen und die Kleider im Anschluss massangefertigt.
Im Zuge der Industrialisierung und der Erfindung von Webmaschinen wurde auch die serienmässige Produktion von Kleidern langsam zur Norm. 1846 wurde die Nähmaschine erfunden und kurz darauf eröffnete in Paris das Kaufhaus "Le Bon Marché" seine Pforten. Zum ersten Mal hatten Frauen die Möglichkeit, fertige Kleidung ohne Kaufabsicht zu bestaunen und anzuprobieren – die Konfektionsgrössen waren geboren.
Einheitliche Kleidergrössen seit 1960
Seitdem hat sich viel verändert, sowohl bezüglich der Grössen als auch der Körperformen. In Deutschland wurden 1960 einheitliche Grössen eingeführt, basierend auf Reihenmessungen. Das bedeutet, dass eine grosse Anzahl an Frauen, Männern und Kinder vermessen und anhand dieser Daten die Konfektionsgrössen berechnet werden.
Von 2007 bis 2009 wurde in Deutschland das letzte Mal eine solche Reihenmessung an insgesamt 13.000 Menschen durchgeführt. Zuständig für diese Messungen war das Hohenstein-Institut. "Der Trend ist bei Damen und Herren der gleiche: Der Anteil an grossen Grössen steigt", so das Institut in einem Statement.
Die Durchschnittfrau ist im Gegensatz zu 1994 einen Zentimeter grösser. An der Hüfte wurden 1,8, der Taille 4,1 und der Brust 2,3 Zentimeter mehr gemessen. Die Männer, die 1980 zum letzten Mal vermessen wurden, sind um 3,2 Zentimeter gewachsen. An der Hüfte haben sie 3,6, der Taille 4,4 und der Brust ganze 7,3 Zentimeter zugelegt.
Jede Generation ist im Schnitt grösser und breiter als die der Eltern und Grosseltern, die Hersteller stehen also vor der Herausforderung, die Grössen ständig anpassen zu müssen. Hinzu kommt, dass es zahlreiche unterschiedliche Figurtypen gibt. Die Konfektionsgrössen, die in der Standardgrössentabelle aufgeführt sind, passen nur 30 Prozent wirklich optimal.
Viele Menschen sind schmaler oder breiter, grösser oder kleiner als der Durschnitt. "Um eine Grösse 38 wirklich für alle Frauen passend anzubieten, müsste sie in neun verschiedenen Versionen im Handel angeboten werden, bei den Herren sogar in 25!", gibt das Hohenstein-Institut die Ergebnisse der letzten Berechnung bekannt.
Grössen, die schmeicheln sollen
Häufig orientieren sich Modemacher an ihrem Zielpublikum – nicht der Grössentabelle. Gerne wird dann ins Etikett eine 40 statt einer 42 oder 44 geschrieben. Mit diesen sogenannten "Schmeichelgrössen" sollen vor allem Frauen angelockt werden, die trotz eines wegen des Alters grösseren Hüftumfangs ein Problem damit haben, zu einer grösseren Grösse zu greifen.
Marken wie Zara und Mango wenden diese Methode auch an, allerdings genau umgekehrt. Immer etwas kleiner als die angegebene Grösse fallen die Kleidungsstücke aus. Mike Jeffries, der frühere CEO von Abercrombie & Fitch, war ebenfalls ein Verfechter dieser Strategie. Die Strategie seiner Marke beschrieb er wie folgt: "Ehrlich gesagt, sind wir hinter den coolen Kids her. Wir haben es auf den attraktiven, amerikanischen Teenager mit einer tollen Einstellung und einer Menge Freunde abgesehen. Viele Leute gehören nicht in unsere Kleidung. Unternehmen, die in Schwierigkeiten sind, versuchen, alle anzusprechen: jung, alt, dick, dünn. Man verprellt niemanden, aber man reizt auch niemanden."
Andere Länder, andere Grössen?
Was viele bei der Shoppingtour ebenfalls vergessen: Die grossen Ketten sind international ausgerichtet, orientieren sich nicht an den Standardgrössen in Deutschland. Eine deutsche 38 entspricht einer italienischen 42 und einer spanischen 40. Hinzu kommt, dass die Unternehmen sich zunehmend auch über Europa hinaus orientieren, in Richtung des asiatischen Marktes.
Beträgt die Standardgrösse in Deutschland 1,73 Meter, sind es auf den Philippinen mit 1,59 Metern über 10 Zentimeter weniger. Da ist es kein Wunder, das die Passform in einigen Fällen zu klein erscheint. Am Ende bleibt nur eins: Anprobieren. Und den Laden finden, in dem die Kleider am besten zu der eigenen Körperform passen – am besten ganz unabhängig von der Zahl, die im Etikett abgedruckt ist.
Verwendete Quellen:
- Statements und Informationen des Hohenstein Instituts
- thebalancesmb.com: Quotes from Mike Jeffries, former Abercrombie & Fitch CEO
- Textilverband der Schweiz: Die Bekleidungsindustrie im Überblick.
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