Nablus (dpa) – Staub und Metallspäne steigen auf, als Omar Zuhairi gegen das Dach der Karosserie bläst. Er ist wütend, weil seit seinem letzten Besuch in der Werkstatt offenkundig nichts passiert ist.

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Zur Beschwichtigung bringt ein Mechaniker kleine Gläser mit heissem Kaffee, der sich als Schlick am Glasboden absetzt. Dann starten die Verhandlungen, wann die Männer an Zuhairis VW Käfer weiterarbeiten. "Heute machen sie mir echt das Leben schwer", sagt der 41-Jährige. Er lässt den ramponierten Käfer in der Palästinenserstadt Nablus renovieren, lebt jedoch selbst im eine Stunde entfernten Ramallah. "Sie nutzen aus, dass ich nicht jeden Tag vorbeigehen kann, um sie zu kontrollieren."

Zuhairi nimmt die Verzögerungen in Kauf, weil es in Nablus die besten Werkstätten gebe. In der 200 000-Einwohner-Stadt dreht sich vieles um Autos, in manchen Strassen reihen sich Läden von Mechanikern, Polsterern, Lackierern und Ersatzteilhändlern aneinander. Hoch im Kurs stehen Autos aus DeutschlandBMW, Mercedes, aber vor allem Volkswagen. Und ganz besonders, neben dem Bulli, der VW Käfer.

"Das Auto ist natürlich nur etwas für Oldtimer-Liebhaber", sagt Ali Al-Kutob. Er hat in Nablus eine Gruppe mit ins Leben gerufen, die sich als Käfer-Fanclub beschreiben lässt. Die Facebook-Seite hat etwa 3600 Likes, die wenigsten Freunde besitzen jedoch selbst einen Käfer. Auch Al-Kutob hat keinen eigenen, zeigt aber stolz auf seinem iPhone die sieben Autos, die er mitrenoviert hat.

Der 25-Jährige betreibt einen Friseursalon. Seine kleinen Kunden sitzen zum Haareschneiden in einem Stuhl in Form eines Autos, die Grossen können ausser einer neuen Frisur auch Blinker und verchromte Aussenspiegel bei Al-Kutob bekommen: "Wir importieren Teile aus Deutschland oder direkt über meinen Agenten hier", sagt er. Zuhairi ist in seinen Laden gekommen, um eine Stossstange zu begutachten.

"Es kostet viel Zeit, alles selbst zusammenzustellen", sagt er. "Ich will alles im Original-Stil, auch die Spiegel und Lichter sollen aussehen wie in den Siebzigern." Der Journalist hat umgerechnet 3000 Euro für einen ramponierten Käfer von 1970 bezahlt, in den letzten Jahre hatte sein alter Besitzer das Auto nicht mehr gefahren. Weitere 20 000 Schekel, also rund 4600 Euro, veranschlagt Zuhairi für die Rundum-Erneuerung: Ausbeulen, Lackieren, neue Elektrik, ein komplett neuer Innenausbau. "Aber nur ein ganz simples Radio, wie früher, kein Schnickschnack", sagt Zuhairi. Zum Sommer soll alles fertig sein.

Damit trifft er einen Geschmack, der von vielen Käferfreunden nachgefragt wird. "Der Trend geht zu optisch originalen Oldtimern", sagt Henry Hackerott. Er ist Vorstand des "Mai-Käfer-Teams Hannover", einem deutschen Käfer-Fanclub. Die Preise gerade für die bis Mitte der 1970er in Deutschland produzierten Exemplare seien in den letzten Jahre stark gestiegen: "Für etwas Vernünftiges muss man heute fünf- bis zehntausend Euro hinlegen", sagt Hackerott. Damit sei der Käfer im Vergleich zu anderen Oldtimern immer noch günstig.

Bis zum endgültigen Ende der Produktion 2003 liefen insgesamt 21 529 464 Käfer vom Band. Von 1967 bis 1983 wurden knapp über 20 000 von ihnen nach Israel importiert, vor allem in den frühen Siebzigern. Wie viele davon ins besetzte Westjordanland gelangten, ist nicht bekannt: Laut der historischen Abteilung von Volkswagen arbeiteten die Händler im Westjordanland zwar mit dem jordanischen Importeur zusammen, es gab jedoch auch die Möglichkeit, Autos aus Israel einzuführen.

Einer, der massgeblich zum Erfolg des Käfers im Nahen Osten beigetragen hat, ist Felix Burian. Der heute 92-Jährige hatte 1960 im israelischen Tel Aviv die erste VW-Niederlassung in der Region eröffnet. Der Käfer sei ein Verkaufsschlager gewesen, erinnert sich Burian, "bis der Golf richtig in Schwung kam."

"Ich liebe den Käfer, seit ich ihn zum ersten Mal gesehen habe", sagt Ali Al-Kutob vom Käfer-Fanclub in Nablus. "Es ist ein deutsches Auto: stark, sehr bekannt, jeder sieht dir nach, wenn du es fährst." Ob der Ruf deutscher Autos unter dem VW-Abgasskandal leide? Davon hat Al-Kutob noch nie gehört – die Käfer und Bullis in Nablus haben eh keine Sensoren, die man manipulieren könnte. Omar Zuhairi will neben das Nummernschild seines Käfers eine deutsche Flagge kleben.  © dpa

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