In den USA sind Wrestler Superstars. Im Ring sind sie Alphatiere, muskelbepackt und zeigen keine Schwäche – doch abseits des Rings bröckelt die Fassade des taffen Mannes. Bei einer Show in der Münchner Olympiahalle sprechen wir mit einem der derzeit bekanntesten Wrestler, Daniel Bryan.
Daniel Bryan steht im Ring. 1,78 Meter gross, 92 Kilo schwer – definierte Muskeln. Er trägt rote Stiefel und rote Shorts - kaum grösser als eine Unterhose. Sein Oberkörper ist frei. Mit seinem Partner CM Punk bildet er ein Tag Team. Zwei gegen Zwei. Bryan und Punk gegen eine Gruppierung namens Wyatt Family. Bären im Ring, harte Männer.
Bryan läuft auf die Ringseile zu, holt Schwung. Die Fans in der Olympiahalle schreien. Bryan rennt Richtung Ringmitte, hebt sein Knie und rammt es seinem Gegner in den Unterleib. Der kracht zu Boden. Etwa 300 Menschen stürmen auf den Ring zu. Sie wollen ganz nah am Geschehen sein. Das Ende des Matches naht.
In den USA ein Star, in Deutschland eher unbekannt
Daniel Bryan ist einer der grossen Stars der Liga WWE (World Wrestling Entertainment). 2008 gab er sein Debüt. Seitdem gewann er den wichtigsten Titel der WWE dreimal. Vor der Show in München dürfen wir zehn Minuten alleine mit ihm sprechen.
Vor einem Raum in den Katakomben der Olympiahalle warten wir auf das Interview mit Bryan. Ein Mann im schwarzen Anzug verschränkt die Arme. Wir dürfen erst rein, wenn er es erlaubt. "Ihr seid die dritten oder vierten, die heute mit ihm sprechen, nach euch kommen noch welche", sagt er. Genervt von dem Medienrummel sei Bryan aber nie. "Der ist immer gut drauf", sagt unser Aufpasser. In den USA ist Wrestling gross, in Deutschland eher von Nischeninteresse. Trotzdem stehen auch in München Reporter Schlange, um mit Bryan zu reden.
Wir betreten den Raum. Daniel Bryan sitzt auf einem Stuhl hinter einem Tisch. Er lächelt. Bryan trägt ein Holzfällerhemd, seine Haare reichen fast bis zur Schulter. Er hat einen struppigen Bart, fast zehn Zentimeter lang. Ein Mann bleibt während des Interviews im Raum.
Bryan kommt schnell in Plauderlaune. Er erzählt, dass er schon "30-, 40-mal" in Deutschland war. Auf das Essen freue er sich jedes Mal. "Das Beste an Deutschland sind die Würste, die sind so unfassbar gross", sagt er. Das Wort "so" dehnt er. Währenddessen zeigt er mit seinen Händen, wie gross die Würste waren. Er lacht. Zwischen seinen Händen ist etwa 50 Zentimeter Platz.
"Ich sehe Familie und Freunde sehr selten"
Nach wenigen Minuten bröckelt aber die Fassade des taffen Wrestlers. Als wir ihn nach seinem Privatleben fragen, wird seine Miene ernster. Er lässt sich mehr Zeit zwischen den Antworten. "Ich sehe meine Familie und Freunde sehr selten. Das ist der härteste Teil des Geschäfts", sagt Bryan und fügt hinzu: "Wenn du die ganze Zeit von Wrestlern umgeben bist, dann fühlst du dich nicht normal."
Auch der Tour-Stress setze ihm zu. An 250 Tagen im Jahr sei er unterwegs, im Schnitt reise er "200, 300 Meilen" am Tag. Er sei froh, wenn er fünf oder sechs Stunden schlafen kann.
Doch ein Stück Normalität sei mit einer Frau zurückgekehrt: Brie Bella. Auch sie ist Wrestlerin in der WWE und begleitet ihn auf der Tour. Seit September sind die beiden verlobt. "Das macht das Leben einfacher. Dank ihr fühle ich mich mehr wie ein normaler Mensch", sagt Bryan.
Auch Alphatiere brauchen Schlaf
Wir verabschieden uns von Bryan, verlassen den Raum. Zwei Stunden später steht er im Ring. Seine menschliche Seite bleibt in der Kabine, im Ring darf er keine Schwächen zeigen. Dort ist er Alphatier.
Bryans Partner CM Punk schnappt sich den Gegner, hebt ihn hoch und lässt ihn mit dem Rücken auf sein Knie krachen. Danach legt sich Punk auf ihn. Der Ringrichter zählt, indem er mit seiner rechten Hand auf die Matte klopft. Eins, zwei, drei. Aus. Daniel Bryan und CM Punk gewinnen das Match. Die Fans schreien ihre Freude heraus: "Yes, yes, yes!"
Daniel Bryan steht auf den Ringseilen. Er reckt seine Arme nach oben, die Fans jubeln ihm zu. Bryan ist ihr Held, der Sieger – das Alphatier.
Es ist 21.45 Uhr. Bryan verlässt den Ring. Am nächsten Abend tritt er in Glasgow, Schottland auf. Rund 1.400 Kilometer Luftlinie von München entfernt. Bryan fährt direkt ins Hotel, geht direkt ins Bett. Auch Alphatiere brauchen Schlaf.
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