Am 24. Februar 2018 wird im Europa-Park in Rust die Miss Germany 2018 gewählt. 22 Mädchen stehen im grossen Finale, doch nur eines kann die begehrte Schärpe gewinnen. Doch wann hat eine junge Frau überhaupt das Zeug dazu, Miss Germany zu werden? Mit dem Titel kommen nämlich nicht nur spannende Aufgaben auf die Siegerin zu, sondern auch jede Menge Ansprüche, die es erstmal zu erfüllen gilt.
Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt Ines Klemmer, Moderatorin der Miss Germany Corporation (MGC), worauf es bei einer Miss Germany wirklich ankommt, was der Jury bei der Wahl wichtig ist und warum es für junge Frauen heutzutage wieder wichtig wird, über gutes Benehmen Bescheid zu wissen.
Sie sind selbst Miss Germany - gab es damals sowas wie einen Knigge-Kurs überhaupt schon?
Ines Klemmer: Nein. Damals, vor 25 Jahren, gab es so etwas nicht - weder einen Knigge-Kurs noch Training im Umgang mit den Medien. Wir haben eher Lauftraining gemacht, Sponsoren besucht, Kekse gebacken für einen guten Zweck. Aber ich bin der Meinung, dass man mit der Zeit gehen muss, mitwachsen muss mit den Anforderungen.
Was hat sich Ihrer Meinung nach in den vergangenen Jahren am meisten verändert beim Anspruch an eine Miss Germany?
Wichtiger geworden ist, dass eine Person nicht nur von aussen strahlt, sondern auch von innen. Je selbstbewusster sie ist und je klarer ihr ist, was auf sie zukommt und sie erwartet, desto besser kann sie dieses Selbstvertrauen auch ausstrahlen.
Welche konkreten Dinge werden denn in einem Knigge-Kurs für die künftige Miss Germany behandelt?
Für mich ist der Knigge sehr wichtig. Ich achte auf das Benehmen von Menschen und habe auch meine Kinder entsprechend erzogen. Man merkt bei dieser Generation allerdings, dass etwas geschludert wurde bei der Erziehung. Das soll nicht anmassend klingen, es ist schlichtweg so.
Frauen sind mehr im Beruf, weniger zu Hause, damit finden gemeinsame Mahlzeiten nicht mehr so häufig statt wie früher. Man schlingt sich abends eher noch kurz einen Burger rein anstatt wirklich auf Etikette zu achten. Wenn man aber jemandem gegenübersitzt, der sich zu benehmen weiss und ordentlich isst, ist das ein grosses Plus. Die Miss weiss um ihr Auftreten, sie weiss, dass sie nicht schmatzt, dass sie nicht mit vollem Mund spricht, wie man das Besteck hält, dass beide Hände auf den Tisch gehören. Da lege ich Wert darauf, da bin ich eine Ästhetin.
Genauso wichtig sind für mich hier die Schuhe: Hoch und höher wollen da viele hinaus - das ist für mich bei einer Miss aber genau falsch. Man sollte die Schuhe genau passend zum Outfit und Anlass wählen und es sollte sich vor allem um gepflegtes Schuhwerk handeln: Keine abgelaufenen Absätze, keine Etiketten mehr an der Sohle, keine Kratzer.
Sollte ein Mädchen zwar über all diese Dinge Bescheid wissen, aber trotzdem mal etwas unaufmerksam sein: Dürfen die anderen Missen sie dann eigentlich auf kleine Fehler hinweisen oder wäre das eher unangebracht?
Wenn ich sehe, dass einer anderen Miss der Zettel aus dem Shirt oder aus der Hose schaut, dann gehe ich hin und weise kurz darauf hin. Die, die nichts sagen, obwohl es ihnen aufgefallen ist, tun sich damit keinen Gefallen. So sehe ich: Aha, vielleicht doch keine Teamplayerin, sondern eher eine kleine Eigenbrötlerin.
Diese Kleinigkeiten tun einem ja nicht weh. Ebenso wie ein "Danke" und "Bitte" an der richtigen Stelle. Das hat nichts mit Einschleimen zu tun, sondern mit Anstand und Aufmerksamkeit. Wenn die Kameras an sind, schaffen es die Mädchen schliesslich auch, sich von ihrer charmanten Seite zu zeigen.
Diese Knigge-Tipps sind ja quasi Dauerbrenner. Gibt es auch Dinge, die durch die aktuellen Entwicklungen von sozialen Netzwerken und Ähnlichem neu zum Regelwerk dazugekommen sind für Sie?
Bei dieser Generation Frauen ist der erste Griff, wenn man sich hingesetzt hat, zum Handy. Ich finde, es hat mit Respekt zu tun, dass man nicht sofort das Handy in die Hand nimmt, wenn man sich mit anderen Leuten zusammensetzt - sei es zum Essen oder in einer Gesprächsrunde. Der Blick wandert sonst ständig nach unten, das Mädchen ist abgelenkt und nicht mehr aufmerksam.
Deshalb steht in diesem Jahr auch erstmals in den Vorgaben für die Mädchen explizit drin, dass sie bei Trainings, Coachings und anderen gemeinsamen Aktivitäten das Handy ausschalten müssen. Das gilt auch, wenn die Eltern ständig anrufen und wissen wollen, wie es den Mädchen geht. Sie tun ihren Töchtern damit keinen Gefallen, weil es unnötig Heimweh schürt, anstatt es den Mädchen zu erlauben, sich auf das Wichtige, auf die Vorbereitungen zu Wahl zu konzentrieren.
Die Workshops, Trainings und Fotoshootings, die sie etwa im Missencamp erleben dürfen, kosten normalerweise viel Geld - da ist es nur fair, wenn sich die Mädels diesen auch voll und ganz widmen können. Wir tun alles mögliche, um auf jedes Mädchen und seine Bedürfnisse und Ängste einzugehen und ihnen Gutes zu tun. So dass die Eltern auch sehen, dass ihre Kinder bei uns nicht allein gelassen werden mit all den Ansprüchen an sie und den damit verbundenen Herausforderungen.
Das, was die Mädchen bei den Vorbereitungen lernen in Sachen Knigge: Ist das eher eine Kür oder werden die Mädchen von Ihnen oder später der Jury auch daran gemessen, wie sehr sie diese Dinge verinnerlichen?
Wenn jemand überhaupt nicht mitmacht, überhaupt nicht funktioniert, überhaupt nicht teamfähig ist und nie pünktlich ist, behalten wir uns vor, darauf zu reagieren. Wir müssen das Ganze ja stets unter dem Gesichtspunkt betrachten, dass dieses Mädchen Miss Germany werden könnte. Da muss ich mich auf sie verlassen können - und zwar über das ganze Amtsjahr hinweg, egal, wie straff das Programm ist.
Wir hatten mal den Fall, dass eine Miss immer unpünktlich war, immer anders sein wollte als die anderen Mädchen und damit negativ aufgefallen ist. Das hatte zum ersten Mal für uns die Konsequenz, dass wir ein Mädchen nach Hause geschickt und das grosse Finale ohne die Teilnahme von Miss Sachsen gemacht haben.
Disziplin und Eigenverantwortung sind also das, worauf die Mädchen hinarbeiten?
Wenn ich ständig irgendwo meine Sachen rumliegen lasse und dauernd meine Schärpe suche - die immerhin eine Trophäe ist! -, und mich darauf verlasse, dass sich schon irgendwer kümmern wird, funktioniert das nicht. Die Mädchen müssen lernen: Wie komme ich zurecht, wenn ich Hilfe benötige? Sie müssen lernen, selbstständig zu arbeiten, sich selbstständig um ihre Sachen zu kümmern.
Dass man sich selbst Notizen macht und nach Plan arbeitet, sollte zu einer Selbstverständlichkeit werden. Das fehlt dieser Generation ein wenig, da müssen die Mädchen wieder disziplinierter werden.
Was man bei den Vorbereitungen also lernt, lernt man nicht nur für die Wahl, sondern fürs Leben. Was erwartet eine Miss Germany denn, wenn sie den Titel wirklich gewinnt?
Du musst damit umgehen können, dass du mal eine stressige Zeit hast, in der du wenig schläfst, viel unterwegs bist, viel alleine bist, deine Freunde und deine Familie nicht oft siehst. Aber auch damit, dass es mal Phasen gibt, in denen dir schon beinahe langweilig wird, weil es eben keine Events oder andere Arbeitseinsätze für dich gibt. Da muss man stark sein, das gebe ich zu. Aber das alles lernt man, da wächst man rein.
Gab es auch schon Mädchen, die sich quasi selbst disqualifiziert haben, weil sie nicht verstanden haben, um was es euch bei den Vorbereitungen auf die finale Wahl geht?
Wir hatten mal ein Mädchen dabei, das sagte uns in der Feedback-Runde nach dem Miss-Germany-Camp: Es war eine Katastrophe - ich dachte, ich mache hier zehn Tage Urlaub und dann war alles durchgetaktet mit Terminen und alles so anstrengend. Die wurde dann sogar Vize-Miss-Germany! Aber da muss ich sagen: Was dachtest du, was du hier machst? Die Frauen haben nur diese wenigen Tage zwischen Camp und Gala, um sich auf das Finale vorzubereiten.
Und auf die Zeit danach! Wie muss man sich denn einen klassischen Tag im Leben der Miss Germany vorstellen?
Das Leben nach der Wahl ist durchgetaktet. Du hast deinen Fahrplan, du sitzt um 8 Uhr im Zug, Stunden später bist du da, dann bringt dich der Fahrservice ans Ziel, dann ist - bei einer TV-Produktion etwa - das Treffen mit dem zuständigen Produktionsleiter, ab da heisst es: warten, warten, warten. Und das für drei Minuten Einsatz vor der Kamera!
Die Mädchen denken: Du hängst dir die Schäpe um, glänzt, alle applaudieren und dann gehen die Kameras an. Die Realität sieht aber anders aus: Du bist stundenlang unterwegs und musstest warten - um dann von null auf hundert da zu sein, präsent zu sein und alles zu geben. Deshalb müssen die Mädchen schon im Camp lernen, sich vorzubereiten und gerüstet zu sein für alles, was ihnen abverlangt wird.
Und das ist einiges.
Disziplin, Pünktlichkeit, Ordentlichkeit, Essverhalten, Aufmerksamkeit, Kommunikation und Austausch - das alles zählt! Dafür coachen wir sie ja: Miss Germany 2017 Soraya Kohlmann war da, die aus erster Hand vom Amt berichten kann. TV-Moderator Alexander Mazza war da, der genau weiss, worauf es auf der Bühne und auf dem roten Teppich ankommt.
Die Mädchen sollen von den Profis lernen, wie man sich etwa in einer Interviewsituation verhält. Und wie ich einen Interviewpartner charmant von mir überzeugen kann, obwohl er mir vielleicht nicht unbedingt wohlgesonnen ist.
Am Ende der Reise haben Sie als MGC eine neue Miss Germany. Kam es in den vergangenen Jahren mal vor, dass Sie Ihre Meinung über eine Favoritin vor dem Finale noch mal revidieren mussten?
Ja, das hatte ich schon. Sie war ein sehr, sehr hübsches Mädchen, aber sie hat in der ganzen Zeit kein bisschen Disziplin gezeigt, hat sich umgeschminkt nach der Maske, kam immer als Letzte zu Shootings, damit sie weit vorne steht bei den Fotos. Da musste ich mir selbst sagen: Wenn die Jury genau hinschaut, dann sieht sie das auch.
Und so war es schliesslich auch: Sie wollte auf der Bühne präsenter sein als die anderen, anders sein als die anderen. Sie wollte nicht mit den anderen Finalistinnen auf Linie schwimmen, sondern aus der Menge herausstechen. Aber wenn du bei der Miss-Germany-Wahl zu sehr "drüber" bist, dann kommt das nicht gut an und schlägt sich als Konsequenz im Jury-Urteil nieder.
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