Immer mehr Menschen haben Skrupel, sich zur Belustigung die Kunststücke wilder Tiere anzuschauen. Das bringt so manchen Zirkus in Bedrängnis. Bernhard Paul, Direktor des Zirkus Roncalli, glaubt die Lösung gefunden zu haben.

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Ein Elefant stellt sich auf die Vorderbeine, Pferde galoppieren durch die Manege. Im nächsten Moment lösen sie sich in Luft auf.

"Wir sind jetzt tierfrei", erklärt Direktor Bernhard Paul vom Circus Roncalli. "Ich ersetze lebende Tiere durch Hologramme!". Bei der Hamburg-Premiere des neuen Programms "Storyteller- Gestern, Heute, Morgen" gab es für die Ankündigung lauten Applaus.

Idee dank Justin Timberlake und Prince

Die Idee dazu kam dem 72 Jahre alten Österreicher, als er hörte, dass Justin Timberlake beim Super Bowl in den USA zusammen mit dem 2016 gestorbenen Prince auftreten wollte - der Star sollte als Hologramm auf der Bühne stehen.

"Ganz Amerika hat davon gesprochen", erinnert sich Paul. "Da habe ich gedacht: Das ist eigentlich genau die Technik, die das Problem Tierschutz im Zirkus löst."

Zusammen mit einer Firma entwickelte er eine spezielle Technik. "Denn es ist ja nicht so einfach wie auf der Bühne", erläutert er. "Die Manege ist rund. Wir brauchen nicht zwei Videobeamer, sondern elf - rundherum. Dann erscheint der Elefant, das Pferd oder was immer wir wollen."

Als die in den Raum projizierten dreidimensionalen Tiere, die sich wie im Film bewegen, in Hamburg in der Manege erscheinen, klingt Beifall auf. Allerdings gibt es für die Artisten später deutlich mehr Applaus.

Gerade die Jüngeren im Publikum sind durch modernste Grafiken in Videospielen oder lebensechte Figuren in computeranimierten Filme schon einiges gewöhnt.

Tiere im Zirkus Roncalli wurden immer weniger

Früher hatte auch Paul in seinem in Köln beheimateten Zirkus Löwen und Tiger, ein Jahr sogar Elefanten. Dann sattelte er auf Pferde um, aber auch die wurden mit den Jahren immer weniger und immer kleiner, bis zum Schluss nur noch sechs Ponys übrig waren. Er habe das Publikum sozusagen auf Entzug gesetzt, sagt er. Jetzt sind gar keine Tiere mehr mit dabei.

"Die Welt verändert sich", meint er. "Und wenn wir uns nicht auch verändern, werden wir untergehen. Es sind in den letzten Jahren schon zehn bis zwölf der grössten Zirkusunternehmen verschwunden, inklusive Ringling Bros."

Fast 150 Jahre lang tourte der legendäre Zirkus Ringling Bros. mit seiner "grössten Show der Welt" durch Amerika - Elefanten, Löwen, Tiger fuhren selbstverständlich mit, ganz so wie im Walt-Disney-Film "Dumbo". Aber mit der Zeit wurden die Proteste von Tierschützern immer lauter, die Produktionskosten immer höher - und die Zuschauerzahlen immer niedriger.

Nicht alle sind von der Idee überzeugt

Paul glaubt, die Lösung für das Problem gefunden zu haben: Tier-Hologramme seien doch viel spektakulärer als echte Tiere, meint er. "Auf einmal erscheinen Pferde, und die sind aus Lichtpunkten! Das ist ja für Kinder, die sowieso so technikaffin sind und immer mit dem Handy rumspielen, viel interessanter."

Doch bei einigen Kollegen muss er noch Überzeugungsarbeit leisten. "Wir sehen das absolut nicht als die Lösung", sagt Dieter Seeger vom Verband deutscher Circusunternehmen. "Wir bekennen uns ganz klar zum klassischen Zirkus."

Und der umfasse neben Artistik und Clownerie immer auch Tierdressuren. "Es gibt keinen einzigen wissenschaftlichen Nachweis dafür, dass es Tieren im Zirkus schlecht geht", sagt Seeger.

Derzeit seien in Deutschland noch schätzungsweise 300 Zirkus-Unternehmen unterwegs. "Ich behaupte mal, es sind fünf oder sechs, die noch mit Grosstieren reisen, also Elefanten, Raubkatzen, Zebras und so weiter."

Die anderen hätten aber zumindest Kamele, Pferde, Ziegen, Esel, Schlangen, Hunde oder Tauben mit dabei. Das erwarte das Publikum so, Hologramme böten da keinen Ersatz. (dpa/ank)

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