Am vergangenen Samstag jährte sich der Todestag von Udo Jürgens zum zehnten Mal, am 30. September wäre der grosse Entertainer 90 Jahre alt geworden. Am Tag vor Heiligabend ehrt die ARD den Österreicher mit der Gala "Udo Jürgens Forever" und der Doku "UDO!".

Ein Interview

In beiden Sendungen (um 20.15 Uhr und um 22.30 Uhr) tritt Jürgens' langjähriger Bandleader Pepe Lienhard in Erscheinung, der den Sänger 37 Jahre lang bei seinen Tourneen begleitet hatte. Im Interview mit unserer Redaktion erinnert Lienhard an den letzten gemeinsamen Abend mit seinem Freund Udo Jürgens. Zudem spricht der 78-Jährige über Jürgens' vermeintliche Schattenseiten.

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Herr Lienhard, wie werden Sie den Abend vor Heiligabend verbringen?

Pepe Lienhard: Natürlich werde ich mir einen Udo-Jürgens-Abend machen und mir in der ARD erst die Show und danach die Doku anschauen. Die Gala wurde ja bereits aufgezeichnet und ich kann sagen, dass schon sehr emotionale Momente dabei waren. Udos Enkelin Jasmin an seinem Flügel spielen zu sehen – das war Gänsehaut pur und hat mich sehr bewegt. Im Vorfeld war ich mir jedoch bei zwei, drei Programmpunkten ehrlich gesagt nicht sicher, ob sie zu Udo passen würden. Aber: Ich wurde positiv überrascht. Es war wirklich alles stimmig. Sehr berührt hat mich das Duett von Michelle Hunziker und ihrer Tochter Aurora Ramazzotti. Und dann war ja noch ein Sänger dabei, der nicht unbedingt ein grosser Freund von Udo war.

Sie sprechen von Howard Carpendale?

Richtig. Und genau dieser menschliche Moment in der Sendung hat dazu beigetragen, dass es eben keine 08/15-Show geworden ist. Ich möchte noch nicht zu viel verraten, aber er hat einen sehr ehrlichen und doch respektvollen Kommentar abgegeben, der mir gefallen hat.

War es selbst für Sie, der Udo jahrzehntelang begleitete, mit Blick auf Ihre "Da Capo Udo Jürgens"-Tour eine Herausforderung, herauszufinden, wie man diesem grossen Entertainer überhaupt gerecht werden kann?

Es war gewiss eine Herausforderung, doch in erster Linie war es für mich eine Selbstverständlichkeit. Ich kannte ihn sehr gut – und natürlich kannte ich auch seine hohen Ansprüche. Das war sicherlich das Geheimnis unserer reibungslosen Zusammenarbeit. Wir waren beide ehrgeizig und perfektionistisch, haben uns in 37 Jahren aber nie gestritten. Für mich war von vornherein klar, dass wir bei dieser Show mit keinem Udo-Jürgens-Imitator, sondern nur mit dem Original auf Tournee gehen werden. Das Ziel war, eine respektvolle Show mit dem höchsten Qualitätsanspruch auf die Beine zu stellen. Ich glaube, dass wir das geschafft haben. Die grosse LED-Wand, die technisch aufwendige Produktion, die perfekten Tonspuren von seinem Gesang, seinem Klavierspiel und seinem Bild: Es ist wirklich alles vom Feinsten. Und deswegen machen wir 2025 und 2026 sehr gerne weiter.

"Es gibt diese Momente, in denen das Herz ein bisschen schmerzt."

Lienhard über seine "Da Capo Udo Jürgens"-Show.

Sein letztes Konzert gab Udo Jürgens am 7. Dezember 2014 in Zürich, zwei Wochen vor seinem unerwarteten Tod. Wie viele Mitglieder des Pepe Lienhard Orchesters von damals sind heute bei der "Da Capo"-Tour noch dabei?

Von den 24 Musikern, die bei Udos letztem Konzert vor zehn Jahren gespielt haben, sind 21 nach wie vor dabei. Wir alle sind weiterhin mit Udo Jürgens auf Tour, er ist immer bei uns. Auf der Bühne agieren wir mit sehr viel Herzblut – und das Publikum spürt das. Häufig bekommen wir als Feedback, dass man während der Show vergisst, dass Udo gar nicht da ist. Ein schöneres Kompliment könnte man uns nicht machen.

Müssen Sie manchmal Ihre Emotionen zurückhalten, wenn Sie Ihren langjährigen Wegbegleiter und Freund lebensgross auf der Bühne sehen und hören?

Es gibt diese Momente, in denen das Herz ein bisschen schmerzt. Bei gewissen Liedern, etwa "Der gekaufte Drachen", hat man schon mit den Tränen zu kämpfen. Das war aber auch schon früher so. Selbst Udo erging es nicht anders. Er hat die Lieder mit so viel Herzblut live interpretiert, dass seine Augen hin und wieder feucht wurden. Wenn man sich Konzertmitschnitte von früher anschaut, kann man das beobachten.

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Pepe Lienhard: Das war Udos "Wohlfühlzone"

Die "UDO!"-Doku beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Schattenseiten und der Rastlosigkeit von Udo Jürgens. Kannten Sie auch diese Seite an ihm?

So habe ich das nie empfunden. Ich muss aber dazu sagen, dass ich Udo immer nur in seiner Wohlfühlzone erlebt habe. Sobald er die Bühne betrat, legte er den Schalter um. Er war dann in seinem Element, dort haderte er nie.

Gab es zwischen Ihnen beiden keine privaten Schnittmengen?

Doch, sicherlich gab es die. Wir hatten eine schöne Männerfreundschaft. Vor allem in seinen letzten Jahren haben wir einige private Gespräche führen können. Er lebte in dieser Zeit am Bodensee, ich bin im Thurgau zu Hause. Wir haben häufig zusammengesessen und über Gott und die Welt geredet. Aber auch in diesen Situationen wirkte er auf mich immer entspannt. Auch bei unserem letzten Gespräch, am Abend vor seinem Tod, haben wir nur Pläne geschmiedet. Ich habe ihn als sehr positiv wahrgenommen. In diesen Gesprächen ging es nie darum, wie schön es doch vor 40 Jahren war. Wir haben uns lieber mit der Frage "Was machen wir morgen?" auseinandergesetzt. Udos Schattenseiten, von denen häufig die Rede ist, habe ich nicht mitbekommen – vielleicht, weil wir uns am Ende doch meistens auf der musikalischen Ebene ausgetauscht haben.

Zu welchen Uhrzeiten schmiedeten Sie beide Pläne? Udo Jürgens galt als Nachtmensch, der am kreativsten war, wenn andere schliefen.

Wie bei Musikern üblich, haben auch wir uns nicht morgens um 11 Uhr auf einen Kaffee getroffen und dabei Pläne geschmiedet. Wir haben unsere Gespräche immer mit einem schönen Essen verbunden. An dem besagten Abend vor seinem Tod sassen wir beim Italiener, tranken guten Wein. Wie ich schon ein paar Mal in Interviews erwähnt habe, war er an dem Abend etwas emotional. Udo umarmte mich auf dem Parkplatz vor dem Restaurant und bedankte sich bei mir. Zuvor hatte er mir beim Essen gesagt, dass er in Zukunft nicht mehr in den ganz grossen Hallen spielen wolle. Ihm war es immer wichtig, alle Menschen zu erreichen – auch die, die in den obersten Rängen sassen. Das kostete viel Energie, er fühlte sich ein bisschen ausgelaugt.

Was haben Sie Udo Jürgens zu verdanken?

Ich bin Udo unendlich dankbar, dass ich mein grossartiges Orchester so viele Jahre lang und bis heute halten konnte. Das war nur aufgrund seiner Konzerte so möglich. In den 70ern hatte ich ein sehr erfolgreiches Sextett, mit dem ich für die Schweiz am Grand Prix teilnehmen durfte – der Song hiess "Swiss Lady". Ich hatte aber immer schon den Traum von einer grossen Band, den ich dank Udo letztendlich verwirklichen konnte. Künstler denken in erster Linie an die Musik, man darf aber auch die Wirtschaftlichkeit nie vergessen. Viele meiner Musiker sind schon seit 40 Jahren an meiner Seite – aber ganz bestimmt nicht nur wegen meiner blauen Augen (lacht).

"Er ist definitiv nicht gestorben, weil er zu viele Konzerte gegeben hat."

Sie stehen mit 78 Jahren nach wie vor mitten im Leben, so wie Udo Jürgens damals mit 80. Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus? Werden Sie in den nächsten Jahren kürzertreten?

Udo Jürgens ist definitiv nicht gestorben, weil er zu viele Konzerte gegeben hat. Das kann ich mit gutem Gewissen sagen. Ihm ging es nirgendwo so gut wie auf der Bühne. Auch bei seiner letzten "Mitten im Leben"-Tour unterliefen ihm keine Textfehler. Er verspielte sich nie, war immer total fokussiert. Ich halte es mit Udo, der immer gesagt hat, dass es von ihm nie eine Abschiedstour geben wird. Solange die Gesundheit mitspielt und das Publikum uns hören möchte, werde ich – genau wie es Udo getan hat – auf der Bühne stehen.

Wie lebte Udo Jürgens? Was tat er, um gesund zu bleiben?

Er war wirklich sehr diszipliniert und lebte gesund. Früher vielleicht nicht, da haben wir nach Konzerten mitunter bis in die frühen Morgenstunden Gas gegeben. In den letzten Jahren war das aber anders, weil für ihn die Gesundheit absolute Priorität hatte. Udo trank nur in Massen Wein, nahm wenig Fleisch zu sich. Sicherlich spielte dabei auch eine gewisse Portion Eitelkeit eine Rolle, er wollte nicht zunehmen, sondern fit bleiben. Ab und zu machte er sich Gedanken darüber, ob das Publikum eines Tages wegbleiben könnte. Doch ich konnte ihn da immer schnell wieder beruhigen, indem ich zu ihm sagte: "Udo, solange du singst, wirst du volle Säle haben." Und so war es dann ja auch.

"Udo Jürgens stand für engagierte und kritische, aber nicht unbedingt für politische Texte."

Wie würde ein tiefgründiger Mensch wie Udo Jürgens wohl auf unsere Zeit heute blicken?

Das Schöne ist, dass viele seiner Songs, darunter "Griechischer Wein" oder "Ein ehrenwertes Haus", heute noch funktionieren. Aber dieser Unfrieden auf der Welt hätte ihn mit Sicherheit sehr beschäftigt. Er mochte keine Konflikte, ging jedem Streit aus dem Weg. Wir haben häufig über die Weltlage diskutiert. Ich bin mir sicher, dass er die aktuellen gesellschaftlichen Themen aufgegriffen hätte. Udo Jürgens stand für engagierte und kritische, aber nicht unbedingt für politische Texte.

Seinen Song "Der Mann ist das Problem" könnte man auf die Trumps dieser Welt beziehen, oder?

Natürlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Udo einen Song gegen Trump aufgenommen hätte. Diesen Narzissmus hätte er aber ganz bestimmt in einem Lied thematisiert.

Über den Gesprächspartner

  • Pepe Lienhard ist ein Schweizer Bandleader und Saxophonist, der vor allem mit dem Sänger Udo Jürgens in Verbindung gebracht wird. Mit seinem "Pepe Lienhard Orchester" begleitete er den Österreicher 37 Jahre lang bis zu dessen Tod im Dezember 2014 bei sämtlichen Konzerten. In den kommenden beiden Jahren wird Lienhard seine "Da Capo Udo Jürgens"-Tournee fortsetzen. Seine ersten Erfolge feierte er in den 70ern mit seiner damaligen "Pepe Lienhard Band". Mit dem Titel "Swiss Lady" belegte das Sextett beim Grand Prix 1977 den sechsten Platz.
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