Was geht (noch) bei den Fantastischen Vier? Zusammen sind die deutschen Hip-Hop-Legenden knapp 200 Jahre alt, nun bringen sie ihr zehntes Studioalbum raus. Haben es die Fanta Vier noch drauf oder bereits ihr Pulver verschossen?

Andreas Maciejewski
Eine Kritik
von Andreas Maciejewski

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Über ein Vierteljahrhundert ist es her, dass die Fantastischen Vier mit "Die da!?" 1992 ihren Durchbruch gefeiert haben.

Dutzende Auszeichnungen später bringen die Hip-Hop-Legenden am 27. April 2018 ihr neues Album "Captain Fantastic" auf den Markt.

Wir haben die neue Platte bereits gehört - und so klingt sie:


1. Captain Fantastic: Episches Intro mit Streichinstrumenten. Der Song baut sich langsam auf und suggeriert: Da kommt Grosses auf einen zu. Dann wummert der Bass, es groovt. Aber nix mit Party. Die Fantas beschweren sich über Poser und besorgte Bürger. Die Band wird politischer.


2. Tunnel: Der Refrain geht ins Ohr. Hand in die Luft und im Takt mitwippen. Cooler Song für einen Live-Auftritt.


3. Zusammen (feat. Clueso): Sind das eigentlich Fettes Brot oder Fanta Vier? Wenn nicht Clueso zwischendurch schmusig rappen würde, könnte man diese Frage nur schwer beantworten. Viel mehr unterscheiden sich die beiden Bands hier nicht. Ansonsten ist "Zusammen" recht radiotauglich. Kein Wunder, es ist schliesslich die Single-Auskopplung aus dem Album. Trotzdem: eher Mittelmass.


4. Fantanamera: Recht klassischer Hip-Hop-Song ohne grossen Schnickschnack. Die Fantas beweihräuchern sich selbst ein wenig, wie toll und classic sie doch seien. Aber das gehört in dem Genre dazu. Nichtsdestotrotz: nur Auffüllmaterial.


5. Moduland: Ein Interlude (Zwischenspiel). Mechanisch klingende, futuristische Hintergrundmusik mit computerverzerrten Stimmen. Message: And.Ypsilon darf man beim Arbeiten nicht ansprechen. Da haben wir wieder etwas über die Band gelernt.


6. Hitisn: Fanfaren erklingen. Nimmt das Album nun wieder Fahrt auf? Ein wenig Selbstlob darf auch hier nicht fehlen. Die Fantas rappen davon, dass sie Stadien füllen, dass sie Meilensteine gesetzt haben. Hat wieder was von Fettes Brot, hat aber auch etwas von einem Hit. Das wissen sie auch selbst: "Ein Hitisn Hitisn Hitisn Hitisn."


7. Watchmen: Nett zum Zuhören. Smudo und Co. erzählen mit teils schnellen Raps ein paar Geschichten. Schön für Nostalgiker: Michi Beck spielt darin auf A-N-N-A von Freundeskreis an. Das Manko: Weil ein echter Höhepunkt fehlt, wird der 5:15-Minuten-Song schnell monoton.


8. Alle (Skit): Ein kurzes Hörspiel zwischendurch. Nichts Erwähnenswertes.


9. Endzeitstimmung: Hier geht’s ab. Der Bass treibt, pusht den Song und auch der Text birgt Zündstoff. Fanta Vier holen zum Rundumschlag aus. Sie rechnen ab. Mit Pegida ("Ihr seid nicht das Volk, sondern Vollidioten"). Mit falsch ausgelegter Religion. Mit sozialen Missständen. Und und und. Die Fantas scheinen die zwischenzeitliche Lethargie abgelegt zu haben.


10. Hot (feat. Flo Mega): Die Fantas grooven weiter. Zusammen mit dem Soul-Sänger Flo Mega liefern sie einen Song zum Mitnicken ab. Der letzte Funke springt aber nicht über.


11. Henson J.J. Barkley (Skit): Michi Beck rappt irgendetwas Unverständliches. Bei "The Voice" verriet er mal, dass er das in jungen Jahren gerne gemacht hat. Schöne Idee.


12. Aller Anfang Ist Yeah: Stimmt, das Album heisst ja futuristisch anmutend "Captain Fantastic". Dieser Song passt nun am ehesten zum Albumtitel. Elektronische Einflüsse à la Deichkind kommen hier zum Einsatz. Wirkt frisch.


13. Das Ist Mein Ding: Ein Song, der auch ohne Probleme auf ein Blumentopf-Album passen würde. Eine treibende Strophe mit einem eingängigen, sich ständig wiederholenden Refrain. Mitnick-Potenzial!


14. Affen Mit Waffen: Ein etwas schleppender Song mit sphärischem Refrain. Der Titel sagt über den Text schon alles aus: Kritik am Militarismus der Weltpolitik. Die Menschheit entwickle sich zurück in die Steinzeit. Düstere Themen greifen sie auf, die Fantas.


15. Hitisn Reprise (feat. Tom Gaebel): Eine Interpretation von "Hitisn" durch den Swing-Sänger Tom Gaebel. Eine nette Idee, macht Lust auf Swing.


16. Weitermachen (feat. Damion): Gut ausgewählte Schlussnummer. Stark umgesetzt von den Fantas und Gast-Rapper Damion. "Geh und folg‘ deiner Sehnsucht", heisst es darin. Wirkt!


Fazit zu "Captain Fantastic"

Fanta Vier sind politischer geworden. Vor allem die Songs "Captain Fantastic", "Endzeitstimmung" und Affen mit Waffen" machen das deutlich. Das Spritzig-Freche an der Band kommt in "Captain Fantastic" seltener zum Vorschein, ist aber bei Weitem nicht mehr so kreativ wie etwa bei den Klassikern "MFG" oder "Troy".

Das ist aber kein Nachteil. Beim zehnten Studioalbum darf man gerne mal neue Wege gehen. Schon beim vergangenen Album "Rekord" (2014) erfanden sich die Fantas teilweise neu und mischten verschiedene Musikstile. Mit Erfolg - wie man an den Verkaufszahlen und Chartplatzierungen erkennt.

Auffällig ist, dass sich Fanta Vier und Fettes Brot stilmässig bei manchen Songs ähneln. Damit teilen sie sich aber auch ein gemeinsames Problem. "Captain Fantastic" mangelt es wie dem letzten Fettes-Brot-Album "Teenager vom Mars" (2015) an echten Hits. Die Fantas landeten mit der Single-Auskopplung "Zusammen" lediglich auf Platz 25 der deutschen Charts. Eventuell hat "Hitisn", wie der Name schon sagt, Hit-Potenzial.

Den Fantas ist das - und war es wohl schon immer - egal, wie hoch sie in den Single-Charts landen. Ihr Publikum haben sie bereits gefunden. Und dem präsentieren sie mit "Captain Fantastic" etwas Neues.

Smudo, Michi Beck, Thomas D. und And.Ypsilon und ihre Fans sind sich wohl auch ohne Nummer-1-Hit einig: "Ein Hitisn Hitisn Hitisn Hitisn."

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