Die ESC-Debatte zwischen Ikke Hüftgold und dem NDR geht in die nächste Runde. Nachdem der Zweitplatzierte des Vorentscheids in einem Instagram-Post schwere Vorwürfe gegen den öffentlich-rechtlichen Sender erhoben hatte, dementierte die ESC-Redaktion in einer Stellungnahme angebliche Rechenfehler. Unsere Redaktion hat den Partyschlagersänger mit dieser NDR-Reaktion konfrontiert.

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Rund anderthalb Monate nach dem ESC-Vorentscheid "Unser Lied für Liverpool" hat Ikke Hüftgold am vergangenen Sonntag in einer ausführlichen Stellungnahme auf Instagram seinen Unmut gegenüber dem NDR kundgetan. Unter dem Titel "Statement zum ESC – Ikke Hüftgold vs. NDR" erhob der Zweitplatzierte des Wettbewerbs, der mit dem Lied "Lied mit gutem Text" angetreten war, schwere Vorwürfe gegen die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt. In seinem Social-Media-Post zweifelte der Partyschlagersänger unter anderem das Endergebnis an und verwies dabei auf "zahlreiche Rechenfehler", die aus einer Tabelle hervorgehen sollen, die er erst auf Nachdruck erhalten habe. Auch von dem "Eindruck einer nachträglichen Manipulation" und von "Personen in der Auswahljury, die durch eine aktive wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Künstlern befangen waren" ist die Rede. Matthias Distel, wie der Interpret mit bürgerlichem Namen heisst, forderte den NDR auf, "die genauen Abstimmungszahlen öffentlich bekannt zu geben".

So reagierte der NDR auf die Vorwürfe

Inzwischen hat sich der NDR zu den Vorwürfen geäussert und auf Nachfrage von RTL ausrichten lassen: "Die Abstimmung beim Deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest 2023 verlief korrekt und unter notarieller Aufsicht." Sie sei von der gleichen Firma abgehalten worden, die "auch beim Internationalen ESC das Publikums-Voting betreut". Zudem habe Herr Distel am 6. März "eine Auflistung der eingegangenen Anrufe, SMS und Online-Abstimmungen" bekommen, die auch "die Summe der am Abend der Abstimmung eingegangenen Zuschauer-Votes und auch der abgegebenen Jury-Punkte" enthalten würde. Die Liste enthalte keine Rechenfehler, sie sei lediglich missverständlich beschriftet worden.

ESC-Debatte geht in die nächste Runde

Auf eine Anfrage unserer Redaktion bezog sich die Pressestelle des NDR auf die genannten "Antworten der ESC-Redaktion gegenüber RTL" und erklärte, dass dem nichts hinzuzufügen sei. Wir haben bei Ikke Hüftgold nachgefragt und ihn mit den bisherigen Reaktionen auf sein Statement konfrontiert. "Soll das wirklich alles gewesen sein?", fragt sich der 46 Jahre alte Sänger und läutet im selben Atemzug die nächste Runde in der ESC-Debatte ein: "Also soll ich jetzt wieder losledern? Mache ich gerne. Ich halte es für ein absolutes Armutszeugnis, dass jetzt weiter gemauert wird." Er habe ganz klare Fragen gestellt und darauf bis heute keine konkreten Antworten bekommen.

"Nach dieser Reaktion zweifle ich alles umso mehr an"

Eine dieser Fragen, die Ikke Hüftgold in seinem Instagram-Post aufwarf, lautete: "Warum verwehrt man den Anrufern (SMS und Telefon-Votings waren kostenpflichtig) und GEZ-Zahlern die Transparenz für ihre Ausgaben?" Darauf angesprochen, erläutert der Sänger: "Ich war nicht nur ein Teil dieser Veranstaltung, sondern ich bin auch GEZ-Zahler. Wie kann es sein, dass man alles hinterm Berg hält? Es ist mir egal, wie oft ich vonseiten des NDR noch zu hören bekomme, dass alles notariell beglaubigt gewesen sei. Nach dieser Reaktion zweifle ich alles umso mehr an. Denn in dieser Aussage steckt alles – nur keine Transparenz. Und die ist das, was ich jetzt erwarte."

Ikke Hüftgold kündigt an: "Es gibt noch mehr Dinge, die ich zu sagen habe"

Sollte er diese Transparenz nicht bekommen, "werden wir uns in den nächsten Wochen eben noch intensiver mit dem Thema beschäftigen müssen", kündigt Ikke Hüftgold an. Denn: "Es gibt noch mehr Dinge, die ich zu sagen habe und die ich weiss. Und diese Dinge werde ich auch öffentlich machen." Die Gefahr, als schlechter Verlierer in die ESC-Geschichte einzugehen, sieht der Sänger, der beim Vorentscheid direkt hinter dem Sieger-Act Lord of the Lost gelandet war, derweil nicht. "Ich habe in meinem Statement deutlich gemacht, dass ich weder rückwirkend das Ticket nach Liverpool erzwingen noch meine geschätzten Musikerkollegen von Lord of the Lost mit meinen Ausführungen infrage stellen möchte. Und dazu stehe ich auch", erklärt der frühere Ballermann-Sänger.

Sänger widerspricht ESC-Redaktion: "Die Tabelle war eindeutig beschriftet"

Den Hinweis der ESC-Redaktion gegenüber RTL, dass die Listen keine Rechenfehler enthalten würden, sondern lediglich missverständlich beschriftet gewesen sein sollen, bezeichnet der Limburger derweil als "schlechten Witz". Hüftgold versichert uns: "Die Tabelle, die mir zur Verfügung gestellt wurde, war eindeutig beschriftet – da gibt es kein Links und auch kein Rechts. Da gibt es Rechenfehler – und in den Summen eine Diskrepanz. Ich finde es lächerlich, dass der NDR nicht mit den Zahlen rausgeht."

Fan-Hinweise liessen ihn aufhorchen

Nicht nur die Rechenfehler, die Hüftgold ermittelt haben will, bereiten ihm Kopfzerbrechen, sondern auch diverse Hinweise seiner Fans, die am Abend des Vorentscheids versucht hatten, per Telefon für seinen Beitrag abzustimmen: "Mich haben Hunderte Menschen kontaktiert, die an diesem Abend nicht durchkamen. Mir wurde sogar ein Video eines sehr verärgerten Fans zugeschickt, das das bestätigt. Bei ihm war ständig besetzt. Er hat das auch als Instagram-Story gepostet. Aufgrund meines Statements wies er mich darauf hin. Nachrichten wie diese erhielt ich nach meinem öffentlichen Statement im Minutentakt." Ein Notar könne laut des Sängers doch gar nicht nachvollziehen, falls da jemand die Leitungen lahmlege. Hüftgold fühlt sich daher um seine Chance beraubt: "Das kann mir doch keiner erzählen. Ein Notar bekommt nur die Anrufe und Nachrichten mit, die auch angekommen sind."

Warum geht Ikke Hüftgold erst jetzt an die Öffentlichkeit?

Der Stachel bei Ikke Hüftgold sitzt offensichtlich tief. Doch was brachte das Fass zum Überlaufen, jetzt, Wochen nach dem Anfang März ausgetragenen Vorentscheid? Denn eigentlich war für ihn "die Reise zum weltgrössten Musikwettbewerb am 3.3.23 mit einem guten zweiten Platz für Ikke Hüftgold beim deutschen Vorentscheid in Köln zu Ende gegangen", wie er in seiner Stellungnahme schrieb. Er habe sich "als guter Verlierer" über seinen Instagram-Account bei allen bedankt, die ihn unterstützen – auch dem NDR habe er am Tag danach gedankt.

Artikel über ESC-Kommentator Peter Urban als Auslöser

Der Auslöser für Ikke Hüftgolds deutliches "Statement über Intransparenz, Klüngel, Vorteilsnahme und Angst einer Sendeanstalt, die von öffentlichen Geldern finanziert wird … dem NDR!" war allem Anschein nach ein Artikel der "Süddeutschen Zeitung". Darin wurde ESC-Kommentator Peter Urban zitiert – nach dessen Ansicht allerdings "an entscheidenden Stellen falsch", wie der 75-jährige Moderator mittlerweile in dem Podcast "ESC Update" erklärt hat. In besagtem "SZ"-Artikel war zu lesen: "Beim Vorentscheid habe ihn in seinem Wohnzimmer schon kurz die Panik gepackt, erzählt Peter Urban. Deutschland werde doch nicht ausgerechnet diesen tumb teutonischen Mist nach Liverpool schicken, zu seiner letzten Sendung. Ikke Hüftgold, einen Musiker, der Dosenbier am Ballermann verteilt und sich in seinen Liedern vornehmlich auf den Austausch von Körperflüssigkeiten konzentriert. Das wäre fatal für das Bild Deutschlands im Ausland. Und für ihn als Kommentator. Peter Urban weiss das." Diese Ausführungen hatte Hüftgold als "Beleidigungen gegen mich und die Partyschlager-Community" aufgefasst.

"Tumb teutonischer Mist"

Unsere Redaktion hat auch Urban über eine Anfrage an den NDR um eine Stellungnahme gebeten und von der ESC-Redaktion folgende Antwort erhalten: "Peter Urban wird am 13. Mai zum 25. und letzten Mal das ESC-Finale kommentieren. Er hat im Podcast 'ESC Update' seine Aussagen bereits klargestellt." Darin gibt Urban zu bedenken, dass "es wirklich so aussieht, als ob ich das gesagt hätte. Und das habe ich nicht". Worte wie "tumb teutonisch" würde er nach eigener Aussage nie in den Mund nehmen. Hüftgold, auf die Klarstellung der ESC-Legende angesprochen, hat seine Zweifel: "Ich frage mich: Welcher Journalist kommt auf die Idee, Herrn Urban eine Wortkombination wie 'tumb teutonischer Mist' in den Mund zu legen?" In dieser Debatte scheint es offensichtlich noch weiteren Klärungsbedarf zu geben …

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Ikke Hüftgold
  • rtl.de: Ikke Hüftgold wirft dem NDR Betrug vor – jetzt reagiert der Sender!
  • Instagram.com: Ikke Hüftgold
  • Eurovision.de: ESC Update: Peter Urban weist Ikke Hüftgolds Vorwürfe zurück
  • sueddeutsche.de: ESC-Kommentator Peter Urban – Ende Legende
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