Er will es noch einmal wissen: Max Mutzke arbeitet 20 Jahre nach seinem achten Platz in Istanbul an einer weiteren ESC-Teilnahme. Mit "Forever Strong", einem Song mit "Grand-Prix-Pathos" und einer hoffnungsvollen Botschaft, möchte der mittlerweile 42-jährige Musiker den Vorentscheid "Eurovision Song Contest – Das deutsche Finale 2024" am 16. Februar (ab 22.05 Uhr live im Ersten) für sich entscheiden.
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ESC: Max Mutzke will es nach 20 Jahren nochmal wissen
Herr Mutzke, vor 20 Jahren sind Sie beim ESC für Deutschland angetreten und starker Achter geworden. Warum wollen Sie es noch einmal wissen und sich im deutschen Vorentscheid das Final-Ticket sichern?
Max Mutzke: Die Idee, noch einmal teilzunehmen, kam wirklich super spontan. Ich hatte 19 Jahre lang nichts mehr mit dem ESC zu tun – und zwar ganz bewusst, weil es eigentlich nicht die Veranstaltung ist, bei der ich mich als Künstler sehe. Meine erste Teilnahme damals war die logische Konsequenz aus den Wochen zuvor. Ich bin Woche für Woche in der Castingshow ("Stefan sucht den Super-Grand-Prix-Star"; Anm. d. Red.) weitergekommen und habe letztlich auch den grossen Vorentscheid in Berlin gewonnen. Die Voraussetzung dafür war allerdings, dass man mit seinem Song unter den Top 40 sein musste – wir waren über viele Wochen sogar auf Platz eins. Wir waren auf einer kompletten Gewinnerlinie unterwegs ...
Eine "Gewinnerlinie", die Sie bis ins grosse ESC-Finale nach Istanbul führen sollte. Hatten Sie also gar keine andere Wahl, als das Projekt durchzuziehen?
Ich würde es anders ausdrücken: Es war einfach eine unglaublich aufreibende Zeit. Man darf nicht vergessen, dass ich parallel zum ESC noch mein Abitur machen musste. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine Familie, aber eine feste Partnerin, die immer an meiner Seite war. So spannend diese Reise auch war: Ich hatte damals nicht das Gefühl, dass diese Veranstaltung zu 100 Prozent zu mir passt. Schliesslich komme ich aus einer ganz anderen Musikrichtung.
Was hat Sie jetzt, zwei Jahrzehnte später, zum Umdenken gebracht?
Mein Mitwirken an der ESC-Countdown-Show mit
Wurde diese spontane Eingebung danach sofort in die Tat umgesetzt?
Nein, wir haben nie wieder darüber gesprochen – bis eine Woche vor dem Ende der Frist (lacht). Wir haben uns dann spontan beworben – mit einem Song, den wir innerhalb eines Tages geschrieben haben. Das war aber kein Problem, da ich genau wusste, wie der Song klingen muss.
Ihr Beitrag heisst "Forever Strong". Was macht diesen Track zu einem ESC-Song?
Ich wollte unbedingt einen Song mit Grand-Prix-Pathos schreiben. Ich wollte eine grosse Melodie. Und ich wollte, dass die Range meiner Stimme zum Tragen kommt. Zudem war es mir von vornherein wichtig, dass ich mir auch mit Blick auf die Inszenierung treu bleibe. Ich werde also wie damals ganz alleine auf der Bühne stehen. Dennoch wollen wir die LED-Wand toll bespielen und eine gewisse Modernität in den Auftritt bringen – aber alles sehr reduziert, denn schliesslich soll der Song für sich stehen.
ESC-Song "Forever Strong" appelliert an die universellen Werte
Inhaltlich verbreitet "Forever Strong" Hoffnung in schwierigen Zeiten. Wollten Sie eine Botschaft, die in ganz Europa sofort verstanden wird?
"Forever Strong" soll das wiedergeben, wofür der Grand Prix steht. Momentan bekommen wir ständig um die Ohren gehauen, dass die weltliche Ordnung ins Rutschen gerät und dass universelle Werte nicht mehr bestehen. Das ist natürlich total falsch. Die Menschen funktionieren, wie die jüngsten Proteste gegen die AfD bewiesen haben. Auch wenn diese längst überfällig waren, wurde deutlich, dass der allergrösste Teil unserer Gesellschaft ein toleranter, liebender und stützender Haufen ist. Wenn wir konsequent den Werten, die wir in unseren Herzen tragen, folgen würden, dann würde es weniger Stress auf der Welt geben. Leider lassen sich aber einige Menschen mehr und mehr zu Hetze und Gewalt hinleiten.
Kann man diese Menschen Ihrer Ansicht nach tatsächlich mit einem Song zum Nachdenken bringen?
Man könnte jetzt natürlich sagen: Das ist "Eulen nach Athen tragen". Denn natürlich denken die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sowie das ESC-Publikum ohnehin so wie wir. Aber es kann doch trotzdem nicht schaden. Ich bin der Auffassung, dass wir als Künstler immer den Auftrag wahrnehmen müssen, zumindest einen Schwerpunkt in der jeweiligen Show zu präsentieren, der sich sozialen Belangen widmet. Diesen kundzutun und sich eben nicht rauszuhalten, empfinde ich als sehr wichtig. Darauf soll mein Song abzielen.
Geht es Ihnen bei dem Projekt "ESC 2024" weniger um die Platzierung als um Ihre Message? Wobei auch zur Wahrheit gehört, dass Sie den Vorentscheid schon gewinnen müssten, um Ihre Botschaft einem internationalen Publikum vortragen zu können …
Das gehört absolut zur Wahrheit dazu. Ich muss auch zugeben, dass ich schon ein Wettbewerbstyp bin. Wenn ich mitmache, dann möchte ich auch gewinnen. Das war unter anderem auch bei "The Masked Singer" so, wo ich als Astronaut am Ende tatsächlich gewinnen konnte. Diesen Ehrgeiz habe ich auch mit Blick auf meine erneute ESC-Teilnahme. Dennoch ist es schön, mit einem Song wie diesem auf die Bühne gehen zu dürfen.
Bleiben die Augen diesmal geöffnet, wenn Sie Ihren Song zum Besten geben? Das war ja im Prinzip die einzige mediale Kritik, der Sie sich nach ihrem achten Platz 2004 stellen mussten …
(lacht) Natürlich gab es mit Blick auf meinen damaligen Auftritt einige Stellschrauben, an denen ich sehr gut drehen konnte. Viele haben sich auch von ganz alleine gelöst. Nach 20 Jahren singe ich heute viel reifer und die unzähligen Auftritte haben mir Sicherheit gegeben. Der Umgang mit den Kameras ist eine andere, genauso wie die Selbstverständlichkeit, mit der ich heute performen kann. Auch mein heutiges Outfit passt deutlich besser zu mir. Ich liebe zum Beispiel meinen Hut, den ich immer trage – allerdings nur auf der Bühne, nicht privat.
Ist auch die Nervosität verflogen oder begleitet die einen Künstler für alle Zeiten?
Die Nervosität wird mindestens genauso gross sein. Das gehört einfach dazu. Dennoch gibt es Unterschiede: Damals stand ich zum allerersten Mal alleine ohne Schlagzeug auf der Bühne, das ich normalerweise immer um mich herum hatte. Ich wusste, dass rund 120 Millionen Menschen zuschauen werden. Und ich musste bei "Can't Wait Until Tonight" diesen hohen Ton treffen, was mir rückblickend nur halb gelungen ist. Dazu kam der türkische Refrain, mit dem wir das Publikum in Istanbul überraschen wollten. Das alles hatte dazu geführt, dass ich mich zu unsicher fühlte, um mit offenen Augen zu singen. Die Gefahr einer Ablenkung erschien mir damals zu gross. Diesmal werden die Augen geöffnet bleiben. Was den Schwerpunkt meiner Performance angeht, möchte ich mir aber treu bleiben.
Max Mutzke über seinen ehemaligen Mentor Stefan Raab
Diesmal müssen Sie auch nicht direkt in die Augen Ihres damaligen Mentors Stefan Raab schauen ...
Genau. Stefan Raab ist gefühlt der ehrgeizigste Mensch der Welt. Diesen Druck habe ich hinter den Kulissen natürlich auch gespürt. Für jemanden, der erst wenige Wochen zuvor zum ersten Mal ein TV-Studio von innen gesehen hatte, lastete so einiges auf meinen Schultern.
Haben Sie sich schon einen Rat von Stefan Raab für Ihren diesjährigen Auftritt eingeholt?
Einen Rat habe ich mir nicht eingeholt, aber ich habe ihn einen Tag vor der offiziellen Bekanntgabe der Teilnehmer angerufen. Wir stehen nach wie vor in Kontakt, auch wenn es vorkommen kann, dass wir vielleicht mal ein halbes Jahr lang gar nichts voneinander hören. Ich besuche ihn aber hin und wieder und würde schon von einer Freundschaft sprechen. Jedenfalls wollte ich, dass er von meiner erneuten Teilnahme nicht aus den Medien, sondern persönlich von mir erfuhr. Schliesslich hat meine Karriere mit ihm an meiner Seite begonnen, ich habe ihm viel zu verdanken.
Wie hat er reagiert?
Ganz entspannt. Er meinte, dass ich mich doch nicht bei ihm melden müsse und dass ich ja mein eigenes Leben führe. Für mich war es dennoch Ehrensache, ihm das vorab mitzuteilen. Einen Rat brauchte ich tatsächlich nicht, immerhin mache ich das ja auch schon seit 20 Jahren. Dass ich die Leute darauf in meinem Jubiläumsjahr mit der ESC-Teilnahme, einer Tour und einem Buch hinweisen darf, ist irgendwie ein schöner Nebeneffekt.
Wollte Stefan den Song denn vorab hören?
Er hat mich tatsächlich gefragt, ob man den Song schon hören könne. Ich habe ihm dann einen Link geschickt – und bis heute nichts mehr von ihm gehört (lacht). Ich bin mal gespannt, ob er einfach nur keine Zeit hatte oder den Song so schlecht fand. Aber wenn das so sein sollte, hätte er es mir auch gesagt. Stefan ist total ehrlich. Von daher gehe ich einfach mal von Zeitgründen aus.
Vor 20 Jahren waren Sie ein Newcomer und konnten sich im Vorentscheid gegen etablierte Musiker wie Sabrina Setlur, Laith Al-Deen oder Scooter durchsetzen. Finden Sie es schade, dass sich heute nur noch selten gestandene Künstler an den ESC herantrauen?
Ich finde es eher wichtig, dass Newcomer heutzutage weiterhin eine Chance bekommen, sich auf einer grossen Bühne beweisen zu können. In Sachen Sichtbarkeit aller Nachwuchskünstler und Nachwuchskünstlerinnen gibt es Nachholbedarf. Der Verdrängungswettbewerb ist riesig, alles ist schnelllebiger geworden. Auch ich merke das. Du kannst bei "The Masked Singer" gewinnen, spürst aber bei deiner eigenen Tournee im Anschluss mit Blick auf die Ticketverkäufe kaum einen Effekt. Man kann das zwar kritisieren, doch es ist auch eine gute Erkenntnis: Man sollte sich nie darauf ausruhen, was man geschafft hat.
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