Im Drogenrausch hatte Kevin Russell in der Silvesternacht 2009 bei einem Autocrash zwei Menschen lebensgefährlich verletzt. Nach seiner Haftentlassung spricht der ehemalige Böhse-Onkelz-Sänger jetzt erstmals über den Unfall, seine Drogensucht und die Zeit im Gefängnis.
In der am Mittwoch erscheinenden Ausgabe des Musikmagazins "Metal Hammer" redet der 49-Jährige überraschend offen über seinen Drogenentzug im Knast: "Es war furchtbar. Körperlich und seelisch ein absoluter Höllenritt. Ich habe in meinem eigenen Saft, meinem Schweiss und meiner Scheisse gelegen. Ich hatte Angst, im Knast direkt zu sterben." In seiner schlimmsten Suchtphase habe er sich täglich "20 Gramm 70-prozentiges Kokain reingezogen". Seine Alkoholabhängigkeit erreichte mit "viereinhalb Liter Jägermeister pro Tag" den Höhepunkt. "Ich war so druff – druffer geht’s nicht mehr", erzählt der gebürtige Hamburger. Seit 15 Jahren rühre er jedoch keinen Schnaps mehr an.
Russell war wegen des Unfalls mit Fahrerflucht zu über zwei Jahren Haft verurteilt worden, musste wegen seines schlechten Gesundheitszustandes jedoch nur vier Monate hinter Gitter verbringen. Diese Zeit bezeichnet er rückblickend als "absoluten Tiefpunkt" seines Lebens. "In den Knast gehe ich nie wieder. Das ist unmenschlich." Jede Hafterleichterung habe er abgelehnt und seine Zelle nie verlassen. Er habe keinen Kontakt zu anderen Häftlingen und keinen Hofgang gehabt. "Die pure Isolation auf zwei mal drei Metern. Das war mein eigenes Urteil über mich selbst. Das hatte ich verdient, und diese Qualen der Hölle musste ich ertragen."
Drogenfreies Leben als Familienvater
Auch über seine Krankheitsgeschichte gab der Musiker dem Magazin detailliert Auskunft: "Ich bin sieben Mal dem Tod von der Klinge gesprungen." 2006 wurde bei Russell eine schwere Hirnhautentzündung diagnostiziert. "Die Ärzte mussten meinen Schädel brechen und vier golfballgrosse Stellen des Gehirns entfernen. Mir wurden 35 Prozent meiner rechten Gehirnhälfte rausgesaugt. An meinem Kopf habe ich Löcher, die sind so gross, da kannst du deinen Daumen reinsetzen." Heute leide er unter chronischer Lungenentzündung, Asthma und Bronchitis. "Ich habe keinen Geruchssinn mehr, keinen Geschmackssinn, Nebenhöhlen im Arsch. Das habe ich mir alles weggeschossen."
Russell lebt inzwischen drogenfrei und zurückgezogen mit seiner Familie im ländlichen Baden-Württemberg und übt sich in Reue. Was passiert ist, tue ihm "unendlich leid", sagt er über den Unfall. "Ohne diesen verdammten Verkehrsunfall und seine Folgen hätte ich es nicht mehr geschafft. Ich sässe nicht mehr hier." Jetzt will Russell "der Welt etwas zurückgeben und Gutes tun". Der Traum vom cleanen Leben sei immer da gewesen. "Ich möchte den Leuten zeigen, dass es noch einen anderen Kevin gibt." (cgs)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.