Helene-Fischer-Abend im ZDF: Nach den Highlights ihrer Berlin-Konzerte, zeigen die Mainzer die Backstage-Dokumentation "Helene Fischer – Momente". Doch statt dem Zuschauer den Menschen Helene Fischer vorzustellen, sieht man nur einen halbstündigen Hochglanz-Werbeclip.
Geschichten über Künstler, die auf einer riesigen Erfolgswelle schwimmen, beginnen oft mit Sätzen wie "XY polarisiert" oder "XY teilt die Nation". Gerne auch: "Die einen hassen XY, die anderen lieben ihn."
Was könnte man denn auch an ihr hassen? Helene Fischer bietet einfach keine Angriffsfläche. Alles, was sie macht, macht sie scheinbar perfekt. Sie ist musikalisch zurzeit der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich alle zu einigen scheinen, vom Krabbenfischer bis zum Rechtsanwalt, vom Fussballfan bis zum Dressurreiter. Helene Fischer, das ist Konsensmusik ohne Ecken und Kanten. Man muss sich nicht mögen, aber zum Hassen reicht's auch nicht.
Wer ist Helene Fischer?
Das mag natürlich zum grossen Teil an dem musikalischen Umfeld liegen, in dem sie arbeitet, dem Schlager. Das ist nun einfach kein Metier, in dem klare Kante gefahren wird, in dem man sagt, was man denkt. Alles ist nur auf Momente der vermeintlichen Glückseligkeit ausgerichtet, auf heile Welt, grosse Gefühle, Friede, Freude, Eierkuchen. Maske auf, Bühne frei, Feierabend, vielen Dank. Wie interessant wäre es, würde man einmal hinter die Kulissen dieser heilen Schlagerwelt blicken.
Die Dokumentation "Helene Fischer – Momente", die das ZDF gestern Abend im Anschluss an die Aufzeichnung des Berlin-Auftritts der Fischer vom Juli dieses Jahres zeigte, hätte eine Chance sein können, einmal mehr über den Menschen Helene Fischer zu erfahren. Doch statt einer Annäherung an die Person Helene Fischer ist die halbstündige Dokumentation ein einziger Werbefilm für den Schlagerstar.
Alles perfekt – wie langweilig
"Helene Fischer – Momente" ist eine reine Backstage-Dokumentation für Fans der Sängerin. Die Kamera begleitet Fischer beim Besichtigen der Umkleideräume, beim Warmsingen, in Gesprächen mit dem Team und während ihren Shows. Crew-Mitglieder erzählen, wie viel Aufwand so eine Tournee ist, Fans berichten von ihrer Liebe zu Helene und der Off-Sprecher schwelgt in Superlativen und darf Werbe-Sätze wie "Nur noch wenige Momente bis zum spektakulären Start" wie vom Fliessband abspulen.
Dazu spart die Doku nicht an Hochglanz-Zeitlupen, bei denen sogar das Regenwasser-von-der-Bühne-kehren unglaublich ästhetisch aussieht. Wie eben alles, was mit Helene Fischer zu tun hat, irgendwie perfekt aussieht. Jeder hat wahnsinnig viel Spass und ist freundlich, alles ist "super" oder "mega" und in einer so perfekten Welt scheint es undenkbar, dass hinter Helene Fischer kein Interpretationsroboter steckt, sondern tatsächlich ein Mensch. Wenn es eine solche andere Welt geben sollte – die Dokumentation verschweigt sie.
Das Risiko, nicht gemocht zu werden
Es gibt in diesen dreissig Minuten nur eine einzige Szene, in der so etwas wie echte menschliche Regungen sichtbar werden. Als Helene Fischer sich mehr oder weniger darüber amüsiert, dass ihr Bild auf den Plastikbechern, in denen die Getränke ausgeschenkt werden, so unglücklich platziert wurde, dass, wenn etwas Bier im Becher ist, es so aussieht, als würde sie auf diesem Bild in ihrem eigenen Urin sitzen. Doch auch bei dieser Szene geht es weniger um Helene Fischers Gedankenwelt als wieder nur um Perfektion und ums Marketing.
Wer also etwas über den Menschen Helene Fischer erfahren möchte, darüber, wer sie ist, was sie denkt, was sie aufregt, der findet in dieser Dokumentation so gut wie gar nichts. Sollte Helene Fischer tatsächlich Ecken und Kanten haben – und davon ist auszugehen - dann wäre es schön, diese endlich einmal zu sehen. Denn wenn Helene Fischer nicht nur der momentan grösste Schlagerstar sein möchte, der sie nun mal in Deutschland ist, sondern wirklich eine ganz Grosse, dann lohnt es sich, zu zeigen, wer man wirklich ist. Dass einem wichtig ist, was man tut und nicht nur, dass man es tut. Welche Meinung man hat, auf welcher Seite man steht. Sich auch mal einzumischen, Flagge zu zeigen. Für Helene Fischer wäre das der Schritt von der Interpretin zur Künstlerin. Doch dazu müsste Fischer das Risiko eingehen, auch einmal nicht gemocht zu werden, nicht perfekt zu sein. Aber das passt eben einfach nicht in diese heile Schlager-Welt.
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