Helge Schneider feiert am 30. August seinen 65. Geburtstag. Als Quatschmacher, Musiker und Schauspieler ist er den meisten Menschen bekannt, doch der Künstler hat noch viel mehr Talente. Dabei verliess er die Schule einst ohne Abschluss. Ein Porträt.
Zehntausende Menschen drängen sich am 22. Mai 1999 vor der Centerstage des Festivals "Rock am Ring" am Nürburgring. Der Grossteil der Festivalbesucher wartet auf die Megaband Metallica, die Headliner des Tages. Eine Band nach der anderen betritt die Festivalbühne in der Eifel, je näher der Auftritt von Metallica rückt, umso rockiger wird es.
Und zwischen Monster Magnet und Cypress Hill hat schliesslich
Schneider spielt E-Gitarre und singt, er trägt eine Jacke, die an Schaffell erinnert und eine Sonnenbrille. Eigentlich macht er Quatsch, aber er ist einfach richtig gut in dem, was er tut. Was typisch für Helge Schneider ist. Die Rockfans am Ring sind begeistert, selbst die Mitglieder von Metallica sollen von ihrer ungewöhnlichen Vorband sehr angetan gewesen sein. Eine Episode, die zeigt, wie vielseitig Helge Schneider ist.
Helge Schneider bei Rock am Ring
Den meisten Menschen dürfte Schneider vor allem als singender Komiker, Schauspieler und Regisseur solcher grandiosen Filme wie "Praxis Dr. Hasenbein" bekannt sein. Doch Schneider, der am 30. August 65 Jahre alt wird, ist auch ein hervorragender Jazzmusiker. Und ein Rocker, ein Multiinstrumentalist, ein Songwriter, ein Chansonier.
Nebenbei arbeitet Schneider auch noch als Theaterregisseur und Autor, mehr als ein Dutzend Bücher hat er veröffentlicht, beispielsweise den Kriminalroman "Das scharlachrote Kampfhuhn" oder die ziemlich schräge Feminismus-Satire "Eiersalat – eine Frau geht ihren Weg". Er malt auch, hält dies aber grösstenteils aus der Öffentlichkeit heraus.
Purer Quatsch oder tieferer Sinn? Bei Helge Schneider weiss man es nie
Mit seinem ebenso umfangreichen wie vielfältigen Werk ist der Künstler, der sich selbst als "singende Herrentorte" bezeichnete, nicht leicht zu fassen. Viele Menschen lieben ihn für seinen Blödsinn, für den absurden Klamauk, für seinen Nihilismus, in den sich so viel hineininterpretieren lässt.
Nie weiss man, ob der in Mülheim an der Ruhr geborene Schneider wirklich gerade nur Quatsch erzählt, oder ob ein tieferer, vielleicht sogar philosophischer Sinn in seinen Ausführungen steckt. Alles wirkt improvisiert und genauso soll es sein. Wie bei seinem geliebten Jazz.
Eigentlich ist Schneider mit seiner Mischung aus Blödelei, Dadaismus und Musik nur bedingt mainstreamtauglich. Aber irgendwie können sich doch fast alle auf den Mann mit den schrillen Bühnenoutfits einigen.
Den Höhepunkt erreichte seine Popularität 1994, als sein Song "Katzeklo" die Charts stürmte. Schneider trat bei Thomas Gottschalk in "Wetten, dass…" auf. Am gleichen Abend performten dort "Take That".
"Willst du eine saubere Katze haben, musst du im Geschäft nach Katzenklo fragen", sang Schneider, 16 Millionen Fernsehzuschauer hörten fasziniert zu. Danach nahm er sich eine mehrmonatige Auszeit von der Bühne und dem Rummel um seine Person, wie mehrfach in seiner Karriere. Die kleinen Bühnen waren und sind ihm ohnehin lieber.
Helge Schneider hat keinen Schulabschluss
"Das ganze Geld mit Quatsch verdient", singt Schneider in dem Song "Gartenzaun" und scheint selbst darüber schmunzeln zu müssen. Denn zunächst deutete nichts auf eine grosse Karriere hin, in seiner Schulzeit hatte Schneider mit Problemen zu kämpfen.
Bereits in der neunten Klasse verliess er ohne Abschluss die Schule und begann eine Ausbildung als Bauzeichner, die er ebenfalls abbrach. Seinen Misserfolg in der Schule schob er auf seinen Drogenkonsum. Ob dies nun der Wahrheit entspricht, oder wieder eine von Schneiders Geschichten ist, sei mal dahingestellt.
Jedenfalls können die schulischen Probleme nicht an seiner mangelnden Begabung gelegen haben. Denn schon im Alter von fünf Jahren zeigte sich, was für ein enormes musikalisches Talent Schneider hat.
Zunächst begann er, Klavier zu spielen. In den folgenden Jahren eignete er sich zahlreiche Instrumente wie Gitarre, Bass, Schlagzeug, Orgel, Mundharmonika, Geige, Cello oder Trompete an. "Eigentlich bin ich ein Autodidakt", erzählt er mal, sobald er die Funktionsweise eines Musikinstrumentes verstanden habe, könne er es auch bald spielen.
Ein Klavierstudium, dass er 1972 nach einer Sonderprüfung für Hochbegabte aufnehmen durfte, brach er trotzdem wieder ab und schlug sich mit verschiedenen Jobs durch, bevor seine Karriere als Musiker, Schauspieler und Komiker ins Rollen kam. Mittlerweile blickt Schneider auf fast 40 Jahre auf der Bühne zurück. Auch wenn er im Frühjahr kurzzeitig über einen möglichen Ruhestand fabulierte, soll noch lange nicht Schluss sein.
Noch keine Gedanken an die Rente
"Das wäre schön für eine gewisse Zeit", sagte Schneider der "Augsburger Allgemeinen": "Aber in zwölf Monaten ist mein Geld alle. Und wenn ich dann nicht auf Tournee gehen kann, muss ich wieder arbeiten: als Zahnarzt, Paketzusteller oder Pferdeschmied."
Natürlich wäre es sehr schön, ein Paket von Helge Schneider geliefert zu bekommen, aber der musikalische Komiker ist auf der Bühne viel besser aufgehoben. Derzeit ist er mit seinen neuen Album "Mama" auf Tour, auf dem unter anderem die Single "Ich setz mein Herz bei E-Bay rein" und sein Beitrag zu Stefan Raabs ESC-Ersatzshow, der wunderschöne Corona-Quarantäne-Song "Forever at Home", enthalten sind.
Auf seinen Konzerten, die derzeit Corona-bedingt mit deutlich weniger Zuschauern stattfinden, wird Schneider von seinem zehnjährigen Sohn Charles am Schlagzeug begleitet. Das musikalische Talent scheint sich also auf die nächste Generation übertragen zu haben.
Charles ist übrigens das jüngste von sechs Kindern des Musikers, die er mit vier verschiedenen Frauen hat. Sie alle werden am Sonntag mit ihm seinen 65. Geburtstag feiern, wenn es die Corona-Regeln denn zulassen.
Eine grosse Feier soll es dennoch nicht geben. "Nach der Party an meinem 50. Geburtstag habe ich vier Tage lang aufgeräumt. Das mache ich erst wieder, wenn ich 100 werde", sagte Schneider. Bis dahin bleibt dem brillanten Musiker und Komiker noch viel Zeit, um sich jede Menge von dem Quatsch auszudenken, den seine Fans so lieben.
Verwendete Quellen:
- Augsburger Allgemeine: Helge Schneider wird 65: Das grosse Geburtstagsgespräch
- TAZ: Kerzen auf der singenden Herrentorte
- Berliner Zeitung: Ruhiger, aber auch schöner
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