Vierfacher Vater, Schauspieler und Musiker: Über mangelnde Arbeit muss sich Jan Josef Liefers nicht beschweren. Mit seiner Band Radio Doria brachte er vor Kurzem ein neues Studio-Album heraus. Im Interview mit unserem Portal spricht er über gute Songtexte auf Deutsch, sein Verhältnis zu "Tatort"-Kollege Axel Prahl und ob es bald eine "Tatort"-Band gibt.
Jan Josef Liefers, Du spielst in der Band Radio Doria, Deine Frau
Dann zu Deiner Band: Ihr musstet wegen Urheberrechtsstreitigkeiten den Namen von Oblivion in Radio Doria ändern. Das ist aber nicht das Einzige, was sich bei der Band verändert hat. Früher habt Ihr englische Texte gesungen, nun deutsche. Warum?
Weil ich damals schon im Hinterkopf den Gedanken hatte: "Eigentlich ist es Quatsch." Beim ersten Album konnte ich mir aber nur Englisch vorstellen. Ich war ein riesiger Britpop-Fan.
Jan Josef Liefers: "Schlager gibt oft Plattitüden von sich"
Liegt es auch daran, dass Du auf Deutsch besser ausdrücken kannst, was Du singen willst?
Ich finde, es ist schwieriger, einen guten Text auf Deutsch zu schreiben als auf Englisch. Auf Englisch hört nicht jeder so genau hin, nicht jedes Wort liegt auf der Goldwaage. Wenn du auf Deutsch singst, klappt das nicht mehr. Jedes Wort ist verständlich. Erschwerend kommt hinzu, dass wir in unserer Kultur Volksmusik oder Schlager haben. Ich finde zum Beispiel, dass Schlager oft zu viele Plattitüden von sich gibt, über die es sich nicht lohnt, eine einzige Sekunde nachzudenken. Ein Satz wie: "Wenn die Sonne scheint, dann geht’s uns allen gut."
Was macht dann einen guten Songtext aus?
So wie ich über Musik denke, muss es um mehr gehen. Ein guter Songtext muss auch deine Geschichte erzählen, ohne jedes kleine Geheimnis bis ins letzte Detail auszubuchstabieren. Wenn ich die Musik höre, will ich auch mit meinen eigenen Gedanken, Gefühlen und Assoziationen dazwischen kommen. In den 80ern wurden deutsche Fernsehkrimis noch so gedreht. Da wurde deutlich gesagt, was nun als nächstes passiert. Und damit auch keiner am Schluss noch ein Fragezeichen im Kopf hat, wurde am Ende des Films alles noch einmal erklärt. Das finde ich schrecklich.
Ihr habt Euch für "Verlorene Kinder" als Single-Auskopplung entschieden. Was macht den Text des Songs aus?
In dem Song geht es darum, dass wir in Körpern stecken, die älter werden. Und das Kind, das auch ich mal war, würde mich nun ansehen und sagen: Das ist ein Erwachsener, ein alter Sack. Wir gehen zur Arbeit und ziehen uns zum Beispiel einen Anzug, Schlips und Kragen oder einen Blaumann an. Doch irgendwann ist Feierabend. Und was ist dann? Dann spüre ich noch das Kind in mir. Das Kind, das nie über die Konsequenzen nachdenkt, impulsiv seinen Gefühlen folgt und angstfrei den Genuss lebt. Müsste ich 24 Stunden am Tag erwachsen sein, würde ich einen Hass bekommen.
Jan Josef Liefers: "Versuche, ganz schnell zum Du zu kommen"
Wann hast Du zum ersten Mal realisiert, dass Du nun erwachsen bist – oder als Erwachsener wahrgenommen wirst?
Das weiss ich gar nicht mehr. Aber es gab oft solche Situationen. Zum Beispiel wenn einer dich zum ersten Mal siezt und deutlich jünger ist als du. Ich sage ganz selten Sie zu jemandem. Ich versuche immer, ganz schnell zum Du zu kommen. Immer wenn jemand ans Set kommt und sagt: "Herr Liefers, möchten Sie einen Kaffee?", dann höre ich mir das ein-, zweimal an und biete ihm das Du an.
Wie reagieren die Leute darauf, wenn Ihnen ein Prominenter das Du anbietet?
Die finden das okay. Ich sage meistens: "Hast Du gerade Sie gesagt? Wenn Du das nochmal machst, dann sieze ich Dich auch."
Dann bin ich froh, dass Du mir das Du angeboten hast. Das Sie klingt aus Deinem Mund wie eine Bestrafung.
Die nächste Brennstufe wäre dann: "Oh, möchten Sie sich setzen." (lacht)
Das ist aber auch eine heikle Frage. Man kann sich leicht beim Alter verschätzen – und beleidigt die Person sogar noch, wenn man ihr einen Platz anbietet.
Dann würde ich sagen: "Wärst Du beleidigt, wenn ich Dir meinen Platz anbiete?"
Kehren wir zum Musikalischen zurück. Deine Band Radio Doria war früher deutlich rockiger, nun ist die Musik eher ruhig. Warum auch hier solch eine Veränderung?
Weil wir uns als Band besser kennengelernt haben. Ich bin kein gelernter Sänger, der es sein Leben lang gemacht hat. Es nützt nichts, wenn du Metallica-Fan bist und eine Stimme hast wie der Junge auf der Kinderschokolade. Ich musste erst sehen, wo meine und unsere Stärken liegen. Ich komme eher aus der Singer-/Songwriter-Ecke. Gitarre, ein paar Akkorde und ein intelligenter Text. Das ist meine Herkunft. In unserem Album "Die freie Stimme der Schlaflosigkeit" hat das ganz gut geklappt.
Du bist Schauspieler, hast eine Familie mit vier Kindern und gehst mit dem neuen Album nun auch auf Tour. Wie viel Zeit bleibt da fürs Privatleben?
Da muss man in längeren Zeitabschnitten denken. Es gibt Berufe, da bist du von 8:00 bis 16:00 Uhr in der Arbeit und kommt jeden Tag zur selben Zeit nach Hause. Das ist vorhersehbar, aber auch zuverlässig. Was langweilig klingt, ist toll für eine Familie. Das ist bei uns überhaupt nicht so. Auch meine Frau ist Schauspielerin und hat eine Band. Bei uns muss das also anders laufen. Einen Monat bin ich zum Beispiel bei einem Filmdreh zugeschüttet mit Arbeit. Danach habe ich aber einen Monat frei. Das haben andere wiederum nicht, die dafür ihren Jahresurlaub nehmen müssen.
Kommt bald eine grosse "Tatort"-Band?
Du bist vor Kurzem mit Deinem "Tatort"-Kollegen
Es war ein schönes Gefühl, vertraut und lustig. Seit wir den "Tatort" zusammen drehen, wohnen wir in einem Hotel in Münster. Da gibt es das grosse Haupthaus und ein kleines, ausgelagertes Häuschen mit zwei Zimmern. Das ist wohl gedacht für Hochzeiten, damit sich die Ehepaare zurückziehen können. Dieses Haus bekommen wir immer. Anfangs dachten wir, das ist aber nett, dass wir beide immer dieses Haus bekommen. Inzwischen wissen wir, warum. Weil sich die anderen Hotelgäste gestört fühlen würden, wenn wir auf der Gitarre rumdreschen.
Axel Prahl war in Saarbrücken der mit der Reibeisenstimme im Hintergrund, Du der herumspringende Entertainer mit der melodiösen Stimme. 25, 30 Jahre früher und ihr hättet eine tolle Boygroup abgegeben, oder?
Als ich im Boygroup-Alter war, hätte ich das verachtet. Dieses Milchbubi-Rumgetanze auf der Bühne, das ist überhaupt nicht meins.
Okay, dann keine Boygroup. Aber wie wäre es mit einer "Tatort"-Band? Zum Beispiel mit Axel Prahl und Dir als Sänger und Gitarristen, einer hübschen Frau wie Nora Tschirner am Bass und Til Schweiger als Schlagzeuger?
Eins muss man ja sagen: Til Schweiger macht keine Musik. Aber er liebt die Musik. Er ist der Filmemacher, der am sichersten mit seinen Filmen den Mainstream auf die Zwölf trifft. Mainstream meine ich in diesem Fall nicht abwertend. Nichts kann im Film mehr eine emotionale Kraft entfalten als die richtige Musik zu den richtigen Bildern. Also in solch einer Band würde ich ihn lieber produzieren als Schlagzeug spielen lassen. (lacht)
Die Idee einer "Tatort"-Band würde Dich also nicht reizen?
Ich weiss zum Beispiel, dass der Miro Nemec, Kommissar des Münchner "Tatorts", eine Coverband hat. Er ist ein super Sänger und die machen auch richtig gutes Entertainment. Manfred Krug ist ja nicht mehr dabei. Er hat auch in jedem "Tatort" einen Jazz-Stand-up gemacht. Er hat das Singen im "Tatort" quasi erfunden.
Ganz ehrlich: Ich wüsste jetzt nicht, ob ich mich danach sehnen würde. Um Musik zu machen, habe ich die Richtigen gefunden. Wenn ich höre, dass es die grosse "Tatort"-Band geben würde, dann gehen bei mir sofort die Alarmglocken los: Marketing, Marketing, Promo, Promo. Das würde bei mir nach hinten losgehen.
Jan Josef Liefers, vielen Dank für das Gespräch.
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