Der Skandal um Milli Vanilli gehört bis heute zu den grössten Aufregern der Musikbranche. Nun hat sich Regisseur Simon Verhoeven ("Männerherzen") an den Stoff gewagt und die Story verfilmt.
Zu Beginn der 1990er Jahren starteten
Herr Morvan, wie erlebten Sie die Weltpremiere von "Girl You Know It's True" in München? Wie wurden Sie empfangen?
Es hat grossen Spass gemacht, wieder in München zu sein – an dem Ort, wo alles begann. Es gab so viel Liebe und Beifall. Auf eine Art war es auch sehr heilend; es hat sich ein Kreis geschlossen. Ich war zunächst nicht in das Projekt involviert und dachte, die Geschichte würde aus der Sicht von
Wie finden Sie denn sich selbst dargestellt?
Der ganze Film ist mit viel Leidenschaft und Liebe gemacht worden. Die gesamte Crew, alle Darsteller – Mathias [Schweighöfer als Frank Farian], Bella [Dayne als dessen Assistentin Milli], Tijan [Njie als Rob Pilatus] und Elan [Ben Ali als
Fab Morvan: "Wir wurden als Objekte gesehen"
Wie nah kommt der Film insgesamt der Realität?
Natürlich ist es am Ende ein Film und sie haben sich ein paar Freiheiten genommen. Aber das ist absolut okay. Die Tatsache, dass Rob und Fab ausgenutzt wurden, wird sehr deutlich. Schaut man sich die Doku [auf Paramount+] und diesen Film an, bekommt man ein ziemlich klares Bild davon, wie es wirklich war. Jeder wusste, dass wir nicht singen – aber es war allen egal. Es stand immer im Raum: "Naja, wenn's aufliegt, schicken wir sie dorthin zurück, wo sie herkamen." Wir wurden nicht als Menschen, sondern nur als Objekte gesehen. Als etwas, das man benutzt und wegschmeisst, wenn man's nicht mehr braucht.
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Wäre das alles heute noch so möglich?
Damals gab es wenige Media Outlets; man konnte nicht dagegen angehen. Heute, mit Social Media, könnte ich mit meinem eigenen Handy live gehen und sagen: "Hey Leute, hört mal zu, es ist alles ganz anders!" Ich könnte meine Story erzählen, meine Sicht der Dinge. Könnte Fragen direkt beantworten. Damals ging das alles nicht. Das System war so geschaffen, wie es nun mal war. Wir mussten sehr lange leiden und konnten nicht gegen die Maschinerie ankämpfen. Wenn ich mir heute anschaue, wie viel Geld verdient wurde ... allein in Amerika 259 Millionen Dollar in zwei Jahren, war im "Wall Street Journal" zu lesen. Dieses Geld wurde in Plattenfirmen reinvestiert, die Geburtsort vieler Künstler in den 90er-Jahren waren. Somit bin ich finanziell sowas wie der Vater von ihnen. Viele Künstler profitierten von uns – aber Rob und Fab kamen auf die Blacklist. Wir konnten nicht mehr arbeiten, niemand wollte etwas von uns hören. Und ja, wenn wir John und Paul gewesen wären … wäre es anders gewesen? Ich will nicht immer die Rassismus-Karte spielen, aber es war schon sehr brutal, wie respektlos wir behandelt wurden.
Rob hat das Schicksal besonders hart getroffen …
Ich sag's immer wieder: Rob ist an einem gebrochenen Herzen gestorben. Er war adoptiert, und ich glaube, wenn man adoptiert ist und nicht von der Liebe der eigenen Eltern umgeben, bleibt eine Art Loch im Herzen. Als wir dann dachten, dass wir wieder Teil einer Familie wären und diese Familie uns dann doch rausgeworfen hat, wurde das Loch in seinem Herzen wieder aufgerissen. Und wie füllt man so ein Loch? Mit Drogen, Alkohol … Rob war einfach ohne Hoffnung. Das war ich auch, aber in der Reha wurde mir gesagt: "Wenn du dein Leben ändern willst, fang jetzt an. Du bist co-abhängig, du musst dich lösen." Ich sagte zu Rob: "Ich kümmere mich jetzt um mich. Wenn du das auch für dich tust, können wir wieder zusammenarbeiten, können noch einmal durchstarten." Wir haben an einem Album gearbeitet, aber er war währenddessen sehr desillusioniert und hat nicht an sich geglaubt. Er hat weiter Drogen genommen und keine Zukunft gesehen.
"Wir wurden gekreuzigt, heute wird man gefeiert"
So viele Menschen waren an dem Skandal beteiligt – ausser Ihnen beiden kamen eigentlich alle ziemlich gut raus.
Sogar sehr gut, ja.
Wie kann man mit dem Gedanken an diese Ungerechtigkeit leben?
Ich habe mir vergeben. Ich habe Frank vergeben. Ich habe dem Label vergeben – denn es muss weitergehen. Ich konnte meine Selbstachtung zurückgewinnen, habe wieder an mich geglaubt, Sport gemacht, auf meine Ernährung geachtet und vor allem wieder Musik gemacht. Ich habe Licht am Ende des Tunnels gesehen. Es dauerte viele Jahre, aber ich hatte den Glauben in mir.
Sie erwähnten Social Media – es ist schon ironisch, dass heutzutage ganze Karrieren auf Lip-Syncing aufgebaut werden und Leute damit Millionär werden.
Absolut. Wir wurden gekreuzigt, heute wird man gefeiert. Es gibt Gruppen, die nicht gut singen, die mithilfe von Software toll klingen. Zu uns sagen Leute: "Aber ihr habt nicht mal auf der Platte gesungen", aber ich sage: "Wenn ihr den Song nicht live performen könnt und der Computer die Arbeit übernimmt, macht ihr es wie Milli Vanilli!" Es ist nicht viel anders. Was sich aber geändert hat, ist, dass Labels und Artists heute als Team zusammenarbeiten. Ich war vielleicht eine Art Wegbereiter. Als Künstler möchte ich aber für meine positive Energie erinnert werden. Ich hoffe, dass eines Tages meine Songs die Menschen dazu inspirieren, das Beste aus ihrem Leben zu machen. Musik ist ein wunderbares Werkzeug.
Vielen Dank für das Gespräch!
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