Die Band BTS aus Südkorea füllt weltweit Stadien und dominiert die Charts. Die gecastete Boygroup ist der bislang erfolgreichste Vertreter der Musikrichtung K-Pop, die in den 90er Jahren entstand. Die südkoreanische Musikindustrie ist zwar überaus erfolgreich – allerdings gibt es auch Schattenseiten.

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Am 4. und 5. Juli wird Rammstein an zwei Tagen hintereinander im Berliner Olympiastadion spielen. Die riesige Betonschüssel gleich zweimal zu füllen ist ambitioniert, für die Mega-Band um Frontmann Till Lindemann aber nicht das geringste Problem.

Dass die Band BTS genau eine Woche später ebenfalls gleich zweimal das Olympiastadion gebucht hat, dürfte den einen oder anderen dann aber doch verwundern. Denn BTS ist vielen Menschen noch kein Begriff, obwohl der weltweite Hype um die Band und die mit ihr verbundene Musikrichtung K-Pop gigantisch ist.

K-Pop, das ist die Abkürzung für Korean Popular Music, also Popmusik aus Südkorea. Seit Mitte der 90er Jahre entwickelt sich K-Pop zum Exportschlager, der nun mit BTS einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat.

Die sieben Jungs – alle im Alter von Anfang bis Mitte 20 – sind nicht nur in ihrem Heimatland absolute Superstars, sondern mittlerweile eine der grössten Bands weltweit. Ihre Fans sind hauptsächlich weiblich, sehr jung, mit Social Media und knallbunten, schnellen Bildern aufgewachsen. BTS, das ist Musik für die Generation TikTok.

BTS war die erste K-Pop-Band bei den Grammys

Längst bewegen sich "Bangtan Sonyeondan", was frei übersetzt in etwa "kugelsichere Pfadfinder" bedeutet, im Kreis der ganz Grossen. Im Januar 2020 durften sie als erste koreanische Band bei den Grammys auftreten.

Mitte Februar war die siebenköpfige Boyband bei "Carpool Karaoke" zu Gast, einem beliebten US-Format, bei dem Musikstars mit Showmaster James Corden in einem Auto fahren und dabei singen.

Justin Bieber, die Red Hot Chili Peppers, Paul McCartney – sie alle waren schon dabei. Doch die Tweets zur Fahrt mit BTS brechen alle Rekorde. Hunderttausende Retweets und Likes sammelten die BTS-Tweets auf dem Carpool-Karaoke-Account, der ansonsten Interaktionen im drei- bis vierstelligen Bereich vorweist.

Ähnlich spektakulär verlief ein Besuch bei Ellen DeGeneres im Mai 2018. Bei jedem Satz, bei jeder Bewegung der Musiker, kreischten die vorwiegend weiblichen Fans hysterisch. Die Talkmasterin fühlte sich angesichts der schrillen Schreie an die alten Aufnahmen von Konzerten der Beatles erinnert.

BTS zu Gast bei Ellen DeGeneres

Die K-Pop-Stars BTS zu Gast bei Ellen DeGeneres. Kreischende Fans machen ein Interview quasi unmöglich. © YouTube

BTS ist in Südkorea ein Wirtschaftsfaktor

Nun mag der Vergleich mit den Fab Four etwas ambitioniert sein. Was den Erfolg angeht, befindet sich die Boyband aber durchaus auf den Spuren der Allergrössten. Drei BTS-Alben schafften es in den USA auf Platz eins der Album-Charts, das in der vergangenen Woche erschienene Album "Maps of the Soul 7" dominiert die iTunes-Charts weltweit.

BTS sind eine Geldmaschine, die in Südkorea mit Musik und Merchandising für 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verantwortlich ist.

Um zu verstehen, was es mit dem Hype um BTS und K-Pop auf sich hat, lohnt es sich, einen Blick auf die Entstehungsgeschichte der Musikrichtung zu werfen.

"Seo Taiji and Boys" sind die Urväter des K-Pop

Musik in Südkorea war bis Anfang der 90er Jahre volkstümlicher Pop, mit braven Texten über die Liebe zwischen zwei Menschen oder zum Vaterland. Alles änderte sich 1992 schlagartig mit dem Auftritt von "Seo Taiji and Boys" bei einem musikalischen Talentwettbewerb im TV, der zur Geburtsstunde des K-Pop werden sollte.

Die Band rappte, tanzte und trug Baggy-Pants. Was zunächst für einen Schock beim TV-Publikum und den Juroren sorgte, wurde zum Startschuss für den kulturellen Aufbruch des Landes in die Neuzeit.

"Seo Taiji and Boys" wurden als die koreanischen "New Kids on the Block" gefeiert, sie setzten modische Trends, ihre Trennung 1997 sorgte für Zusammenbrüche bei jungen Koreanerinnen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Südkorea längst zu einer Wirtschaftsmacht entwickelt, clevere Geschäftsleute begannen, mit dem neuen Musiktrend Geld zu machen. Als 1997 eine Finanzkrise Asien erschütterte, sprang auch die Politik auf den Zug auf und förderte die neue Musikindustrie, der K-Pop wurde zum krisensicheren Exportgut aufgebaut.

K-Pop ist ein bunter Genre-Mix mit aufwendigen Choreographien

Die neue Musikindustrie produzierte K-Pop nach einer klaren Formel: gecastete Girl- oder Boygroups, ein genreübergreifender Sound-Mix mit Elementen aus Pop, Rock, Hiphop und elektronischer Tanzmusik. Dazu koreanische Texte, die häufig mit einzelnen englischen Worten oder Phrasen versehen werden. Typisch für K-Pop sind auch extrem aufwendige Choreographien und Musikvideos.

Auf diese Weise entstanden erfolgreiche Bands wie Big Bang, Shinee, Blackpink oder Exo. Als einem der ersten südkoreanischen Künstler gelang es Psy, weltweite Aufmerksamkeit zu erregen: Sein Song "Gangnam Style" wurde 2012 zum ersten YouTube-Video mit mehr als einer Milliarde Klicks.

Hohe moralische Ansprüche an die Stars

Ein grosser Unterschied zum Rest der Musikwelt sind allerdings die hohen moralischen Ansprüche an die K-Pop-Stars, die trotz Ruhm, Geld und Groupies kein Rockstarleben führen dürfen.

Stattdessen wird von ihnen erwartet, dass sie nett und höflich sind, Drogen-, Alkohol- oder Sexexzesse sind unvorstellbar. Immer wieder wird von Knebelverträgen der Musiker berichtet, angeblich waren oder sind ihnen sogar Dates verboten. K-Pop-Stars wie die Jungs von BTS sollen voll und ganz für ihre Fans da sein.

Moralische Fehltritte verzeihen weder die Fans, noch die südkoreanischen Medien oder die Musikkonzerne. Der Druck auf die Musiker ist entsprechend gross.

Mehrere Todesfälle in K-Pop-Szene

Im vergangenen Jahr kam es innerhalb von drei Monaten zu drei Todesfällen in der K-Pop-Szene. Bei allen wird von Suizid ausgegangen, auch wenn dies nicht in allen Fällen offiziell bestätigt wurde.

Die Sängerin Goo Ha Ra, die Sängerin und Schauspielerin Sulli und der Sänger und Schauspieler Cha In Ha wurden keine 30 Jahre alt. Die beiden Frauen waren in verhältnismässig harmlose Skandale verwickelt und hatten mit Depressionen und Cyber-Mobbing zu kämpfen.

Ihre Schicksale belegen, dass die schillernde K-Pop-Industrie auch eine Schattenseite hat. Das sollte nicht vergessen werden, wenn BTS oder eine andere Band aus Südkorea mal wieder ein Stadion füllen oder die Charts stürmen.

Verwendete Quellen:

  • Netflix-Doku Explained: K-Pop, Staffel 1, Folge 4
  • edition.cnn.com: BTS! We haven't seen boy-band fandom like this since the Beatles
  • soompi.com: BTS Breaks Record As "Map Of The Soul: 7” Sweeps iTunes Charts Across The Globe
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