"Deutschland" lautet der Name des aktuellen Rammstein-Songs. 20 Stunden nach seiner Veröffentlichung hat das Video bei YouTube mehr als sechs Millionen Aufrufe. Der Erfolg eines vorab intelligent vermarkteten KZ-Trailer-Videos? Kulturwissenschaftler Daniel Hornuff denkt, die Band setze bewusst auf Provokation.
Rechte Ideologie oder genialer PR-Streich? Mit dem Musikvideo zu ihrem neuen Song "Deutschland", hat die Rockband Rammstein schon vor der Veröffentlichung mit einem 35-sekündigen Trailer für Aufruhr gesorgt. Vertreter aus Politik und der Zentralrat der Juden kritisierten den Video-Ausschnitt, in welchem sich die Band als KZ-Insassen inszeniert, aufs Schärfste.
Über sechs Millionen Klicks auf YouTube
Seit Donnerstagabend ist das komplette Video auf YouTube zu sehen. Bereits 20 Stunden nach dem Upload hat der Clip über sechs Millionen Aufrufe.
Über neun Minuten erstreckt sich das neue Rammstein-Werk, der Anfang ähnelt beinahe einem Spielfilm. Es wird der Schriftzug "Germania Magna, 16 A.D." eingeblendet, dann beginnt das Sequenz-Gewitter.
Rammstein - "Deutschland" (Official Video)
Im Folgenden wechselt das Video zwischen surrealen Bildern römischer Soldaten, schwer gepanzerter Kreuzritter, schlemmender Mönche, Barschlägern vor einer 20er-Jahre-Kulisse - oder eben auch KZ-Insassen kurz vor ihrer Hinrichtung. "Spiegel Online" sieht darin einen "grössenwahnsinnigen Ritt" durch 2.000 Jahre deutscher Geschichte.
Kulturwissenschaftler Daniel Hornuff sieht das anders: "Ich sehe in diesem Video eigentlich keine einzige Epoche der deutschen Geschichte - sondern nur Versuche, den Eindruck eines grossen historischen Panoramas zu erzeugen. Um dies zu erreichen, werden unzählige Versatzstücke aufgefahren."
Was genau diese Szenen beim Publikum aber bewirken sollen, ist Hornuff nicht klar: "Völlig unscharf bleibt, was damit genau erreicht werden soll - ausser einer möglichst überwältigenden Wirkung."
"Verpasste Chance"
Eine überwältigende Wirkung hatte bereits der erste kurze Trailer des Songs auf die deutsche Politik- und Medienlandschaft. Charlotte Knobloch, die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden, beschuldigte die Band sie "habe das Leid und die Ermordung von Millionen zu Entertainment-Zwecken missbraucht". Josef Schuster, der Zentralratspräsident, kritisierte nach Sichtung des Trailers, der Holocaust werde zu "Marketingzwecken missbraucht".
Daniel Hornuff kann die Kritik auf den ersten Trailer der Band nachvollziehen - denn sie wird absichtlich provoziert: "Die Marketing-Strategie der Band ist darauf ausgelegt, genau diese Vorwürfe zu provozieren. Manche sagen, die Band würde sich damit gegen Kritik immunisieren. Die Strategie als solche bleibt jedoch immer noch kritisierbar. Und es gibt sehr gute Gründe, dies zu tun."
Mit der Vorab-Veröffentlichung des KZ-Clips habe die Band jedoch einen Marketing-Coup gelandet. "Der Trick bestand darin, geschickt offen zu lassen, wie die vorab veröffentlichte Szene genau gemeint sein soll."
Ein wichtiges politisches Statement sieht Hornuff in dem Song aber nicht: "Es stellt sich die Frage, welche Relevanz diese Szenen für aktuelle politische Zusammenhänge leisten. Leider muss man sagen, dass es der Band nicht gelingt, hier irgendeinen substantiellen Beitrag zu leisten. Das ist durchaus als verpasste Chance zu werten, gerade weil die fiktionale Verarbeitung der nationalsozialistischen Schrecken Gegenstand intensiver Debatten ist."
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