Für sein Video "Die Demokratie ist weiblich" konnte Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel zahlreiche Promis gewinnen. Ob alle sofort zugesagt haben, was die Wahlergebnisse in Sachsen und Brandenburg über den Zustand der Demokratie im Osten des Landes aussagen und ob eine "Ossi"-Quote in der Politik sinnvoll wäre, verrät er uns im Interview.
"Die Demokratie ist weiblich" singt
Darüber und wie es denn um die Demokratie im Osten Deutschlands steht, haben wir mit dem "Die Prinzen"-Sänger gesprochen.
Zwei Wochen nach den Wahlen in Brandenburg und Sachsen sind sich Analysten und Politiker nicht einig, was die Gründe für das Abschneiden der AfD sind und wie man das Ergebnis deuten sollte – als Super-GAU oder Weckruf. Was ist denn Ihre persönliche Einschätzung?
Es gab ja viele, die erstmal erleichtert waren - so nach dem Motto: Es ist nochmal gut gegangen - die AfD ist nicht stärkste Kraft geworden. Ich denke, dass das die falsche Sicht auf die Dinge ist.
Ohne alarmistisch sein zu wollen halte ich das Ergebnis schon für extrem beunruhigend. Zweitstärkste Kraft ist eine Partei geworden, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen will, die offen völkische und rassistische Inhalte kolportiert, und das Verstörendste in meinen Augen: sie wurden nicht trotz, sondern wegen dieser Inhalte gewählt, also nicht vordergründig als Protestpartei, sondern eben als "Alternative für Deutschland".
Über die Wahl und über den Osten schreiben oft Experten ohne "Ostbiografie". Könnte das Ihrer Meinung nach ein Teil des Problems sein? Sollte es eine Ossi-Quote in Politik und Medien geben?
Sicher kann das ein Grund sein, aber eben nur einer von vielen. Erstmal sollte man ganz klar sagen, dass es keine Legitimierung von Rassismus oder Rechtsextremismus geben darf.
Viele Gründe, die all die "besorgten Bürger" anführen, mögen stimmen: Wir fühlen uns übergangen, nicht beachtet, wir sind übernommen worden, nicht wiedervereinigt, uns wurde unsere Identität genommen, manche sprechen sogar von Würde, unser Leben zwischen 1945 und 1989 wird als allgemeiner Irrtum der Geschichte disqualifiziert und ist somit nichts wert - all das sollten wir versuchen zu verstehen, denn diese Gefühle sind da.
Aber all das ist noch lange kein Grund, Asylbewerberheime anzuzünden oder Minderheiten schlecht zu behandeln. Ich glaube nicht, dass eine "Ossi-Quote" diese emotionalen Probleme lösen könnte, aber miteinander reden - ja - das tut Not und das ist meiner Ansicht nach das Wichtigste, was wir tun sollten.
Hat Ihr Song "Die Demokratie ist weiblich" das Wahlergebnis vorweggenommen? Die Stimmanteile von Frauen und Männern für die AfD unterschieden sich ja deutlich.
Ich hatte nie den Anspruch, mit diesem Lied eine ausgeklügelte sozialpsychologische Abhandlung zu schreiben - unterm Strich ist es ein Popsong, den jeder auf seine eigene Art hören und interpretieren sollte.
Dass das Frauen- und Familienbild der AfD nicht unbedingt modern oder fortschrittlich ist, ist kein Geheimnis, aber darum ging es mir weniger.
Mir geht es grundsätzlich darum, eine Lanze für die Demokratie zu brechen, denn die scheint gerade ganz schön angeschlagen zu sein - nicht zuletzt durch den Rechtsruck, den wir allerdings nicht nur hierzulande zur Kenntnis nehmen müssen, sondern weltweit.
Schon der Titel "Die Demokratie ist weiblich" könnte von manchen als Provokation verstanden werden. Was war Ihr Antrieb, den Song zu schreiben?
Mein Vater sagte mir schon vor Jahren: Junge - schreib doch mal ein Lied über die Demokratie! Das geht nicht, sagte ich immer wieder - so ein sperriges Thema kannst du nicht in einen Popsong packen. Irgendwann hatte ich dann die Idee mit der Geschlechter-Spielerei und dann kam eines zum anderen.
Natürlich hat mich die politische Situation inspiriert, natürlich waren es auch die klassischen sächsischen Verhältnisse, die dabei eine Rolle gespielt haben: Pegida in Dresden, die Übergriffe in Bautzen, Clausnitz, Heidenau oder wo auch immer, bis hin zu den alles bisher dagewesene überlagernden Vorfällen in Chemnitz im August letzten Jahres.
Dass ich nun dafür nicht nur Applaus bekomme, dass ich deswegen auch massiv beschimpft und als Nestbeschmutzer bezeichnet werde, war mir eigentlich vorher klar. Ich versuche, sachliche Kritik anzunehmen, habe aber mittlerweile ein wirklich wehrhaftes, dickes Fell gegenüber all den Hater-Kommentaren und Beschimpfungen.
Mittlerweile sage ich mir, dass man einen anständigen Shitstorm von der richtigen Seite auch als Ritterschlag sehen kann. Wenn sich dieses Lied, bei dem ich - wie gesagt - eine Lanze für die Demokratie brechen will, überhaupt gegen jemanden oder etwas wendet, dann gegen die Feinde der Demokratie. Und wann dann die getroffenen Hunde bellen, scheinen sie sich ja angesprochen zu fühlen.
Für ihr Video haben Sie viele Prominente mobilisieren können. Haben alle sofort zugesagt - oder gab es auch ablehnende Antworten aus Sorge ums Image?
Erstmal hatte ich mir vorgenommen, niemanden überreden zu wollen, keinem hinterherzurennen. Das musste ich auch gar nicht. Die meisten fanden die Idee gut und haben spontan und auch wirklich sehr kreativ mitgemacht.
Die meisten haben sich mit ihren Handys selbst gefilmt oder filmen lassen. Da ist keiner rumgefahren, da musste sich jeder selbst kümmern. Einige wollten nicht, aus unterschiedlichen Gründen.
Manchen war es zu radikal - was ich übrigens nie wirklich verstanden habe -, und einigen war es nicht radikal genug. Auf jeden Fall war das nie ein Grund, sich zu überwerfen - wir habe darüber gesprochen und unterm Strich die Haltung des anderen respektiert. Natürlich - alles andere wäre ja auch zutiefst undemokratisch.
Wenn Künstler für die gute Sache kämpfen, steht oft der Vorwurf im Raum, dass die aus einer sehr privilegierten Situation heraus reden. Und es stimmt ja auch: Promi-Kinder sind eher nicht auf einer öffentlichen Schule in Bautzen zu finden, in der das Klo verdreckt ist und dauernd Stunden ausfallen. Können Sie diese Sichtweise nachvollziehen?
Auf jeden Fall! Und sicher haben diese Kritiker in einigen Punkten auch recht. Was ist denn "die gute Sache"? Für mich ganz sicher etwas anderes als für die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes".
Wir befinden uns doch alle in unseren Blasen, in unserem Umfeld, das uns das widerspiegelt, was wir sowieso schon denken. Im Netz sowieso - so funktionieren soziale Netzwerke nun mal - aber im normalen, analogen Leben eben auch.
Vielleicht ist es ja gerade die Kunst, den Perspektivwechsel zu schaffen, sich in "die andere Seite" rein zu versetzen. Warum denkst du so? Das tust du ja nicht, weil du ein schlechter Mensch bist. Ich denke, dass es wohl die grösste Herausforderung in diesen bewegten Zeiten ist, wieder mehr miteinander zu reden, sich zu öffnen und dadurch die Gräben, die sich gerade überall auftun, zwischen Freunden, sogar in Familien, zu überwinden.
Krumbiegel: "Habe lange versucht, PEGIDA zu verstehen"
Wenn wir verlernen, kultiviert miteinander zu streiten, dann haben wir verloren. Wenn wir auf die Argumente und - und das sage ich jetzt extra so - auf die Ängste und Sorgen unseres Gegenübers hören, dann habe wir die Chance, wieder besser miteinander klarzukommen. Manchmal kann es auch auf eine wundersame Art entwaffnend sein, eine andere Meinung zu verstehen und zu merken, dass man selbst falsch gelegen hat. Es ist, glaube ich eine Art Kulturkampf.
Wir sollten uns hüten als vermeintlich aufgeklärte und intelligente Menschen andere, mit vielleicht nicht so hohem Bildungsstand geringzuschätzen. Wir sollten nicht immer davon ausgehen, dass wir auf der richtigen Seite stehen. Natürlich hat das alles auch klare Grenzen. Es gibt rote Linien, die unverhandelbar sind, und das sind eben Rassismus, Antisemitismus oder jede andere Art der Menschenfeindlichkeit.
Ich habe lange versucht, PEGIDA zu verstehen, aber spätestens seit den "Absaufen - Absaufen"-Rufen, als es um Seenotrettung ging, können diese Leute von mir nicht auch nur den Anflug eines Quäntchens Respekt erwarten. Das war zutiefst unmenschlich, das verurteile ich aufs Schärfste! Natürlich sind die Grenzen oft fliessend, und vieles wird auf der emotionalen Ebene verhandelt.
Das ist schwierig und auch gefährlich, deswegen muss eigentlich immer gelten: solange man sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt, sollte man über alles reden. Wenn ich heute mit konservativen Menschen diskutiere, merke ich zwar oft, dass ich anderer Meinung bin, muss aber eben die Meinung meines Gegenübers auch respektieren.
Da sind wir wieder bei Demokratie, und wenn wir bei so einer Diskussion als Kompass erstmal Humanität akzeptieren, dann ist das schon mal die richtige Richtung.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.