Der Musikpreis Echo ist unter Druck. Immer mehr Preisträger geben ihre Trophäe zurück. Nun will auch Marius Müller-Westernhagen seine sieben Echos zurückgegeben. Die Kritik reisst nicht ab. Inzwischen hat sich der Veranstalter entschuldigt.

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Die Kritik am Musikpreis Echo reisst nicht ab. Nachdem in den vergangenen Tagen mehrere frühere Preisträger ihre Trophäen zurückgegeben haben, folgt nun auch Marius Müller-Westernhagen. "Ich schliesse mich meinem geschätzten Freund und Kollegen Klaus Voormann an und werde alle meine ECHOS zurückgeben. Das schafft Platz bei mir zu Hause und in meinem Herzen", schreibt er in einem Facebook-Posting.

Im Zuge der Antisemitismus-Schlagzeilen trennen sich auch der Pianist Igor Levit und der Dirigent Enoch zu Guttenberg von ihren Trophäen. Der Präsident des Deutschen Kulturrats, Christian Höppner, zieht sich aus dem Echo-Beirat zurück. Das Gremium hatte sich gegen den Ausschluss eines umstrittenen Rap-Albums entschieden. Dies sei ein "Fehler" gewesen, so Höppner in einer Mitteilung vom Dienstag.

Veranstalter entschuldigt sich

Der Veranstalter des Musikpreises Echo hat die Trophäe für das als antisemitisch kritisierte Rap-Album von Kollegah und Farid Bang derweil als "Fehler" bezeichnet. Das schrieb der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Musikindustrie, Florian Drücke, in einem Brief an die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch. "Wir entschuldigen uns ausdrücklich dafür - bei Ihnen und allen anderen Menschen, deren Gefühle wir verletzt haben."

Knobloch hatte die Auszeichnung als "verheerendes Zeichen" bezeichnet. Gerade erst entstehe in Deutschland die "ersehnte Sensibilität für den erstarkten Antisemitismus in unserer Gesellschaft, insbesondere an Schulen".

Knobloch habe mit ihrer Kritik vollkommen Recht, so Drücke. "Wir als Vorstand haben das falsch bewertet und wollten uns an der falschen Stelle für die künstlerische Freiheit einsetzen." Das Geschehene sei nicht mehr rückgängig zu machen. "Wir können allerdings vermeiden, dass solche Fehler in Zukunft wieder geschehen."

Musik mit Auschwitz-Witzen

Am vergangenen Donnerstag waren die Rapper Kollegah und Farid Bang für ihr Album "Jung, Brutal, Gutaussehend 3" ausgezeichnet worden. Es enthält Textzeilen wie "Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen" und "Mache wieder mal 'nen Holocaust, komm' an mit dem Molotow". Dass diese Musik beim Echo preiswürdig ist, hatte heftige Kritik und eine Debatte um Antisemitismus ausgelöst.

Die Vergabe an die beiden Rapper sei für ihn "ein vollkommen verantwortungsloser, unfassbarer Fehltritt der Echo-Jury und gleichzeitig auch Ausdruck für den derzeitigen Zustand unserer Gesellschaft", schrieb Levit auf Twitter. "Antisemitischen Parolen eine solche Plattform und Auszeichnungen zu geben, ist unerträglich." Levit hatte 2014 einen Echo Klassik erhalten.

"Nachdem solch ein Preis nun im Jahr 2018 auch Verfassern von widerwärtigen antisemitischen Schmähtexten verliehen und noch dazu vom 'Ethikrat' Ihres Verbandes bedenkenlos freigegeben wurde, würden wir es als Schande empfinden, weiterhin diesen Preis in unseren Händen zu halten", schrieben Guttenberg und Andreas Reiner vom Orchester Klangverwaltung an die Veranstalter. Guttenberg und das Orchester hatten 2008 einen Echo Klassik bekommen.

Zuvor hatte bereits der Musiker und Grafiker Klaus Voormann den erst vor wenigen Tagen überreichten Echo für sein Lebenswerk zurückgegeben. Auch das Notos Quartett aus Berlin erklärte, seinen Echo Klassik vom vergangenen Herbst zurückzugeben. Der Sänger Peter Maffay forderte die Verantwortlichen zum Rücktritt auf. Auch andere Musiker und Kulturschaffende machten ihrem Unmut Luft. Der Bundesverband Musikindustrie kündigte angesichts der Proteste an, das Konzept des Preises zu überarbeiten.

Sprecher verteidigt Entscheidung

Der Sprecher des Beirats verteidigte die Entscheidung. "Grenzüberschreitungen sind nicht akzeptabel, aber sie sind ein Teil der Musikkultur", sagte der CDU-Politiker Wolfgang Börnsen der Deutschen Presse-Agentur. Der Beirat habe die Entscheidung gemeinsam getroffen, sagte Börnsen. Das Gremium habe die Texte der Rapper für unvertretbar und unwürdig gehalten.

Zugleich unterstrich Börnsen: "Uns mangelt es an Eigenverantwortung der Künstler." Er will die Diskussion nach vorne lenken. Man müsse daraus lernen. "Es braucht ein neues Wertesystem." Es gehe auch um Themen wie Hass, Frauenfeindlichkeit und Sympathien für Terrorismus.

Campino imponiert

"Imponierend" habe er den Echo-Auftritt von Campino gefunden, so Börnsen. Der Frontmann der Toten Hosen hatte während der Show erklärt, wenn es um frauenverachtende, homophobe, rechtsextreme und antisemitische Beleidigungen gehe, sei für ihn die Grenze überschritten.

Echo-Mitentwickler Thomas M. Stein sagte gegenüber dem Portal "t-online", beim Rap dürfe man nicht alles auf die Goldwaage legen. "Ich bin nicht der Meinung, dass Farid Bang und Kollegah prädestinierte Antisemiten sind. Ich glaube, dass hier jetzt viel hineininterpretiert wird, was vorher gar nicht geplant war. Aber jetzt haben sie es nun einmal gesungen, jetzt wird es so interpretiert und jetzt müssen sie damit fertig werden."

Der Echo ist der wichtigste deutsche Musikpreis, eine Art deutscher Grammy. Er wird nach Verkaufszahlen und Juryempfehlung vergeben. In strittigen Fällen wird ein Beirat angerufen. Im Fall des Rap-Albums hiess es vor der Verleihung, die künstlerische Freiheit sei in dem Text "nicht so wesentlich übertreten", dass ein Ausschluss gerechtfertigt wäre.

(mh/ms/dpa)

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