- Seine Musik begleitet seit Jahrzehnten viele, die sich gegen Autorität und Ungerechtigkeit stellen.
- Aber nicht nur als Komponist, auch als Politiker und Widerstandskämpfer erlangte Mikis Theodariks weltweit Berühmtheit.
- Nun ist er im Alter von 96 Jahren gestorben.
Griechische Musik, griechischer Widerstand, griechische Kultur - all das versinnbildlicht Mikis Theodorakis. In seiner Heimat heisst es, "Mikis" habe die griechische Seele in die Sprache der Musik übersetzen können, so dass sie weltweit verstanden wurde. Als Komponist, Dirigent, Schriftsteller, Widerstandskämpfer und Politiker wurde Theodorakis international berühmt. Für seine Landsleute ist er bis heute die Stimme des Volkes und die "Stimme Griechenlands". Am 29. Juli hatte er noch seinen 96. Geburtstag gefeiert, nun starb Theodorakis am Donnerstag in Athen. "Heute haben wir ein Stück der griechischen Seele verloren", teilte die griechische Kulturministerin Lina Mendoni mit.
Der fast zwei Meter grosse Mann wirkte in den vergangenen Jahren gebrechlich und hatte das Dirigieren aufgegeben, nahm jedoch noch im Juni 2019 an einem Konzert zu seinen Ehren im alten Athener Olympiastadion teil. Theodorakis war dabei geistig stets wach und dynamisch. Etwa wenn er sich, im Rollstuhl sitzend, mit lauter Stimme und leuchtenden Augen zu politischen Themen seines Landes äusserte. Auch auf seiner Internetseite kommentierte er bis zuletzt das Geschehen griechischer Tagespolitik.
Wellen der Begeisterung bei jedem seiner Live-Auftritte
Bei jedem seiner Live-Auftritte gab es Wellen der Begeisterung. Vor allem auch während der schweren Finanzkrise des Landes zwischen 2008 und 2018 erhob Theodorakis die Stimme und rief die Griechen dazu auf, nach vorne zu blicken und das Land wieder auf Kurs zu bringen. Gleichzeitig gründete er, typisch "Mikis", eine Widerstandsbewegung gegen die harten Sparmassnahmen, die die internationalen Gläubiger dem Land auferlegt hatten. Begründung: Er könne nicht tatenlos zusehen, wie weite Teile des Volkes im Elend lebten.
Bilder von Theodorakis, auf denen er mit weit ausgestreckten Armen (die griechische Presse nannte ihn "Adler") Orchester, Sänger und oft auch das Publikum in den musikalischen Himmel lotste, waren in den vergangenen Jahren nur noch im Fernsehen oder in alten Filmaufnahmen zu sehen.
Theodorakis inspirierte in historisch dramatischen Zeiten viele Griechen musikalisch und seelisch
Mit seiner volksnahen Musik begleitete und inspirierte er in historisch dramatischen Zeiten viele Griechen musikalisch und auch seelisch bei ihren Kämpfen für Demokratie und Freiheit. Zur Musik kam der 1925 auf der Ägäisinsel Chios geborene Theodorakis durch einen alten deutschen Film über Ludwig van Beethoven. "Ich sah den Film zusammen mit meinem Vater. Ich war fasziniert", erzählte er einmal in einem Interview des griechischen Fernsehens. "Ich bat meinen Vater, der beruflich nach Athen fuhr, mir alles zu bringen, was er in der Hauptstadt über Musik finden konnte. So fing es an."
Später studierte Theodorakis Musik am Athener Konservatorium und in Paris. Zunächst komponierte er klassische Musik. Seine musikalische Genialität offenbarte sich erst 15 Jahre später: Anfang der 1960er Jahre fand er zu den Wurzeln der griechischen Musik zurück. Er baute auf dem Musikstil Rembetiko auf, der Volksmusik der griechischen Arbeiter und Aussenseiter. Bald produzierte er seinen "Mikis-Sound", der bis heute unverkennbar ist - mal tragisch und melancholisch, dann wieder überraschend triumphal und revolutionär.
Seine Landsleute meinten, eine Art Magie zeichne seine Musik aus
Eine Art Magie zeichne seine Musik aus, sagen viele seiner Landsleute. Und auch international zählte der Komponist unzählige Fans - darunter auch Prominente wie Arthur Miller, François Mitterrand, Wolf Biermann, Martin Walser und Roger Willemsen. Letzterer schrieb nach einem Treffen mit dem Komponisten: "Europa hatte keinen Che Guevara, es hatte Mikis Theodorakis. (...) Wir waren mit ihm. Wer nie vom Umsturz der Diktaturen geträumt hat, wird bekanntlich nie erwachsen."
Theodorakis formulierte es selbst folgendermassen: "Ich gehöre einer Generation an, die sich einem extremen Idealismus verschrieben hatte. Mein ganzes Leben war ein endloser Kampf zwischen dem Idealistischen und dem Wirklichen, dem Alltäglichen und der Vision."
Um eine Vision ging es auch im Film "Alexis Sorbas" mit Anthony Quinn in der Hauptrolle, dessen Filmmusik den Komponisten Theodorakis Anfang der 1960er weltweit bekannt machte. Bis heute gilt der Titelsong als heimliche griechische Nationalhymne - mitsamt des Tanzes, bei dem Menschen weltweit Arm in Arm die Beine zum immer schnelleren Takt in die Höhe werfen. Das prägnante "Tadam ..." des Liedes könne es in puncto Bekanntheit sogar mit Beethovens fünfter Sinfonie aufnehmen, sagen Musikwissenschaftler. Immerhin: Beethoven musste mit vier Noten auskommen, Theodorakis reichten zwei.
Musiker und Widerstandskämpfer im Zweiten Weltkrieg
Der Film lässt aber gerne vergessen, dass Theodorakis eine überaus harte Zeit im Widerstand hinter sich hatte. Bereits während des Zweiten Weltkrieges war er Widerstandskämpfer. Beim anschliessenden Bürgerkrieg (1946-1949) kämpfte er mit den Linken, wurde in einem Lager interniert und schwer gefoltert. Später kämpfte er gegen die griechische Militärdiktatur (1967-1974), wurde festgenommen und wieder gefoltert. Schliesslich durfte er auf internationalen Druck hin ausreisen und lebte bis 1974 im Pariser Exil.
Nach der Etablierung der Demokratie 1974 kehrte er in seine Heimat zurück und startete ein politisches Wechselspiel. Zunächst wurde Theodorakis Abgeordneter für die Kommunisten. Als diese ihn enttäuschten, wurde er als unabhängiger Kandidat mit der Unterstützung der Konservativen ins Parlament gewählt. Eine Weile war er Minister der konservativen Partei, danach näherte er sich den Sozialisten an.
Als Opportunist aber wurde er nie gesehen. Theodorakis kämpfte stets gegen jede Art anmassender Autorität, ganz gleich welcher politischen Richtung. Unrecht und harte Massnahmen, die das Volk und nicht die Reichen trafen, waren ihm zuwider. Genau dafür liebten sie ihn. (dpa/Takis Tsafos/Alexia Angelopoulou/mgb)
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