Es herrscht eine neue Lust am österreichischen Pop – und das nicht nur in seinem Heimatland. Austro-Bands wie Wanda oder Bilderbuch sind auch im Ausland so erfolgreich, dass nicht einmal die ZDF-Nachrichten oder das Deutsche-Bahn-Magazin um sie herum kommen. Wie machen die das? Musikjournalist Michael Ternai vom Musik-Informationszentrum MICA weiss es.
Mit ihrem romantisch-schnodderigen Rocksound erobert die Wiener Band Wanda derzeit nicht nur die österreichischen Charts, sondern auch das benachbarte Ausland. Wanda sind nicht die einzigen Österreichischer, die derzeit in Deutschland und der Schweiz Gehör finden: Mit ihrem theatralischen Kunstpop schaffen Bilderbuch, ebenfalls aus Wien, fern der Heimat den Sprung in die Hitparaden (#14 in D, #36 in CH) - und wurden vom altehrwürdigen Musikmagazin "Rolling Stone" mit einem grossem Artikel bedacht. Auch andere heimische Musiker wie Julian le Play, Parov Stelar, Klangkarussell oder Olympique geniessen das gesteigerte Interesse am neuen Austropop.
Österreich als Marke
Aber passt der Begriff "Austropop", der klassisch Musiker wie
Abgesehen von volkstümlicher Musik und Schlager ist es lange her, dass die Musik österreichischer Bands Deutschland erreichte. Seit den Achtzigern, in denen Falco und die EAV auch bei den Nachbarn allgegenwärtig waren, gab es kaum internationale Erfolge. Selbst im eigenen Land war das Interesse an den Musikschaffenden nur in homöopathischen Dosen vorhanden. Mit den neuen Erfolgsbands wächst aber der Zuspruch, wie Ternai erklärt: "Jetzt ist es zum ersten Mal so, dass in Österreich selbst die Anerkennung am Wachsen ist, dass Musik aus Österreich so gut sein kann. Das bewirkt natürlich im Umkehrschluss, dass man viel selbstbewusster auftritt und auch im Ausland wahrgenommen wird."
Selbstbewusstsein und Marketingwissen
Dieses neue Selbstbewusstsein ist wohl das, was den neuen Austropop am meisten auszeichnet – obwohl die einzelnen Bands musikalisch nicht unterschiedlicher sein könnten. Wo früher gerne alles ein wenig herabgespielt wurde und die österreichische Herkunft mitunter als Makel empfunden wurde, treten Wanda und Konsorten mit enormer Selbstverständlichkeit auf. "Mit dem steigenden Selbstbewusstsein ist auch der Publikumszuspruch grösser geworden", erklärt Ternai. "Ich glaube auch, dass von Seiten des Publikums der Wunsch nach etwas Neuem, nach neuen österreichischen Songs da ist."
Hinter den Erfolgen der neuen österreichischen Bands steckt aber auch ein gesteigertes Business-Knowhow. "Es hat generell eine Professionalisierung stattgefunden in Österreich – unter den Labels und den Musikern selbst – was die Mechanismen des Marktes angeht und wie man damit umgeht", führt Ternai aus. Die Künstler nutzen Kanäle, die sie sich selbst durch Zusammenarbeiten erschaffen haben, und wissen, wie sie sich selber vermarkten können. Ausserdem helfen neue Strukturen, um die Acts bekannter zu machen – zum Beispiel das Wiener Popfest, ein Gratis-Festival, bei dem der Fokus auf heimischen Bands liegt, oder ein Showcase-Festival wie Eurosonic, bei dem sich im Jänner 2014 fünfzehn österreichische Gruppen Journalisten und Szenemitgliedern vorstellen konnten.
Die musikalische Zukunft
Jenseits der erwähnten Chartstürmer gibt es Dutzende weitere österreichische Musiker und Gruppen, die entdeckenswert sind: zum Beispiel der Pop-Act Lylit mit der beeindruckenden Soul-Stimme von Sängerin Eva Klampfer – ein von Erykah-Badu-Entdecker Kedar Massenburg in New York produziertes Album ist schon im Kasten. Oder die Salzburger Gruppe Purple Souls, deren schwelgerischer Gitarrenpop die aktuelle "Austrian Airlines"-Werbekampagne beschallt und schon im Vorprogramm von Bands wie Awolnation oder den Crystal Fighters zu hören war.
Wie wäre es mit dem verspielten Indie-Pop der Mühlviertler Back to Felicity, die gerade den oberösterreichischen Wettbewerb "Lautstark!" gewonnen haben? Oder mit dem flirrenden Post-Rock der Wiener Band Lehnen? Auch spannend: Der kinohafte Folkpop von Polkov, der tanzbare Indierock von At Pavillon oder der intensive Soul von Robb.
"Es ist eine unglaubliche musikalische Breite und Vielfalt in Österreich vorhanden in Moment", bestätigt Michael Ternai. Umso besser, wenn die Erfolge der Vorreiter wie Wanda und Bilderbuch helfen, diese Vielfalt weiter aufblühen zu lassen und der heimischen Musikszene zu grösserer Aufmerksamkeit verhelfen. Ternai ist auf jeden Fall optimistisch: "Ich glaube, man kann die österreichische Musikszene nicht mehr ignorieren."
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