Frankreich hat die Internationalen Filmfestspiele von Cannes, Deutschland hat die Berlinale in, ja, ja, Überraschung: Berlin. Was Branchenbedeutung, internationales Renommee und A-Promi-Stardichte angeht, verhält sich Cannes zu Berlin wie Los Angeles zum Dschungelcamp. Wir sind hier in Deutschland bei vielem Weltmarktführer und Innovationsvorreiter – Filmkunst jedoch gehört definitiv nicht dazu.
Gut, wenn man den selbstdenkenden Telegram-Akademikern aus der rechtspopulistischen Kognitionsverweigerer-Bubble Glauben schenkt, ist die deutsche Wirtschaft inzwischen ebenfalls auf dem Niveau von Kiribati angelangt. Ganz einfach, weil wohl
Das ist aber eine andere Geschichte. Heute geht es um die Glitzerwelt Film. Kiribati gilt als Zwergstaat, die Berlinale als Zwergfestival. Und, ach komm, an dieser Stelle muss in dieser launischen Kolumne voller Esprit und Insider-Wissen über die Filmbranche einfach auch mal Zeit für eine Scherzfrage sein: Was ist der Unterschied zwischen Kiribati und der Berlinale? Keiner – beide haben keine Filmstars.
Cannes Berlin nicht Cannes sein?
Bevor jetzt aber der Eindruck entsteht, ich würde diesen Wochenrückblick als lustvollen Hort grauenvoller Wortwitze missbrauchen, kommen wir lieber zum Thema. Die Berlinale also startete am Donnerstag in, ach nee, Berlin. Sie endet am kommenden Sonntag mit der Vergabe der Goldenen Bären. Berlin, Bär – Sie verstehen! Da freut man sich Jahr für Jahr, dass Deutschlands viertwichtigster Kinopreis nach dem Deutschen Filmpreis, dem Bayrischen Filmpreis und dem BRAVO Otto nicht in Hameln stattfindet. Dann würde er vermutlich Hamelinale heissen und am Ende würden goldene Ratten vergeben.
Aber auch unter dieses Thema setzten wir hier schnellstmöglich einen Schlussstrich, denn die Vokabel "Ratten" löst bei volksnahen Märchenexperten wie
Nun ist es kein Geheimnis, dass sich in Los Angeles oder am Boulevard de la Croisette in jeder Pommesbude mehr echte Filmstars aufhalten als während der Berlinale an der Spree, aber das kann man Berlin jetzt nun wirklich nicht vorwerfen. Berlin war es nicht, das Hollywood jahrzehntelang suggerieren wollte, unser grösster Filmstar wäre
Garrn keine Stars auf der Berlinale
Stichwort schöne Ecken. Während also in Cannes zu den Filmfestspielen Zendaya und Taylor Swift die Roten Teppiche säumen, gibt es aus Berlin immerhin BFF-Instastorys von
Hier sind die grössten Stars am Ende zumeist Celebritys, die nur entfernt etwas mit Film zu tun haben. Versteht mich bitte nicht falsch: Ich bin grosser Fan von
Was dem unbeteiligten Berlinale-Beobachter diese Woche also bleibt, sind unerfüllte Träume von Brad Pitt, George Clooney, Meryl Streep oder Emma Stone. Und die durchaus erheiternde Vorstellung, dass "
Inside Borchardt Berlinale Party
Aber mal rein ins Getümmel. Die inoffizielle Opening Night der Berlinale findet stets am ersten Donnerstag im Borchardt statt. Das schnitzelaffine In-Restaurant wird dann für einen Abend zum Film-Hotspot Europas. Traditionell werden in dieser Nacht mehr Kälber paniert als "Head full of Honey" (die US-Kinoversion von "Honig im Kopf") Zuschauer hatte. Wobei man lobend erwähnen muss, dass es an der Französischen Strasse 47 inzwischen ein grandioses veganes Wiener Schnitzel gibt. Daumen hoch hier also für Berlins Szenegastronomie. Der lauschige Selbstbeweihräucherungs-Komplettabsturzabend ist auch diese Saison ein Stelldichein der Supermodels und Filmstars – und mir. Auf den knapp 300 Quadratmetern Gastrofläche fand sich ein Promiauflauf ein, der für 45 Ausgaben "Wetten, dass..?" gereicht hätte. Die meisten Damen in Outfits, die Thomas Gottschalk an seine besten Zeiten als berühmtester Beingrapscher der Nation erinnert hätten.
Von Oliver Berben über Minh-Khai Phan-Thi, von Friedrich Mücke über Micky Beisenherz, von Leni Adams über Annabell Mandeng, von Nadine Klein über Wayne Carpendale, von Christian Langbehn (Erfinder der Pashion-Week) über Alex Diekmann (Erfinder des Plus 1 auf Gästelisten) – vor Ort i(s)st einfach alles, was Rang und Namen hat. Oder was glaubt, Rang und Namen zu haben. Oder was glaubt, andere glaubten, man hätte Rang und Namen. Leni Adams wird den gesamten Abend (ein bisschen Gossip ist immer wichtig in diesen "ich war dabei"-Kolumnen) von Torsten Voges für die Tochter von Heidi Klum gehalten. Warum, bleibt zunächst unklar. Am Abend geht jedoch das Gerücht, diese Fehlinformation wäre von Italo-Comedian Daniele Rizzo gestreut worden.
Zur Aufklärung für alle Nicht-Insider: Leni Adams ist Schauspielerin ("Alarm für Cobra 11"), Torsten Voges ist tatsächlich Deutschlands einziger echter Filmstar ("The Big Lebowski", "Seinfeld", "Funny People"). Christian Langbehn dagegen ("Mein Champagnerglas ist leer, schüttflix was nach!") hat mehr Promis auf Kurzwahl als Boris Becker Tennisschläger verschlissen. Daniele Rizzo soll demnächst einen brutal erfolgreichen Podcast launchen. Was man halt so hört auf der Berlinale.
Vor der Tür versuchen bedeutungslose Schaulustige in ihren teuersten Anzügen den Restaurantmanagern zu vermitteln, sie wären wichtiger als Matt Damon und
Stichwort Steven Spielberg: Der US-Regisseur wurde 2023 auf der Berlinale mit dem Preis für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Neben seiner unvergleichlichen Sammlung an Box-Office Blockbustern, die Milliarden an Dollar einspielen konnten, arbeitet Spielberg schon seit 1994 mit seiner eigenen Schoah Foundation (Survivors of the Shoah Visual History Foundation) daran, weltweit Schilderungen von Überlebenden des Holocaust zu sammeln. Die Idee dazu ging auf Wünsche von Holocaust-Überlebenden während der Dreharbeiten zu Spielbergs Film "Schindlers Liste" zurück.
Aktuell stellt seine Organisation Dokumentationen der Terrorattacken der Hamas am 7. Oktober 2023 zur Verfügung. In der jüdischen Community gilt Spielberg als sehr engagiertes, beliebtes Mitglied. Wobei man auch anmerken muss: Ob Spielberg überhaupt ein richtiger Jude ist, das müsste die offizielle Judenstatus-Beauftragte Deborah Feldman natürlich zunächst erst noch prüfen und per Echtheitszertifikat validieren. Hier die sogenannte Feldman-Absolution zu erlangen, gestaltet sich mitunter schwieriger als man annehmen würde. Das mussten schon einige prominente jüdischen Glaubens erfahren, darunter Sarah Cohen-Fantl oder Igor Levit. Ich wünsche Steven Spielberg da viel Glück!
Aber zurück ins Berlinaleparadies Borchardt. Im heillos überfüllten Innenbereich werden zwar keine wirklichen Deals gemacht, ausser vielleicht, okay, naja, das ist wohl so bei den sogenannten Schönen und Reichen, einige softe Drogengeschäfte, aber alle bestellen Schnitzel für 40 Euro und eine Orgie an Cocktails – und nicht wenige hoffen dabei, irgendein Angeber in Spendierhosen spränge gleich auf und verkünde selbstverliebt, er würde die Rechnung für den Tisch natürlich komplett übernehmen. Das passiert durchaus regelmässig, weswegen die wichtigste Regel für Abende dieser Art lautet: Niemals der letzte am Tisch sein. Der zahlt dann nämlich alles, was noch offen ist. Ausser die Wunden nicht erfolgreich absolvierter Castings.
Diese Woche geht die Berlinale weiter. Ich berichte euch dann nächsten Montag, warum ich nicht zur Berlinale Eröffnungsparty eingeladen war, zwei AfD-Politiker dafür aber schon. Was ich nicht berichten werde: Wie es auf der "Red Night" von Bunte so gelaufen ist. Da war ich nämlich ebenfalls nicht eingeladen. Wenn jemand sich beschweren möchte, dass durch diesen Einladungs-Fauxpas kein Text wie dieser auch über die Bunte-Party entstehen konnte, gerne eine Mail mit dem Betreff: "Kennt Ihr Marie von den Benken nicht? Aber fliessend Wasser habt Ihr, oder?" an presse@burda.com. Bis Montag!
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