Die besten News des Tages direkt zu Beginn: Richard David Precht ist auch in der zweiten Woche in Folge kein Thema dieses Rückblicks. Erneut sieben Tage, ohne dass sich der faktenbegeisterte Investigativkritiker mit Sensationsauftritten bei "Markus Lanz" in die Trendcharts des öffentlichen Diskurses gemansplained hat. Ist es nicht schön, die Woche mal mit guten Nachrichten zu beginnen? Belastende Themen gibt es ja wirklich genug, und da ist der Unionsbeauftragte für Soziale Gerechtigkeit, Friedrich Merz, noch gar nicht mit eingepreist, der das neue Bürgergeld weiterhin vehement ablehnt. Obschon das aus seiner Sicht verständlich ist: Warum sollten die Ärmsten der Armen fette 53 Euro im Monat mehr erhalten? Dafür kann man nicht mal ein sehr kleines Privatflugzeug volltanken.
Etwas weniger amüsiert ist SPD-Parteichef
Gut, ob Friedrich Merz nach seinen jüngsten Ausflügen zum AfD-Jargon ("Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus der ukrainischen Flüchtlinge") überhaupt noch von jemandem ausser
Merz lass nach
Insgesamt hat die CDU diese Woche einen Lauf. Paul Ziemiak etwa legt einen hollywoodreifen Twitter-Stunt hin. Ein aus dem Kontext gerissenes Lachen von
Aber auch der neue Guru der Freiheits-Deformatoren aus dem ehemaligen liberalen Lager,
Da brillierte er mit einer unternehmerischen Top-Idee: Eine beispiellose Kündigungswelle, bei der zirka 50 Prozent der Twitter-Belegschaft nachts per Mail entlassen wurden. Nach welchen Kriterien dabei über Verbleib und Demission entschieden wurde, ist unklar. Sonderlich vernunftbasiert wurde offenbar nicht vorgegangen, denn bereits 48 Stunden nach dem Personal-Harakiri mehrten sich die Hinweise darauf, Twitter würde mit dem Rückruf vieler gerade erst gefeuerter Ex-Mitarbeiter beginnen. Einige Kündigungen seien wohl "versehentlich" ausgesprochen worden. Oder das stabile Genie Musk hat zwischenzeitlich nachgelesen, dass selbst im Arbeitgeber-Eldorado USA das turbomarktwirtschaftliche "Hire & Fire" nur für Einzelpersonen gilt, während Massenentlassungen 60 Tage im Voraus angekündigt werden müssen. Weswegen ihm nun ein arbeitsrechtliches Fiasko vor Gericht droht. Ein spektakulärer Schachzug. Besonders, weil Musk Twitter überhaupt nur zu einem vor Monaten angebotenen, dann aber für viel zu hoch eingeordneten Preis gekauft hatte, um ein kompliziertes Gerichtsverfahren zu umgehen. Jetzt hat er also beides: Eine brutal überteuerte neue Firma und ein sehr teures Dauerabo auf Gerichtssäle. Genial, der Mann!
Twitter, Tesla, egal – Hauptsache top Arbeitsklima!
Eine Firma für 44 Milliarden kaufen, die nach eigenen Erkenntnissen nur etwa 25 Milliarden wert ist, dazu einen stattlichen Schuldenberg vor sich herträgt und täglich weitere vier Millionen verbrennt, könnten Laien als unglücklich betrachten. Nach wenigen Tagen in einer Art Liquiditäts-Panikattacke die Hälfte der Angestellten rauszuwerfen, ist schon bemerkenswerter. Grotesk wird es spätestens, wenn während einer schnellstmöglich implementierten "Meinungsfreiheits"-Offensive die Kriterien für zu sperrende Inhalte womöglich viel zu schnell, aber dafür intransparent geändert werden. Man muss kein Genie sein, um vorauszusagen, dass nach dilettantischen Reformen der wichtigsten Regeln die Brand-Safety leidet.
Womit auch der nächste logische Schritt vorgezeichnet war: Unternehmen stoppen ihre Werbung auf Twitter. Nur wenig verwunderlich, wenn Global Player wie Audi, Volkswagen, Porsche, Pfizer, United Airlines oder Mondelez ihre Botschaften nicht in Timelines einbetten möchten, in denen Rassismus, Sexismus und die Verwendung des N-Wortes dramatisch ansteigen, weil gar nicht mehr (siehe auch: Kündigungswelle) oder nach, sagen wir mal freundlich, sehr speziellem neuen Regelwerk moderiert wird. Ein echter Selfmade-Egozentriker wie Musk sieht darin allerdings keinen Hinweis, vielleicht nicht mit jeder Entscheidung seit seiner Twitter-Übernahme absolut goldrichtig gelegen zu haben, sondern als (Achtung, jetzt aufpassen): Linksradikalen Angriff. In einem Tweet gesteht er den massiven Einbruch der Werbeeinnahmen ein (die im Prinzip Twitters einzige Einnahmequelle sind) und verrät auch den Grund dafür: "Aktivistengruppen, die Druck auf Werbekunden ausüben."
Chefreporterin Humor
Nun könnte man meinen, ein Mann mit den finanziellen Möglichkeiten eines Elon Musk würde spätestens jetzt einen Kurswechsel erwägen oder sich qualifizierte Berater einkaufen. Die traurige Wahrheit ist: Musk wählt die denkbar schlechteste Reaktions-Option und droht den abtrünnigen Werbekunden, "ein thermonukleares Benennen und Schämen" wäre die Folge, wenn das Zudrehen des Werbegeldhahns nicht umgehend aufhöre. Ob das Bedrohen von Weltkonzernen tatsächlich die allerbeste Strategie ist, kann ich nicht beurteilen. Auch unternehmerische Ratschläge stehen mir nicht zu. Ich bin nicht in einer Familie aufgewachsen, die mit einer Miene in Sambia im Rücken "so viel Geld hatte, dass wir den Tresor nicht zubekamen". Viele sprechen in diesem Zusammenhang von "Blutdiamanten".
Ein so erfolgsverwöhnter Business-Gigant wie Diamanten-Musk braucht sich von einer kleinen Mini-Kolumnistin wie mir sicher keine Strategietipps einzuholen. Mit Sicherheit steckt ein genialer Plan hinter seinem skurril wirkenden Handeln, der lediglich mir zartbehirnter Querulantin noch nicht ersichtlich ist. Anders scheint es beim Axel-Springer-Verlag zu sein. Das deutschlandweit beliebte StartUp für Scheidungspapiere und Brand-Safety-Vorbild fasst die hektischen Entlassungen, den überteuerten Kaufpreis, den Verlust von Werbemillionen, die Drohung an Werbetreibende und den rasanten Anstieg von Hate Speech auf Twitter jedenfalls mit dem Fazit "Die grün-linke Blase hat keinen Humor, Elon Musk schon" zusammen.
Da scheint man also Insider-Infos zu haben, dass es am Ende Teilzeit-Comedian Musk sein wird, der am lautesten lacht und die verbliebenen Mitarbeiter mit spontanen Stand-Up-Comedyprogrammen von den Programmierer-Sesseln reisst. Oder man hat ein ähnlich kurioses Verständnis von Humor, wie man es bereits beim Thema Freiheit redaktionsübergreifend ausgerollt hat. Aber, bevor es jetzt wieder Kommentare der Fanboy-Elite hagelt, die hauptberuflich die Kommentarspalten der "Welt" und die Replys auf meine Tweets zu einer Wohlfühloase der Nächstenliebe machen: Auch die intellektuell eher schrille Quintessenz, Musks Verhalten als besonders humorglänzend zu werten, kann eine unterkomplexe Influencerin wie ich wohl kaum seriös beurteilen. Ich meine, mal unter uns, Influencer ist ja nicht mal ein richtiger Beruf. Und ein paar linksgrünversiffte Mainstream-Buzzwords aneinanderreihen und das dann als "Kolumne" verkaufen, das kann echt jeder. Das muss man dann auch irgendwann mal einsehen. In diesem Sinne möchte ich Sie für diese Woche nicht länger mit meinen ersten Gehversuchen als Autorin belästigen und sage: Bis nächste Woche, Ihre Chefreporterin Humor.
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