Popkulturell ist der nordamerikanische Bundesstaat Tennessee vor allem durch Graceland weltweit ein Begriff geworden. Das Anwesen, das als die Heimat von Elvis Presley gilt, liegt in einem Vorort von Memphis und ist bis heute eine Pilgerstätte für hüftschwungbesessene "It´s Now Or Never" Fans.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Seit vergangener Woche ist der Ruhm Tennessees um eine bislang weitestgehend unbekannte Kategorie erweitert worden. Etwa 225 Meilen von Graceland entfernt befindet sich die Kleinstadt Belfast, deren wichtigster und im Prinzip einziger historischer Höhepunkt laut Wikipedia bislang ein Tornado war, der sich im Jahr 1952 über Belfast, Tennessee hermachte und dabei drei Todesopfer und vermutlich 166 Verletzte forderte.

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Ebenfalls einen amtlichen Tornado, glücklicherweise allerdings keinen tödlichen, erlebt dieser Tage eine der weniger als 1000 Einwohnerinnen und Einwohner von Belfast, Tennessee. Hailey Welch ist 21 Jahre alt und bis vor einigen Tagen ein Südstaatengirl aus einem Dorf in der Nähe von Atlanta, deren Chancen auf überregionale Bekanntheit etwa so gut standen wie die Chancen von Menderes Bağcı auf ein Duett mit Taylor Swift. Das hat sich allerdings in den vergangenen Tagen dramatisch verändert.

Hailey Welch nämlich, womöglich schon mit dem einen oder anderen die Zunge lockernden Gerstensaft konfrontiert, lief an jenem denkwürdigen Abend einem bekannten YouTuber in die Arme, der ihr einige handelsübliche Fun-Fragen stellte. Darunter auch: "Mit welchem Trick machst Du Männer im Bett verrückt?“

In Zeiten der totalen Selbstaufgabe für 15 Minuten Internetruhm und ein paar hundert Likes von voyeuristischen TikTok Casanovas, die darauf hoffen, irgendein Girl ist eventuell volltrunken genug, um sich vor der Handykamera spontan auszuziehen, ein gängiges Format.

Jemand, der sich wahlweise für besonders lustig, besonders gutaussehend, besonders clever, besonders wortgewandt, besonders schlagfertig oder (wenn es besonders peinlich werden soll) eine Kombination aus allen genannten Punkten hält, läuft mit einem Mikrofon an Orten durch die Gegend, an denen sich vornehmlich sehr junge und gerne auch sehr betrunkene Gäste aufhalten.

An Partystränden, vor Clubs, auf Konzerten oder in für ihr Nachtleben berühmten Szenevierteln. Dort sprechen sie dann wahllos Fremde an, von denen sie sich zotige Sexbeichten, sexy Beischlafanekdoten oder andere verbale oder oberbekleidungsentledigende Aussetzer erhoffen, für die sich die Befragten am Tag danach schämen.

Dabei wird dann zum Beispiel gefragt, wie viele Sexualpartner man schon hatte, ob man den Interviewer daten würde, wie sexy ein anderer fremder Gast, der versehentlich vorbeiflaniert, auf einer Skala von 1 bis 10 wäre oder eben, und da schliesst sich der Kreis zu der eben noch gänzlich unbekannten Hailey Welch, Sie erinnern sich: "Mit welchem Trick machst Du Männer im Bett verrückt?“

Spit on that Thang

Hailey, blond, braun gebrannt, im kleinen Schwarzen mit weissen Overknee-Stiefeln und einer Prada-Halskette, die sie bislang offenbar nicht wieder abgelegt hat, antwortet auf diese explizite Frage mit einem Lottogewinn: "You gotta give 'em that Hawk Tuah, spit on that thang, get me?“ (Südstaatendialekt bitte beim Lesen mitdenken).

Um ganz ehrlich zu sein: Als ich die über Nacht zum Hawk Tuah Girl gewordene Hailey an jenem Morgen, nachdem sie vor der "WannaB´s Karaoke Bar" am Nashviller Broadway über die Vorteile referierte, die das Spucken auf ein erigiertes männliches Geschlechtsorgan beim Oralverkehr bringt, erstmals sah, wusste ich nicht, was ein "Hawk Tuah" überhaupt ist.

Ein besonders schwieriger Sprung mit dem Skateboard, der Name eines langhaarigen Surfweltmeisters aus Hawaii, eine Indie-Band aus Berlin-Spandau oder eine neue fancy kaltgebrühte Kaffeespezialität bei Starbucks. Ich hätte all das geglaubt.

Tatsächlich aber ist "Hawk Tuah" offenbar eine Slang-Bezeichnung für intensiven Oralsex. So schnell, wie ich lernen musste, dass "Hawk Tuah" offenbar das Geräusch beschreiben soll, das eine Frau macht, wenn sie während eines so genannten Blowjobs Speichel hochwürgt und anschliessend ausspuckt, lernte Hailey Welch die Dynamik einer Internet-Sensation kennen.

Kaum von der wilden Partynacht aus der benachbarten Grossstadt Nashville (ungefähr 700-mal so viele Einwohner wie Belfast, Tennessee) wieder zu Hause, wird es kafkaesk für das Hawk Tuah Girl, das an jenem Morgen noch gar nicht ahnte, dass dieser Name sie vermutlich bis an ihr Lebensende verfolgen wird.

Lyrikromantiker, und die braucht man in Texten wie diesen dringend, in denen bereits zahlreiche unflätige Vokabeln fielen und es unkeusch um sexuelle Handlungen ging, die sogar ausserehelich und ohne Fortpflanzungshintergrund stattfinden, würden es so formulieren:

Als Hailey Welch eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand sie sich im Internet zu einer ungeheuren Hawk Tuah Sensation verwandelt.

Gomez You Are

Aber auch die übrige Promiwelt drehte sich vergangene Woche weiter. Zwar ordentlich vom Hawk Tuah Hype überstrahlt, aber dennoch stabil, schafften es verschiedene Celebrity-Klatschhöhepunkte in die Schlagzeilen. Selena Gomez etwa. Der Schauspielerin ("Only Murders in the Building") und Sängerin ("Lose You To Love Me") wird in ihrer über Promiklatsch stets bestens informierten Heimat nachgesagt, eine Heirat mit ihrem Freund Benny Blanco würde kurz bevorstehen.

Nun sind Hochzeitsgerüchte nicht zwangsläufig weltbewegender Natur. Folgt man Trendmagazinen wie der "Freizeit Revue" hat beispielsweise allein Helene Fischer etwa 284-mal geheiratet. Was aber nicht verwunderlich wäre, denn dasselbe Branchenblatt verkündete auch bereits annähernd 491 Schwangerschaften von Helene Fischer.

Die Faszination bei dieser Meldung geht eher vom vermeintlichen Bräutigam aus. Benny Bianco? Da fragen sich professionelle D-Promi-Hofberichterstatterinnen wie ich natürlich umgehend: Ist das der Sohn von Roberto Blanco oder von Patricia Blanco?

So oder so: Die Familie Blanco, die durch die Erfindung des gleichnamigen Schecks zu extremem Reichtum gelangt ist, scheint sich von der Öffentlichkeit unentdeckt inzwischen bis nach Hollywood weiterentwickelt zu haben. Und, ach komm, nach der plakativen Erklärung, was "Hawk Tuah" bedeutet, ist es so oder so egal: Selena Gomez soll Justin Bieber entjungfert haben.

Mama, wenn du hier mitliest: Ich erfülle hier nur meine Chronistinnenpflicht. Gäbe es Wissenswertes aus der Weltliteratur, würde ich darüber natürlich auch schreiben. Aber was soll ich sagen? Hera Lind und Dieter Bohlen haben einfach schon viel zu lange keine Bücher mehr veröffentlicht.

Barbie Baby

Das war aber noch lange nicht alles aus dem Presseclub für Tratschweiber. Margot Robbie ist diese Woche ebenfalls schlagzeilenauffällig geworden. Die Schauspielerin, der von vielen Hatern zu Unrecht unterstellt wird, erst via ihres 100 Prozent Nacktauftritts in "The Wolf of Wallstreet" den internationalen Durchbruch als Schauspielerin geschafft zu haben, soll schwanger sein.

Offiziell bestätigt ist diese Neu-Personalie zwar noch nicht, aber die in solchen Fällen stets mannigfaltig aus dem Nichts auftauchenden Insider und engen Freunde sind sich unisono sicher: Barbie bekommt endlich ein Baby.

Und dann gab es ja auch noch Fussball. Nach mühevoller Kleinarbeit hat es Bundestrainer Julian Nagelsmann geschafft, einer gesamten Nation zu suggerieren, eine Mannschaft wie Deutschland, die mit dribbelstarken Aussenstürmern und flankenaffinen Aussenverteidigern über die Flügel kommt, bräuchte dringend einen kombinationsstarken Kai Havertz als Neuner-Stürmer anstatt eines Niclas Füllkrugs, der auch eine verunglückte Flanke gerne noch irgendwie mit irgendeinem Körperteil über die Torlinie drückt.

Viel half ihm das nicht bei der unglücklichen 1:2 Niederlage gegen die Favoriten aus Spanien. In einem ausgeglichenen Viertelfinale, in dem Deutschland aussichtsreicher agierte als von den meisten Experten vorausgesagt, kam Füllkrug im Laufe der zweiten Halbzeit und sorgte für allerlei brandgefährliche Momente im spanischen Strafraum.

Einen von ihm eroberten Ball verwertete Jamal Musial beispielsweise für einen fulminanten Schuss auf das spanische Tor, der lediglich durch einen handballartigen Bagger-Move von Verteidiger Marc Cucurella abgeblockt werden konnte. Der fällige Strafstoss-Pfiff blieb aus. Der mal bei Borussia Dortmund aussortierte Mikel Merino köpfte kurz vor Abpfiff der Verlängerung das glückliche 2:1 für Spanien und das Sommermärchen war vorbei. Kein Halbfinale gegen Frankreich, kein EM-Titelgewinn in Berlin.

Es ist vorbae, Bae Junimond

Was bleibt, ist die Freude über absurde Fakten wie dieses: Emre Can hat diese EM mit mehr Toren beendet als Christiano Ronaldo. Ansonsten erfreut sich das ansonsten eher latent unzufriedene Land an euphorischen Gästetruppen aus Schottland oder Holland.

Auch viele türkische Fussballfans zeigten sich auf den Strassen der Republik. Nur zumeist nicht besonders lange, da der beim durchschnittlichen türkischen Fussballschlachtenbummler offensichtlich sehr beliebte "Wolfsgruss" in Deutschland nicht zwangsläufig behördensicher anzuzeigen ist.

Besagtes Handzeichen entspricht formal dem Wolfsgruss (türkisch: Bozkurt işareti), der als Erkennungs- und Grusszeichen der rechtsextremen Organisation "Graue Wölfe" gilt, mit denen der oft als Anti-Israel Blogger diskreditierte Topjournalist Tarek Bae absolut gar nichts zu tun hat.

Bitte schenken Sie da gut recherchierten Berichten von ZDF, Tagesspiegel oder anderen Mainstream-Medien auf keinen Fall Beachtung. Der Neid auf den kurz vor einem Pulitzerpreis stehenden Tarek Bae ist der Systempresse sehr deutlich anzumerken.

Auch die zahlreichen internationalen Auszeichnungen für seine stets objektive und von jeder Agenda befreite Berichterstattung über den Nahostkonflikt motivieren Hater von Tarek Bae offenbar, diesem presselandschaftlichen Glücksfall für investigativen Enthüllungsjournalismus die Daseinsberechtigung abzusprechen. Da sieht man mal, wohin überkandidelter Woke-Wahnsinn führen kann: Immer wieder werden Tarek Bae Verbindungen zu islamistischen und türkisch-rechtsextremen Gruppierungen vorgeworfen.

Diese Anschuldigungen sind selbstredend aus der Luft gegriffen. Nur weil Friedmann Eissler, der Islambeauftragte der Evangelischen Landeskirche, die "Islamische Zeitung", für die Tarek Bae von 2014 bis 2018 arbeitete, eine "modernen Kalifats-Bewegung" nennt, die eine "Mischung aus Antikapitalismus, deutlich antisemitischen Tönen" und "Anti-Imperialismus" wäre, muss das keinesfalls zutreffend sein.

Auch der Vorwurf, die AKP-nahe Seta-Stiftung, für die Tarek Bae gearbeitet hat, würde Erdogan-Kritiker denunzieren, wurde nie gerichtsfest bestätigt. Jetzt, wo Deutschland aus dem EM-Turnier ausgeschieden ist, sollten wir uns endlich den wichtigeren Themen widmen und dafür sorgen, dass unbescholtene Starjournalisten wie Tarek Bae endlich unbehelligt ihre Kontakte zu Ditib-Funktionären, dem türkischen Islamverband Atib (der vom Verfassungsschutz den rechtsextremen türkischen "Grauen Wölfen" zugerechnet wird), zu Milli Görüs sowie zu Gruppen aus dem Umfeld der Muslimbruderschaft pflegen zu können.

Diese lupenrein demokratischen und fest auf dem Boden der deutschen Verfassung stehenden Kontakte sind ein unverzichtbarer Lichtblick journalistischer Masterclass. Bis nächsten Montag möchte ich, dass Sie sich darüber Gedanken machen. Ich frage das dann ab! Dann heisst es hier nächsten Montag quasi: Hefte raus, Test! Bis dann!

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