Mal wieder liegt eine Woche hinter uns, die aus Echauffierungssicht kaum facettenreicher hätte ausfallen können. Da hätten wir beispielsweise, um mal direkt mit der berühmten Tür ins Haus zu fallen, das signifikanteste TV-Ereignis der Woche: Das Heiratsvermittlungs-Erfolgsformat vom einzigen deutschen Fernsehsender, für den echte Liebe noch Bedeutung hat: RTL.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Namentlich: "Bachelorette". Diversityfreundlich bekennt sich die Protagonistin der aktuellen Staffel seit ihrem Sensationsdebüt als Flirtikone im Netflix-Klassiker "Too Hot to Handle" als bisexuell, weswegen die diesjährige "Bachelorette"-Saison die erste ist, in der sowohl Männer als auch Frauen um den Sieg kämpfen. Offenbar ein neuer Trend im linearen Unterhaltungszirkus, denn immerhin hatte das TV-Jahr im Februar bereits einen imposanten Start hingelegt, als in der 19. Staffel "Germany's Next Topmodel" ebenfalls erstmals Männer und Frauen nach der Krone, also vor allem nach einem Knebelvertrag mit ProSieben und dem Cover eines verkaufszahlenseitig weitgehend irrelevanten Modemagazins, griffen.

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Bei RTL jedenfalls entschied sich die für den normalen Hausgebrauch offenbar zu heisse "Bachelorette" Stella Stegmann diese Woche für Devin (männlich) als Klassenprimus der Rosenkavaliere von 2024. Stegmann ist beruflich eine Art Influencerin, war ausserdem Playmate des Jahres 2020 im "Playboy" und Fitnesstrainerin. In schöner "Bachelor"-Tradition sind die soeben als TV-Traumpaar des Jahres gekürten Stella und Devin in Echtzeit schon längst nicht mehr zusammen. Ein Phänomen, dem immer mehr "Bachelors" zum Beziehungsopfer fallen. Blieb man früher aus Anstand wenigstens noch ein paar Monate über das Ausstrahlungsdatum der Finalfolge hinaus zusammen, um wenigstens den Anschein zu wahren, es hätte sich um eine halbwegs aussichtsreiche Liebesgeschichte gehandelt, sind heute die meisten Traumpaare bereits Geschichte, wenn die "Bachelor" Fans noch gespannt die Daumen drücken, ob es mit den beiden überhaupt etwas wird.

Die Schuld daran, dass Stella Stegmann ihren Devin zwar in der berühmten letzten Nacht der Rosen auserwählt hatte, ohne sich die sonst in dem Format übliche Yeliz-Koc-Gedächtnisschelle einzufangen, aber jetzt bereits wieder solo ist, sucht Stella übrigens nicht bei sich. Es sind die Modalitäten des Formats. "Bachelor" und "Bachelorette" sind selbstverständlich keine Live-Sendungen. Sie werden aufgezeichnet, geschnitten, zusammengefügt, betextet, vorbereitet und dann irgendwann ausgestrahlt. Die Monate, die zwischen dem Produktionstag des Finales und seinem Ausstrahlungsdatum liegen, muss das neue Traumpaar totale Diskretion walten lassen. RTL könnte "Bachelorette" und "Bachelor" ersatzlos aus dem Programm streichen, wenn durch Pressefotos oder Instagrampostings bereits vor dem TV-Finaltag herauskommen würde, wer das Herz der Bachelorette am Ende gewinnen konnte. Mit anderen Worten: Wie frisch verliebte Turteltäubchen müssen sie sich hinter streng verschlossenen Türen lieben und dürfen auch ihre Handys dabei nicht benutzen.

Bachelorette: Sexalarm

Diese Karenzzeit, in der die beiden niemandem von ihrem Glück erzählen dürfen und vor allem in der Öffentlichkeit ein Geheimnis daraus machen müssen, macht der Romantik den Garaus. Das jedenfalls behauptet Stella Stegmann: "Ich hatte diese Wunschvorstellung, dass wir jetzt das Dream Couple sind, aber wir konnten uns nur in der Wohnung sehen, dabei will man eigentlich was zusammen unternehmen." Die Zeit bis zum TV-Termin für das Finale auszusitzen, war augenscheinlich keine Option.

Ob die frühzeitige Trennung womöglich auch mit Stellas Amore-Performance vor der Kamera zu tun hat, bleibt bislang offen. Klar ist nur: Das "T" in RTL steht für tugendhaft. Stella Stegmann nämlich hatte am Ende ihrer "Bachelorette"-Castingphase im Halbfinale neben Davin auch noch einen Mitkandidaten namens Ferry im Rennen. Mit beiden verbrachte sie eine romantische Nacht. Was man eben so macht, wenn man die grosse Liebe sucht: schnellstmöglich mit zwei unterschiedlichen Männern ins Hotelbett.

Die Nacht mit Silbermedaillengewinner Ferry läuft gut. Stella Stegmann jedenfalls zitiert aus ihrem Sex-Tagebuch: "Ich würde sagen, er hat meinen Körper ganz gut kennengelernt. Nicht nur mit den Händen." Da davon auszugehen ist, dass "Nicht nur mit den Händen" kein subtiler Hinweis darauf ist, dass Ferry sich Stellas "Playboy"-erprobtem Körper sogar mit der Nase genähert hat, darf wohl davon ausgegangen werden, es handelt sich um eine blumige Beschreibung für den vollzogenen Kopulationsakt. Wobei sich bei Ferry bei genauerem Hinsehen allerdings wohl das Phänomen der erektilen Dysfunktion auftat. Ungünstig, so in einem TV-Halbfinale. Oder wie Stella Stegmann sagt: "Er hat tatsächlich keinen so richtig hochbekommen. Aber das ist nicht schlimm!" Genau! Auf die Technik kommt es an!

Hitler, Putin, Pocher

Stichwort Sexualität. Diese Woche ist auch die Woche des Outings. Anders als bei Hape Kerkeling seinerzeit (Grüsse an Rosa von Praunheim an dieser Stelle) allerdings zumindest auf freiwilliger Basis. Filmstar Chloë Grace Moretz ("Kick-Ass") verrät der Hollywood-Presse, sie sei lesbisch. Insgesamt keine Nachricht mehr, die für ein Aufregungsvolumen sorgen könnte, wie es 1953 noch gewesen wäre, wenn Grace Kelly kurz nach ihrem Welterfolg "Zwölf Uhr Mittags" ein ähnliches Statement abgegeben hätte. Und das ist doch eigentlich eine gute Nachricht, was die vielleicht behäbige, aber wenigstens nicht gar nicht vorhandene Weiterentwicklung unserer Gesellschaft angeht.

Nicht lesbisch, aber dafür laut einigen Medien inzwischen "irre" präsentiert sich diese Woche Oliver Pocher. Redaktionspraktikanten aus diversen Promi-Redaktionen beschreiben seine gelegentlich etwas überreizten Gags gerne als "markige Sprüche". Etwas zu markig geriet ihm jetzt allerdings ein weiterer seiner Post-Ehegelübde-Nachtret-Scherze. Was war passiert? Kurz gesagt: Oliver Pocher hatte vor einigen Wochen auf einen Instagram-Content seiner Ex-Frau Amira Ali mit dem, na ja, Geistesblitz "Ich habe hier gerade die Hose ein bisschen auf, weil ich gebumst habe und so fett geworden bin" reagiert. Nun wurde er in einer Schweizer Talkshow mit der Frage konfrontiert, ob man so vielleicht lieber nicht über die Mutter seiner Kinder sprechen sollte. Das jedoch, und hier betreten wir das Gag-literarische Terrain, das von der Fachpresse zuletzt als "irre" kategorisiert wurde, bestritt Pocher mit einem wahrscheinlich gleichsam unbedachten wie im Prinzip auch sinnlosen Hitler-Vergleich: "Doch! Ab einem bestimmten Zeitpunkt muss man auch so über die Mutter der Kinder reden. Es ist ja auch so: Putin hat ja auch eine Mutter. Und Hitler hatte auch eine Mutter."

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Mal abgesehen von der grundsätzlichen Unanständigkeit, andere Menschen, insbesondere die Mutter seiner eigenen Kinder, auf welche Art und Weise auch immer mit dem grössten Verbrecher der Weltgeschichte zu vergleichen, ist die von Pocher kreierte Analogie auch vom logischen Gesichtspunkt her betrachtet eher fragwürdig. Denn wenn man inhaltlich sagt: Man darf hart und böse über die Mutter seiner Kinder reden, weil Hitler hatte ja auch eine Mutter, kritisiert man letztendlich ja nicht die Mutter, sondern ihre Kinder. "Auch Hitler hatte eine Mutter" ist zunächst mal eine biologisch-evolutionäre Tatsache. Die Gräueltaten der Nazis im Dritten Reich hatte aber nicht Hitlers Mutter zu verantworten, sondern Hitler.

Was im Umkehrschluss hiesse: Pocher trifft am Ende nicht Amira Aly, der er Untreue und Betrug unterstellt und wegen der er sich folglich – treffen, die Vorwürfe zu, übrigens absolut zurecht – als äusserst ungerecht, unfair und hinterhältig behandelter, gehörnter Ehemann fühlt. Er trifft die Kinder von Amira Aly, und damit seine eigenen Kinder. Wenn nämlich Amira Aly "die Mutter von Hitler" ist, was sind dann die gemeinsamen Kinder von Aly und Pocher? Genau: Hitler. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es das nicht war, was Oliver Pocher sagen wollte. Andererseits: Betrachtet man seinen öffentlichen Output des letzten Jahres, vor allem Äusserungen im Rahmen der gescheiterten und inzwischen auch offiziell geschiedenen Ehe mit Amira Aly, muss man als neutraler Beobachter vermutlich davon ausgehen, dass Pocher insgesamt nicht sehr viel Zeit damit verbringt, ausschweifend detailliert darüber zu sinnieren, was genau er wie sagen möchte.

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