Wieder eine ganz normale Woche im intelligentesten Deutschland aller Zeiten. Während die Bildungs-Ausgaben in den vergangenen 27 Jahren um 234 Prozent stiegen und damit fast zweieinhalbmal so hoch liegen wie 1995 (76 Milliarden zu 177 Milliarden Euro), entwickelte sich das Bildungsniveau leider nicht proportional.
Für alle, die von dieser Budget-Ergebnis-Schere betroffen sind: Eine proportionale Entwicklung hätte bedeutet, dass der durchschnittliche Deutsche heute fast 2,5-mal so schlau ist wie 1995. Wir sind uns wohl ideologieübergreifend einig: Dieser Fall ist nicht eingetreten. Selbst inflationsbereinigt hätte man auf eine Bildungs-Hausse von zumindest 30 Prozent hoffen dürfen – aber naja, 85 Prozent aller Deutschen kennen
Stichwort schlechte Witze: Vergangene Woche berichtete ich von meiner Trauer darüber, dass der Axel-Springer-Verlag offenbar zeitnah sein "Bild TV"-Erfolgsformat "Viertel nach Acht" begraben wird. Seither überschlagen sich die Ereignisse im Döpfner-SMS-gesteuerten Redaktionsalltag bei Deutschlands wichtigstem Polit-Magazin: "Viertel nach Acht" Anchorman Nena Brockhaus verlässt den Verlag.
Gegendert wird hier nicht, da sowohl Diplomfeministin Brockhaus als auch die bei ihrem Ex-Arbeitgeber aus romantischen Gründen noch immer erscheinenden Zeitungen "Bild" und "Welt" Gendern für linksgrünversifften Woko-Haram halten. Der Broxit – ein nur schwer kompensierbarer Aderlass. Ob sich der Verlag davon erholen kann? Unwahrscheinlich. Da ist sich die Politjournalismus-Elite einig.
Man hat Nena Brockhaus im Stich gelassen!
Nun gab es in den vergangenen Monaten viele kritische, um nicht zu sagen überhebliche Stimmen, die sich über die Einschaltquoten der mit dem Gesicht von Nena Brockhaus untrennbar verbundenen Nachrichtenikone "Viertel nach Acht" lustig machten. Die Quoten-Hoffnungen blieben zwar ganz leicht unter den Erwartungen, aber diese Zuschauer-Regression nun ausgerechnet Nena Brockhaus in die Schuhe zu schieben, ist unlauter.
Ständige Budgetkürzungen, ein fortlaufendes PR-Desaster über den gesamten Verlag hinweg – und dann als Talkgäste auch noch hauptsächlich Politik-Wissenschaftler wie
In meinen Augen hat man sie mit einem nicht ausgereiften Konzept im Stich gelassen. Unverzeihlich. Auch
Was musste sich Nena Brockhaus alles gefallen lassen? Kaum ein Mann hätte sich wohl damit abfinden müssen, dass jeder, der fähig ist, ein elektronisches Endgerät mit dem Internet zu verbinden, anonym Beleidigungen in die Welt blasen darf. "Die hat wohl eine Enzyklopädie geheiratet" musste man lesen.
Oder dass sie ihren Nachnamen geändert hat, um zukünftig mit den Kritiken zu einer "Nena Schink" nicht mehr in Verbindung gebracht werden zu können. Das, und noch viele brutalere, naja, "Meinungen". Dass der Niedergang von "Viertel nach Acht" daran liegen könnte, dass die Sendung im TV zunächst um (Überraschung) viertel nach acht lief, dann aber doch recht schnell lieber um viertel nach elf, wurde nie thematisiert. Glauben Sie vielleicht, eine Sendung im ZDF, die "Aktuelles um sieben" heisst und dann um 22:00 Uhr ausgestrahlt wird, wäre ein Quotenrenner geworden?
Wer Fleisch haut, köpft auch Vegetarier
Wie schonungslos patriarchalisch in unserem angeblich so aufgeklärten Land bisweilen mit dem weiblichen Geschlecht umgegangen wird, erleben momentan auch die mutigen Frauen, die sich in der Causa
Zu diesem Thema ist zum jetzigen Zeitpunkt vermutlich alles gesagt. Sogar von Jan Fleischhauer. Der rüstige Starjournalist, quasi die Nena Brockhaus des "Focus", hat sich sogar spontan dazu hinreissen lassen, den "Spiegel"-Kommentar "Auch ich hätte eines von Lindemanns Mädchen werden können" von der Autorin Ariane Fries mit folgenden Worten zu kommentieren: "Auch in der Verdachtsberichterstattung gibt es Grenzen der Plausibilität, die man beachten sollte".
Für alle Fleischhauer-Leser, die nach der Vokabel "Plausibilität" nicht bereits mit Synapsenkirmes ausgestiegen waren, ein Grund zu feiern. Für alle anderen eher der Moment, sich zu fragen, ob der Verfasser des Tugend-Epos "How Dare You" gerade einer Rammstein-Kritikerin geschrieben hatte, sie wäre eh zu hässlich, auch mal in den Genuss von Till Lindemanns angeblichen sexuellen Vorlieben zu kommen.
Der besagte Tweet war von Samstag, viertel vor sieben. In einem bürgerlich-zivilisierten Vorzeige-Haushalt wie dem der Fleischhauers ist nicht davon auszugehen, dass der Verfasser schon am Nachmittag tiefer ins Glas geschaut hatte als David Hasselhoff vor einem Cheeseburger-Snack. Man ist schliesslich Asket. Gelegentlich auch intellektuell.
Ist Jan Fleischhauer für immer verloren?
Dennoch ist besagter "zum Glück werden nur hübsche Frauen vergewaltigt und wer hübsch genug ist, entscheide immer noch ich!"-Tweet inzwischen gelöscht. Transparenz-Weltmeister Fleischhauer erledigte diese Timeline-Flurbereinigung unter Ausschluss der Öffentlichkeit. An die grosse Glocke will man so einen Fauxpas nicht hängen. Wobei: Auch in der Grössenberichterstattung gibt es Grenzen der Plausibilität, die man beachten sollte.
Insgesamt ist Herr Fleischhauer kein Zeitgenosse, der immer zielgenau danebenliegt. Obwohl er sich als bekennender FDP-Wähler mittlerweile in der Rolle des Empörungs-Choreographen für eine Bubble gefällt, die so weit nach rechts abgekippt ist, dass von dort aus betrachtet zuweilen sogar die CDU als woke gilt.
Er ist beispielsweise Unterstützer einer Bürgerinitiative, die den Abschnitt der Strasse in Berlin, an der sich die Russische Botschaft befindet, nach dem ukrainischen Präsidenten
Ich fände das originell. Viele der fleissigen Twitter-Kommentatoren, die Fleischhauer bis zur Komplettlöschung seines Tweets in einer Art Tasten-Hyperaktivität für seine spektakuläre "Lindemann rührt doch hässliche Frauen gar nicht an"-Perle huldigten, eher nicht.
Lil´ Tindermann sucht die Frauen
Womit wir beim Thema Till Lindemann wären. Der sich einem Verleumdungskrieg ausgesetzt sehende Jahrhundert-Lyriker lässt sich einstweilen von der Kanzlei Schertz/Bergmann vertreten, die nach erster Einschätzung des Anwalts Chan-jo Jun gerade womöglich "das relativ Beste aus einem schwachen Fall" macht und dafür "ein pauschales Dementi verbreitet haben, mit dem mehr zugestanden als bestritten wurde."
Viele sehen in der Presseerklärung der Anwälte ein Schuldanerkenntnis. Dort heisst es wörtlich: "Frauen seien bei Konzerten von Rammstein mithilfe von K.O.-Tropfen bzw. Alkohol betäubt worden, um unserem Mandanten zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können. Diese Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr."
Nun könnte man im Umkehrschluss herauslesen, alle anderen Vorwürfe wären insofern nicht ausnahmslos unwahr. Das aber sollte jeder seriöse Verdachtsberichterstatter, Staatsanwalt, Kommentarspalten-Feminist und Selbstdenker allein deswegen für ausgeschlossen halten, weil die gesamte #Stolzmonat-Deppenarmada, die bis vor einigen Tagen noch damit beschäftigt war, den Unterschied zwischen Wasserstand und Wasserpegel im Gardasee zu begreifen, Till Lindemann bereits für unschuldig, die angeblichen Opfer für mediengeile Aufmerksamkeits-Junkies und die Indizien für erfunden erklärt haben.
Und natürlich, weil
Aus formaljournalistischer Sorgfaltspflicht sollte in diesem Kontext ergänzt werden, dass Sophia Thomalla (ähnlich eigentlich wie Nena Schink) von der sehr hass- und neidanfälligen Promifrauen-Community zu Unrecht stets als Antifeministin abgestempelt wird. Dabei ist das Gegenteil richtig. So sagte Thomalla jedenfalls 2011 zum Gleichstellungs-Magazin "Welt": "Eigentlich sollten Feministinnen mir die Füsse küssen." Ausserdem wichtig: Sophia Thomalla war zwischen 2011 und 2015 mit Till Lindemann liiert.
Wer in dieser Liaison wem die Füsse geküsst hat, ist ungeklärt. Ebenfalls nicht final bestätigt ist, ob es während der genau in diesen Beziehungszeitrahmen fallenden Rammstein-Tour "Made in Germany" bereits kleine Räume unter der Bühne gab, in denen man sich theoretisch jederzeit (auch während Konzertpausen) unbehelligt zu Sex-Tête-à-Têtes hätte zusammenfinden können.
Der Song "Deutschland" jedenfalls, der als eine Art Soundtrack für den OBL gilt (Official Blowjob Locker), erschien erst am 28. März 2019. Für mich in Summe eindeutig: Till Lindemann ist nichts vorzuwerfen. Die nächste hochkompetente juristische Quatscheinschätzung aus meiner Feder gibt es dann kommenden Montag genau hier. Bis dann.
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